Wettrennen um Subventionen Bauernverband rechnet Klimabilanz schön

Die industrialisierte Landwirtschaft kommt in der Klimadebatte unter Druck - der Deutsche Bauernverband reagiert: Er jongliert mit Zahlen und hübscht die CO2-Bilanz seiner Bauern auf. Plötzlich wollen alle grün sein und verlangen dafür Subventionen.

Berlin - Deutschlands oberster Landwirt hat ein klares Weltbild, wenn es um den Klimaschutz geht: "Die Landwirtschaft ist Teil der Lösung, nicht das Problem!", wird Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) nicht müde zu betonen - zuletzt Mitte Mai als "Keynote Speaker" bei der "Berliner Klimakonferenz". "Wir binden CO2 in unseren Nutzpflanzen. Leider wird das oft vergessen und verschwiegen."

Bestellung eines Rapsfeldes: In der deutschen Landwirtschaft werden 13 Prozent der Treibhausgase produziert

Bestellung eines Rapsfeldes: In der deutschen Landwirtschaft werden 13 Prozent der Treibhausgase produziert

Foto: SVEN KAESTNER/ AP

Dabei vergisst oder verschweigt Sonnleitner selbst gerne die wahre Klimabelastung durch die industrialisierte Landwirtschaft: Denn tatsächlich erzeugt dieser Bereich - in dem etwa zwei Prozent der deutschen Erwerbstätigen arbeiten und ein Prozent der Bruttowertschöpfung des Landes erzielt wird - insgesamt etwa 13 Prozent der deutschen Emissionen von Treibhausgasen. Sagt das Umweltbundesamt (UBA).

Sonnleitner aber erwähnte nur die Hälfte davon, sieben Prozent. Diese Zahl ist nicht falsch, aber sie ist auch nicht korrekt - denn sie enthält nur die direkten Emissionen und verschweigt etwa Treibhausgase aus der Umwandlung von Moorböden in Ackerland.

Klimadiskussion bringt Bauern unter Druck

Die Zahlentrickserei hat System - denn Bauern geraten bei der Klimadiskussion zunehmend unter Druck. So kritisieren die Welternährungsorganisation (FAO), das UBA und die Verbraucherorganisation Foodwatch verstärkt die Klimabelastung durch Rinder, der Umweltverband WWF fordert gar, die Zahlungen der EU-Agrarbeihilfen in Zukunft von einer umwelt- und klimaverträglichen Art der Landwirtschaft abhängig zu machen. Und die aktuelle Studie "CarboEurope" nennt die Landwirtschaft als Hauptschuldigen dafür, dass in der EU die Wälder und Felder inzwischen kaum noch effektiv Kohlenstoff einlagern, sondern sich von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle entwickeln.

Auf dieses Imageproblem reagiert der Bauernverband - wie sein offizieller "Klimareport" zeigt: Er enthält bunte Bilder, leicht verständliche Grafiken und Aussagen, die unabhängigen Experten die Haare zu Berge stehen lassen: "Die Landwirtschaft hat eine positive Bilanz im Klimaschutz", heißt es da etwa. Eine Tabelle betont die Bildung von Sauerstoff, die allerdings mit dem Klimawandel nichts zu tun hat. Allgemeiner Tenor: Die Land- und Forstwirtschaft leiste einen "spürbaren Beitrag zur Erreichung der gesetzten Klimaschutzziele".

Belegen soll das eine bunte Grafik, auf der die CO2-Bindung der deutschen Landwirtschaft die Emissionen deutlich übertrifft - um jährlich 35 Millionen Tonnen. Das Schaubild zeigt: In Pflanzen und Wurzeln, durch Holzeinschlag und die Produktion von Nahrungsmitteln bindet die Landwirtschaft mehr Klimagase als sie durch die Produktion und die Herstellung von Dünger ausstößt. Ein guter Grund für Gerd Sonnleitner, von der Politik "einen Ausgleich für die hohen gesellschaftlichen Anforderungen im Klimaschutz" zu fordern - also Subventionen für die angeblichen Klimaschützer vom Kartoffelfeld.

