Wettbewerbsverstöße EU verdonnert Intel zu Rekord-Kartellstrafe

Spektakuläre Entscheidung: Die EU-Kommission verhängt gegen den Chiphersteller Intel eine Wettbewerbsstrafe von 1,06 Milliarden Euro. Es ist das höchste Bußgeld, das je angeordnet wurde - und der Höhepunkt eines erbitterten neunjährigen Kartellkonflikts.

Brüssel - Der US-Chiphersteller Intel muss wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung eine Rekordstrafe von 1,06 Milliarden Euro zahlen. Der Konzern habe jahrelang Rabatte für Computerproduzenten daran geknüpft, dass diese keine oder nahezu keine Bauteile von der Konkurrenz bezögen, teilte die EU-Kommission mit. Auch durch weitere illegale Praktiken habe Intel die Wahl der Verbraucher eingeschränkt.

Intel-Zentrale in Santa Clara: Spektakuläre Kartellstrafe

Intel-Zentrale in Santa Clara: Spektakuläre Kartellstrafe

Foto: AFP

Die Wettbewerbshüter werfen Intel im Detail Wettbewerbsverzerrungen in mehreren zentralen Punkten vor:

  • Der Konzern habe der Media Saturn Holding, zu der die europaweit bekannten Media-Märkte zählen, erhebliche Rabatte eingeräumt - unter der Bedingung, dass diese nur Computer mit Intel-Chips verkauft.
  • Anderen PC-Herstellern wie Acer, Dell, Hewlett-Packard, Lenovo und NEC Rabatte gewährt, wenn sie alle oder fast alle Prozessoren von Intel bezogen hätten.
  • Intel habe zudem einen führenden PC-Hersteller dafür bezahlt, dass dieser die Markteinführung einer Produktlinie mit einem AMD-Prozessor verzögert habe, und diesem Hersteller obendrein Rabatte dafür gegeben, dass er seine Notebooks komplett mit Intel-Prozessoren ausstattet.

"Intel hat Millionen europäischen Verbrauchern geschadet, indem es viele Jahre lang gezielt versucht hat, Wettbewerbern den Zugang zum Computerchip-Markt zu verwehren", erklärte EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Von Ende 2002 bis Ende 2007 habe Intel seine Marktposition missbraucht. "Ein derart schwerer und anhaltender Verstoß gegen das EU-Kartellrecht kann nicht hingenommen werden."

Der US-Chiphersteller AMD begrüßte das Rekordbußgeld. "Die EU-Entscheidung wird die Kräfte von einem missbräuchlich handelnden Monopolisten zu Computerherstellern, Händlern und vor allem PC-Nutzern verschieben", sagte AMD-Europachef Giuliano Meroni am Mittwoch.

Intel dagegen hatte mehrfach beteuert, sich mit der eigenen Rabattpolitik stets im gesetzlichen Rahmen zu bewegen.

Der EU-Entscheid ist der Abschluss eines fast ein Jahrzehnt dauernden Kartellkampfs. Schon im Jahr 2000 hatte sich Intels Konkurrent Advanced Micro Devices (AMD) über angeblich wettbewerbswidriges Verhalten beschwert. Intel dränge AMD mit unlauteren Methoden aus dem Markt, so der Vorwurf.

AMD ist auf dem Chip-Sektor Intels einziger wirklicher Konkurrent. Die Marktforschungsfirma International Data Corporation bezifferte Intels Weltmarktanteil im Dezember 2008 auf 81,9 bei allen hergestellten PC. 17,7 Prozent laufen demnach mit AMD-Chips.

Hinter den Kulissen tobte ein erbitterter Machtkampf der beiden Erzrivalen: Man bringe "keine Einwände gegen Intel vor, ohne den Dritten Weltkrieg anzuzetteln" - mit diesen Worten kommentierte Robert Lande, Direktor des American Antitrust Institute und Professor an der juristischen Fakultät der Universität Baltimore, die Härte der Auseinandersetzung.

Im Juli 2007 nahm die EU-Kommission ein offizielles Wettbewerbsverfahren auf. 2008 weitete sie ihre Vorwürfe aus. Am vergangenen Freitag traf sich die Behörde mit Vertretern nationaler Kartellbehörden, um die Sanktionen für Intel abschließend zu beraten.

Das Bußgeld gegen Intel hätte sogar noch weit höher ausfallen können. Bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes hätte sie betragen können - 2008 erzielte Intel einen Umsatz von 37,6 Milliarden Dollar.

Der aktuelle EU-Entscheid ist bereits die zweite große Kartellstrafe, mit der die Wettbewerbsbehörde die IT-Branche aufwirbelt. Erst im Februar hatte Brüssel schon dem Software-Riesen Microsoft ein Rekordbußgeld von 899 Millionen Euro auferlegt. Die Kommission sah es damals als erwiesen an, dass der Konzern jahrelang zu hohe Lizenzgebühren für technische Informationen verlangt hatte.

ssu/AFP/AP/dpa-AFX

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