Werbung Grün lackiert
Hamburg - "Wer sich am meisten über unsere Investitionen freut? Das Klima." So tönt der Energiekonzern RWE in seinen Anzeigen. Lufthansa wirbt mit dem Slogan "Wir tun viel - für möglichst wenig CO2-Emissionen". Der Flugzeughersteller Airbus preist sein neues Großraumflugzeug A 380 als "Greener", "Cleaner" und "Quieter" an. Und der Autohersteller Ford wirbt mit Eisbären- und Elefantenföten für "Flexifuel", Fahrzeuge, die sowohl Bio-Ethanol als auch Superbenzin tanken können. "Wenn auch Sie an die nächste Generation denken, dann lernen Sie dieses moderne und wirtschaftliche Antriebskonzept jetzt kennen", heißt es in der Werbung.
Die Slogans zeigen: Unternehmen haben den Klimaschutz als Werbemittel entdeckt. Seit die Uno Anfang Februar ihren Klimabericht vorgelegt hat, bestimmt die Debatte um Treibhausgase und Erderwärmung nicht nur Talkshows, Medienberichte und Politik, sondern auch die deutsche Werbelandschaft. "Die Relevanz von Umweltthemen hat durch die aktuelle Klimadiskussion deutlich zugenommen, immer mehr Unternehmen werben entweder mit konkreten Produkten oder stellen sich insgesamt als umweltfreundliches Unternehmen dar", sagt Roland Bös von der Werbeagentur Scholz & Friends. "Werbung ist damit das Spiegelbild gesellschaftlicher Diskussionen."
Kunden erziehen Unternehmen
"Es gibt wohl kein Unternehmen, das derzeit nicht darüber nachdenkt, wie es auf den 'grünen Hype' aufspringen kann", bestätigt auch Karen Heumann, Vorstand bei der Werbeagentur Jung von Matt. Im Gegensatz zu vorherigen Umweltschutz-Wellen hält sie den Trend dieses Mal aber für dauerhaft: "Beim Konsumenten hat sich etwas Grundlegendes verändert: Hat er früher seine Konsumkritik durch Verzicht zum Ausdruck gebracht, tut er das heute durch gezielten Konsum." Er erziehe die Unternehmen quasi durch den Kauf oder Nicht-Kauf von bestimmten Produkten.
Tatsächlich sind die Verbraucher inzwischen sensibel, was das verantwortliche Handeln von Unternehmen angeht. Eine Studie der Markenberatung Icon Added Value zeigt, dass zwei Drittel der Deutschen an Umweltthemen interessiert sind und nahezu jeder Dritte diesem Thema hohe Priorität einräumt. Fast zwei Drittel hoffen, dass Unternehmen im Umweltschutz künftig mehr tun - allen voran die Automobilbranche, Fluglinien und Energiekonzerne. Außerdem - und das ist die wichtigste Aussage - lassen sich 40 Prozent bei ihren Kaufentscheidungen von Umweltaspekten beeinflussen. "Deshalb scheint es vielen Unternehmen plötzlich opportun, vermeintliche oder wirkliche Klimaschutzbemühungen in ihre Kampagnen einzubauen", sagt Christoph Prox, Chef von Icon Added Value.
Deshalb macht Opel seit neustem "Deutschlands Straßen sauberer", wird der Smart mit "den niedrigsten CO2-Werten der Welt" als "CO2-Champion" beworben und der Elektronikhersteller Panasonic ruft die Umweltwochen aus, um seinen bleifreien Plasma-Bildschirm besser zu verkaufen. "Wir bedienen damit ein gewisses Gespür der Kunden und eine Nachfrage, die vorher nicht da war", sagt Wolfgang Riecke, Sprecher von Ford.
"Wer nichts für den Klimaschutz tut, soll nicht damit werben"
"Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, wenn Unternehmen mit Klimaschutz werben", sagt Jörg Feddern, Klimaexperte von Greenpeace. "Aber nur, wenn sie auch tatsächlich etwas für den Klimaschutz tun." Trotzdem stößt es ihm auf, wenn zum Beispiel ausgerechnet Lufthansa damit wirbt, viel für "möglichst wenig CO2-Emissionen" zu tun. "Wer sich angesichts des stark wachsenden Flugverkehrs nicht um ernsthaften Klimaschutz bemüht, sollte auch nicht damit werben." Denn trotz der Klimaschutz-Bekenntnisse lehne Lufthansa weiterhin ab, dass der Flugverkehr in den Emissionshandel miteinbezogen werde. Eine Maßnahme, die Klimaschutz-Experten für sinnvoll halten, um die tatsächlichen Kosten eines Fluges zu ermitteln - und damit unter anderem Anreize für Sprit sparende Flugzeuge zu schaffen.
"Biokraftstoffe: weniger CO2, mehr IQ" - mit diesem Slogan wirbt auch der Energiemulti BP für mehr Klimaschutz und alternative Kraftstoffe. "Nur mit mehr Intelligenz werden wir weniger Emissionen erreichen", heißt es in großformatigen Anzeigen des Konzerns, der darin verspricht, in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen Dollar in das "erste biowissenschaftliche Institut für Energie" zu investieren. Mit dem Ziel, "neue Quellen für saubere und erneuerbare Energien zu entwickeln".
"Wir werden beobachten, was BP da genau macht, und ob es tatsächlich dem Klimaschutz dient", sagt Klima-Experte Feddern. Denn nicht immer decken sich Anspruch und Wirklichkeit - obwohl Marketingexperten genau davor warnen. "Was derzeit zu sehen ist, ist ein buntes Potpourri aus Augenwischerei und ernstgemeinten Schritten", sagt Werberin Heumann. Trotzdem glaubt sie, dass die Unternehmen sich langfristig nur durchsetzen können, wenn sie den Umweltschutzgedanken ernst nehmen. "Die Käufer von heute sind jung, pragmatisch und ausgeschlafen. Der Druck, den sie auf die Unternehmen ausüben, wird nicht nachlassen." Diese Botschaft sei inzwischen bei den meisten verstanden worden.
Dabei lassen sich vor allem die deutschen Kunden ungern hinter's Licht führen. "Die deutsche Öffentlichkeit ist extrem kritisch und verfügt gerade bei Umweltthemen über einen hohen Wissensstand", sagt Markenexperte Prox. Deshalb funktionierten Kampagnen, die von internationalen Unternehmen weltweit aufgesetzt würden, in Deutschland nicht immer. "Den Deutschen können sie nicht mit bunten Bildern, glücklichen Igeln und wiegenden Sonnenblumen kommen - das nehmen die dem Unternehmen nicht ab."
Nachhaltigen Schaden richten die irreführenden Kampagnen nach Meinung von Prox allerdings auch nicht an: "Was als Trittbrettfahrerei wahrgenommen wird, verpufft einfach. Und was die Leute nicht glauben, vergessen sie sofort."