"Report ist irreführend"

Doch nicht alle teilen diese Einschätzung: "Dieser Report ist irreführend", sagt etwa Annette Freibauer vom Institut für Agrarrelevante Klimaforschung am Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig. Denn er betrachte "nur die Hälfte des Kohlenstoffzyklus", schließlich würden die Feldfrüchte, die das CO2 kurzfristig binden, geerntet und verarbeitet, damit wird das Treibhausgas wieder frei. Wenn der DBV die Landwirtschaft als "Staubsauger für Treibhausgase" bezeichne, müsse man sagen: "Dieser Staubsauger hat hinten eine Öffnung, wo er die Gase wieder entlässt." Der Report verkürze die Klimabilanz auf die CO2-Emissionen und verschweige die Wirkung von Methan und Stickstoff. "Deshalb ist die Aussage, die Land- und Forstwirtschaft habe eine positive Klimabilanz, eindeutig falsch", sagt Freibauer. "Das ist die Fehlinterpretation der richtigen Zahlen."

Alle Daten des DBV-Klimareports kommen vom Bundesministerium für Landwirtschaft oder vom Umweltbundesamt. "Die Zahlen sind auch korrekt", sagt Dietrich Schulz, Agrarexperte beim UBA, "aber sie werden falsch eingesetzt". Die zentrale Grafik des "Klimareports" vergleiche Äpfel mit Birnen: Holzeinschlag und die Produktion von Lebensmitteln seien eben keine Speicherung von Kohlenstoff, sondern Emissionsquellen oder CO2-neutral. Rechne man also korrekt, so Schulz, komme man wie die Agrarministerkonferenz im Herbst 2008 zu ganz anderen Ergebnissen: 79 Millionen Tonnen CO2 werden demnach im Wald gebunden, 157 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (vor allem Methan und Stickstoff) aus der Landwirtschaft emittiert, die Herstellung von Düngemitteln eingeschlossen.

Selbst wenn man die Zahlen - was international allerdings nicht üblich ist - gegeneinander stellt, bleibe also eine Quelle von 78 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten für Land- und Forstwirtschaft. Und selbst ohne die Düngemittelherstellung (die nach den Kyoto-Regeln der chemischen Industrie angelastet wird) seien es immer noch 33 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente an Emissionen. Und nicht eine Senkung von 35 Millionen, wie im "Klimareport" des Bauernverbandes behauptet.

Industrieländer sollen ihre Landwirtschaft umstellen

Der DBV will von den Manipulationsvorwürfen allerdings nichts wissen: Die Bauern ärgert vielmehr, dass die Früchte ihre Klimaschutzbemühungen von anderen geerntet werden. Nachwachsende Rohstoffe werden nicht der Klimabilanz der Bauern gutgeschrieben, sondern den jeweiligen Nutzern in den Sektoren Wärme, Strom und Verkehr. "Uns ist klar, dass auf internationaler Ebene die Leistungen der Landwirtschaft nicht dem landwirtschaftlichen Sektor angerechnet werden", sagt dazu Steffen Pingen, zuständig für Umweltpolitik beim DBV. "Neben der Frage, ob die Landwirtschaft 6,7 oder zehn Prozent der Treibhausgase ausstößt, wollen wir jedoch zeigen, dass die Landwirtschaft anders als andere Bereiche der Wirtschaft Kohlenstoff bindet und nicht nur Treibhausgase ausstößt." Immer wieder weisen die Landwirte auch darauf hin, dass ihr Sektor seit 1990 seine Treibhausgasemissionen um 22 Prozent gesenkt hat - was deutlich mehr ist als der deutsche Durchschnitt von 19 Prozent.

Hoffnung macht den Landwirten allerdings eine Studie aus den USA. Das World Watch Institute hat errechnet, dass die Landwirtschaft in der Lage sei, schnell und effektiv bis zu 25 Prozent der weltweiten Treibhausgase aus fossilen Energien einzusparen. Allerdings bräuchte es dafür neben einem Ende der Waldzerstörung in den Tropenländern auch eine Umstellung bei der Viehhaltung, der Düngung, den Anbaumethoden und der Landbearbeitung in den Industrieländern.

Das aber lehnt Gerd Sonnleitner ab: Gerade die Knappheit der Lebensmittel weltweit verpflichte die deutschen Bauern, die "beim Klimawandel mit einem blauen Augen davonkommen werden" zu einer "hochproduktiven, effizienten und nachhaltigen Produktion, die sich der Herausforderung der Märkte stellt", so der Bauernpräsident in Berlin. "Die Zeit der Stilllegungen und Extensivierung ist vorbei."

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