Handy-Vertrag Wie mich Mobilcom zum Hochrisiko-Kunden kürte

Top-Bonität, Premium-Tarif und viele teure Auslandstelefonate: Mit diesem Profil müsste man eigentlich zu den Traumkunden eines jeden Mobilfunkanbieters zählen. Nicht so bei Mobilcom-Debitel: Dort gilt zu viel Umsatz offenbar als verdächtig - und als Grund, das Handy zu sperren.
Vieltelefoniererin: Ein teurer Vertrag kann Probleme bereiten

Vieltelefoniererin: Ein teurer Vertrag kann Probleme bereiten

Foto: Corbis

Ich brauche einen neuen Mobilfunkvertrag. "Nimm doch Aldi Talk", schlägt meine Frau Tanja vor. "Kostet nur zehn Euro im Monat."

Nein danke - ich habe keine Lust auf Tarife, bei denen man zehnstellige Codes freirubbeln und auf die Uhrzeit ("Bonusminuten nur zwischen 23 und 5 Uhr") achten muss.

Ich bin ein vielreisender Freiberufler, ein homme d'affaires, und derlei Geknickere kann ich mir nicht leisten. Ich brauche ein Handy, das uneingeschränkt funktioniert.

Bei Mobilcom-Debitel (MD) buche ich deshalb die S-Klasse unter den Tarifen: die SuperFlat Internet Allnet. Deren Grundgebühr liegt jenseits der 90 Euro. Dafür telefoniert man ohne Limit in alle Netze, die Zahl der Inklusiv-SMS liegt bei 3000 Stück.

Die ersten Tage läuft alles reibungslos. Doch irgendwann fällt mir auf, dass mich ein Geschäftspartner hätte anrufen sollen, es aber nicht getan hat. Ich überprüfe mein Handy. Der Akku ist voll, aber das Netz ist weg.

Dummerweise ist Freitagabend, bei der MD-Hotline geht niemand mehr ans Telefon. Am Samstagmorgen werde ich im örtlichen Shop vorstellig.

"Tut mir leid, Herr König. Ihre Karte wurde gesperrt."

"Gesperrt? Aber warum? Ich hab' das Handy doch erst seit ein paar Tagen."

Der Mitarbeiter zuckt mit den Schultern. "Müssen Sie bei der Hotline anrufen."

"Die sind aber am Wochenende nicht erreichbar", protestiere ich, "sondern erst wieder am Montag."

Der Mann bedauert diesen Umstand außerordentlich. Aber er könne da auch nichts machen.

"Sie besitzen leider das Profil eines Hochrisikokunden"

Montagmorgen ist der Andrang bei der Hotline riesig, weswegen es etwas dauert, bis ich jemanden an die Strippe kriege. Der Servicemitarbeiter weiß auch nicht so genau, warum man mich abgeklemmt hat. Er verspricht aber, die Sperre aufzuheben, und gelobt, so etwas werde nicht wieder vorkommen.

Ich bete, dass er recht hat. Denn am darauffolgenden Tag fliege ich nach New York. Tatsächlich entsperrt MD das Telefon rechtzeitig, und ich kann in Manhattan problemlos telefonieren.

Als ich einige Tage später zurück in Deutschland bin, gibt mein Handy erneut den Geist auf - praktischerweise wieder an einem Freitag. So ein Wochenende ohne nervige Anrufe von Freunden hat ja auch seinen Reiz.

Am Montag hänge ich mich erneut in die Warteschleife. Ich sage, dass ich mit jemand aus der Verwaltung sprechen möchte. Mit jemand, der mir sagen kann, warum mein Telefon andauernd abgeklemmt wird.

Die nächsten 30 Minuten werde ich herumgereicht wie eine Flasche Cinzano Bianco auf einer Bottleparty. Schlussendlich stellt man mich zu einem Justitiar durch, nennen wir ihn Herrn A.

"Nun, Herr König, Sie besitzen leider das Profil eines Hochrisikokunden."

Nur sehr, sehr wenige Menschen wählten diesen sehr, sehr teuren Tarif, sagt Herr A. Er redet ein wenig um den heißen Brei herum, aber verkürzt gesagt ist seine Message diese: Wer in Zeiten der 9,95-Euro-Handy-Flat das Zehnfache ausgibt, kann augenscheinlich nicht mit Geld umgehen.

"Und dann sind da Ihre Auslandsaufenthalte, Herr König."

"Ja, was ist mit denen?"

"Sie waren in London und danach in New York. Beide Male", sagt Herr A., "haben Sie von dort...telefoniert. Und dann ist da noch Ihr Schufa-Eintrag."

Mein Schufa-Score ist auffällig unauffällig

Aus kolumnistischem Interesse lasse ich mir meinen Schufa-Eintrag regelmäßig schicken. Deshalb weiß ich, dass er sich liest wie das Führungszeugnis des Heiligen Franziskus. Also frage ich selbstbewusst: "Was ist mit meiner Bonität? Der Wert liegt über 99 Prozent."

Genau das sei das Problem, sagt Herr A. Derart perfekte Einträge gebe es fast nie. Mein Schufa-Score, das will er mir wohl mitteilen, ist auffällig unauffällig.

Auslandgespräche, Premiumtarif, Top-Bonität - all diese Faktoren machen mich nach der bizarren Logik des MD-Risikomanagement-Computers anscheinend zu jemandem, dem man genau auf die Finger schauen muss. Sobald Tom König, die tickende bilanzielle Zeitbombe, in Brooklyn oder Bloomsbury wieder 30 Euro für ein Telefonat raushaut, wird deshalb die nächste Sperre fällig.

Einige Tage darauf kriege ich das schriftlich: MD sei berechtigt, bei "stark auffälligem Nutzungsverhalten" Karten zu deaktivieren. "Die Sperrung Ihres Mobilfunkanschlusses erfolgte gemäß § 7.1 unserer AGB, da Sie ein erhöhtes Gebührenaufkommen aufgrund der Nutzung Ihres Handys im Ausland hatten."

Ich schreibe zurück, dass ich unter diesen Umständen meinen Vertrag gerne auflösen möchte. Das lehnt MD ab.

Die Pressestelle von MD erklärt auf Anfrage: "Dass es sich ... um einem Hochrisiko-Kunden handelt, trifft nicht zu." Vielmehr handele es sich bei der (in meinem Fall dreimal erfolgten) automatischen Sperre "um eine Sicherheitsvorkehrung, welche aus unserer Sicht für beide Seiten sinnvoll ist". Darüber hinaus sei eine unauffällige Schufa positiv und werde "unseren Kunden nicht zum Nachteil ausgelegt".

Ich hätte auf Tanja hören sollen, zumindest ein bisschen: Für die 90 Euro hätte ich zehn SIM-Karten von Aldi Talk kaufen können. Falls die mir wegen exzessiver Quasselei dann eine sperren, könnte ich einfach eine andere Karte ins Handy stecken.

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