Werksschließung in Bochum Nokia lehnt Verhandlung ab - auch 200 Stellen bei DHL in Gefahr

Klare Worte aus Helsinki: Der finnische Nokia-Konzern will nicht weiter über eine mögliche Weiterführung des Werkes in Bochum verhandeln. Damit brüskiert er die nordrhein-westfälische Landesregierung - und bringt auch Zulieferfirmen wie DHL in Not.

Helsinki - Kein Spielraum für Verhandlungen: Mit deutlichen Worten machte der Nokia-Konzern heute klar, dass er nicht vorhat, seine Entscheidung zur Schließung des Bochumer Werkes noch einmal zu überdenken. Unternehmenssprecherin Arja Suominen sagte heute in Helsinki, die Entscheidung zur Schließung sei "sehr genau durchdacht". Verhandlungsbedarf gebe es nicht.

Zuvor hatte die nordrhein-westfälische Landesregierung angekündigt, mit dem finnischen Mobiltelefonhersteller Nokia über die Gründe für den Rückzug aus Bochum sprechen zu wollen. "Wir wollen vor allem wissen, ob die Entscheidung plausibel ist", sagte Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter heute in Düsseldorf. "Für uns, für die Beschäftigten und die Gewerkschaften sind die Argumente von Nokia nicht nachvollziehbar."

Das Nokia-Management hatte Kostennachteile in Deutschland für die Produktionsverlagerung nach Südosteuropa angeführt. Nokia hatte für das Werk Bochum 88 Millionen Euro an Subventionen von Bund und Land erhalten. Die Regierung wolle jetzt auch genau nachschauen, ob Infrastrukturhilfen von der EU an neue Standorten geflossen seien, sagte Wichter weiter.

Rüttgers warnte den Konzern davor, sich den geforderten Gesprächen über die Schließung seines Werkes in Bochum zu verweigern. Wenn Nokia Gespräche darüber ablehne, werde sich der Image-Schaden für das Unternehmen noch vergrößern, sagte Rüttgers. Er sei sich sicher, dass in den nächsten Tagen Gespräche mit Nokia aufgenommen werden könnten. Die Landesregierung werde alles unternehmen, um das Werk in Bochum zu erhalten. "Die Diskussion beginnt erst", sagte Rüttgers.

"Ganz rüde Form von Steinzeitkapitalismus"

Betroffen von den Schließungsplänen sind aber nicht nur die 2300 Nokia-Mitarbeiter, sondern auch Angestellte der Zulieferfirmen. Als erstes Unternehmen gab heute das Post-Logistikunternehmen bekannt, dass mehr als 200 Mitarbeiter betroffen seien. Nokia ist DHL-Kunde und die DHL- Mitarbeiter sind im Bochumer Werk mit Lagerarbeiten beschäftigt oder mit der Lieferung von Material zur Handy-Produktion betraut, wie DHL- Sprecher Claus Korfmacher sagte.

DHL sei kurz vor Veröffentlichung der Nokia-Pläne über die Absichten des Konzerns informiert worden. "Daher ist es jetzt einfach noch zu früh für uns zu sagen, was passieren wird", sagte Korfmacher. DHL beteilige sich nicht an Spekulationen sondern suche das Gespräch mit Nokia. DHL ist als Dienstleister für Nokia auch an anderen Standorten in Europa, Osteuropa, Süd- und Nordamerika und China tätig.

Unterdessen wächst die Wut über den finnischen Mobilfunkkonzern. Der frühere nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) wirft dem finnischen Handy-Unternehmen Nokia eine "ganz rüde Form von Steinzeitkapitalismus" vor. Das Werk in Bochum schließen zu wollen, weil die Ergebnisse nach konzerninternen Regeln nicht mehr stimmen, "so geht das ja nicht mehr", sagte Schartau im Deutschlandfunk.

Zugleich appellierte er an die EU, mehr Transparenz bei Firmenansiedlungen innerhalb der EU herzustellen. Bei Niederlassungsverlegungen, "die ausschließlich mit solchen Subventionen spielt, das gilt auf europäischer Ebene nicht", sagte Schartau und fügte hinzu: "Des einen Leid ist des anderen Freud: Das darf es in Europa nicht geben."

Verhalten von Nokia ist "Sauerei"

Äußerungen von Nokia, die Ansiedlung von Zulieferern hätte in Bochum nicht gestimmt, wertete Schartau als "ganz billige Verteidigungsrede". Hätte Nokia den Versuch unternommen, ernsthaft über solche Fragen mit den Beteiligten zu reden, "dann wäre sicherlich auch etwas passiert. Das sind jetzt Schutzbehauptungen", sagte Schartau.

Auch im Bundestag wurde der finnische Handy-Konzern für die angekündigte Schließung des Bochumer Werks harsch kritisiert. Das Verhalten von Nokia sei eine "Sauerei", sagte der Vize-Präsident des Bundestags, Hermann Otto Solms (FDP). Der Fall Nokia zeige, dass staatliche Beihilfen falsch seien. "Die ganze Subventionitis hat doch zu nichts geführt", sagte Solms. Der CSU- Mittelstandsexperte Hans Michelbach warf Nokia Subventionsbetrug vor.

sam/dpa/dpa-AFX

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