Weltweit Kontodaten ausspioniert Banken schweigen, Verbraucherschützer alarmiert

Die CIA hat mit Hilfe der Transaktions-Gesellschaft Swift weltweit Tausende Kontendaten durchleuchtet. Auch deutsche Bankkunden sind vermutlich betroffen. Doch die Banken schweigen beharrlich zur der umstrittenen Anti-Terror-Aktion der USA. Verbraucherschützer sprechen von einem Skandal.
Von Tim Höfinghoff

Hamburg - Für den Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbz) ist die Lage eindeutig: "Aus Sicht der Verbraucher ist das ein Skandal", sagte vzbz-Wirtschaftsexperte Patrick von Braunmühl gegenüber SPIEGEL ONLINE. Die Aktion der US-Behörden "schafft ganz neue Dimensionen und bestätigt, dass sich die USA in ihrem Anti-Terrorkampf nicht an Recht und Gesetz gebunden fühlen".

US-Zeitungen hatten aufgedeckt, dass die US-Regierung seit dem 11. September 2001 systematisch Millionen von Geld-Transaktionen durchwühlt und ausgewertet hat. Ziel der geheimen Aktion war, die Geldquellen von Terrorverdächtigen trocken zu legen und weitere finanzielle Verbindungen aufzuspüren. Ausgeführt hat die Aktion der US-Geheimdienst CIA, beteiligt war aber auch das US-Finanzministerium. Es habe geholfen, Terroristen zu finden, rechtfertigte sich Finanzmininister John Snow. So sei es gelungen, al-Qaida-Terroristen und ihre Finanziers auszuschalten und "Leben zu retten".

Die US-Behörden verlangten umfangreiche Finanzdaten von dem Anbieter Swift in Brüssel: Die "Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication" verwaltet jeden Tag rund elf Millionen Transaktionen - die meisten davon grenzüberschreitend. Man habe nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einer verbindlichen Anordnung aus dem US-Finanzministerium Folge geleistet, heißt es bei Swift lapidar. Mehr wollte eine Swift-Sprecherin gegenüber SPIEGEL ONLINE dazu nicht sagen. 

Swift gehört 2200 Organisationen

Auch deutsche Banken, Börsen und Finanzinstitute nutzen Swift - darunter die Commerzbank, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank sowie die Deutsche Bundesbank. Über den Swift-Code können sich die Kreditinstitute untereinander bei Buchungen identifizieren, Kontoauszüge, Zahlungen und andere Geschäfte abwickeln.

Das Netzwerk fungiert als eine Art Kommunikationsanbieter und bietet Informationen zu Transfers zwischen rund 7800 Institutionen weltweit. Im Jahr 2005 wurden bei Swift rund 2,5 Milliarden Mitteilungen verschickt. Deutschland lag mit 245 Millionen Transaktionen hinter Großbritannien und den USA auf Rang drei. Die Finanzinstitute sind nicht nur Nutzer, sondern auch Träger der Gesellschaft: Swift wurde vor 30 Jahren gegründet und gehört 2200 Organisationen, darunter fast jede große Geschäftsbank der Welt.

Zu den Folgen der US-Regierungs-Aktion halten sich die Kreditinstitute hierzulande lieber bedeckt. So heißt es beim Bundesverband deutscher Banken in Berlin, "dass wir uns zu diesem Thema nicht äußern können". Auch die Großbanken selbst lassen verlauten, dass "es keine Notwendigkeit gibt, zu reagieren". Sie wollen sich "auch weiterhin darauf verlassen, dass bei Swift der Datenschutz und alle Regeln eingehalten werden".

Potentiell auch deutsche Kunden betroffen

Auch die Deutsche Bundesbank spielt den Vorfall herunter. Schließlich stehe immer noch nicht fest, welche Kundendaten überhaupt an die USA geliefert worden seien. Dabei ist die Bundesbank nicht nur Nutzer des Swift-Systems, sondern gehört gemeinsam mit anderen Nationalbanken in Europa auch zur Überwachungs-Instanz von Swift. Ob und wann die Deutsche Bundesbank über die Schnüffel-Aktion der US-Amerikaner informiert wurde, wollen die Zentralbanker jedoch nicht preisgeben.

Verbraucherschützer kritisieren hingegen, wie unterwürfig sich Swift gegenüber den US-Behörden verhalten hat. "Potentiell könnte auch eine große Menge an Deutschen betroffen sein", sagt vzbz-Experte von Braunmühl. Ihn erregt außerdem das Vorgehen der USA, denn für Organisationen wie Swift würde immer noch europäisches Datenschutzrecht gelten.

Auch der Bundesbauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sieht die US-Aktion kritisch: "Das ist ein gravierender Vorwurf, der aufklärungsbedürftig ist", sagte Sprecherin Ira von Wahl gegenüber SPIEGEL ONLINE. Nun gelte es schleunigste zu prüfen, inwieweit auch deutsche Bankkunden ausgeforscht wurden.

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