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Der Report, der Indien vom Ruch der Kinderarbeit freisprechen sollte, kam von einer der ersten Adressen der Welt: von Unicef, der Kinderrechtsorganisation der Uno, dem globalen Symbol für eine bessere Welt für Kinder. Man denkt da an freundliche Unicef-Botschafter, von David Beckham über Whoopi Goldberg bis zu den Berliner Philharmonikern.
"Status der Kinderarbeit in der Granitindustrie", heißt der Bericht. 29 Seiten ist er stark, er erschien im Mai 2018, ein weiterer Teil im Dezember 2017. Untersucht wurden vier indische Bundesstaaten, die im Ruf stehen, dass dort Kinder in der Steinindustrie schuften: Andhra Pradesh, Telengana, Tamil Nadu und Karnataka.
"Die Granitindustrie", halten beide Berichte fest, "ist komplett mechanisiert." Alle Prozesse seien derart gestaltet, dass es "keinen Raum für händische Arbeit gibt, vor allem nicht für Kinderarbeit".
Auch der Bergbau wird entlastet: "Die Tagebaue sind weit entfernt von den Dörfern", heißt es, "und es gibt kein Anzeichen für in den Minen beschäftigte Kinder." Allerdings gingen "einige Kinder über 13 nicht regelmäßig zur Schule".
Unicef selbst hat die Papiere nie veröffentlicht. Das übernahm die Industrie.
Lithos Marmor und Granit, ein Natursteingroßhändler im südhessischen Lampertheim, stellte beide Berichte zeitweise auf seine Website. Dazu verschickte er die Pressemitteilung: "Keine Kinderarbeit in Steinbrüchen in Indien bestätigen Unicef & NCPCR", inklusive Kommafehler. Deutsche Importeure, gab Lithos-Mitgeschäftsführer Marcel Kop Entwarnung, bezögen ihre Ware "hauptsächlich" aus den in den Reports genannten Regionen.
Dabei hatte noch 2017 eine niederländische Menschenrechtsorganisation verheerende Zustände in der indischen Granitindustrie angeprangert. Das India Committee of the Netherlands (ICN) - inzwischen umbenannt in Advocating Rights in South Asia (Arisa) - und andere beschrieben die lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in den Minen des Landes: Ausbeutung, Schuldknechtschaft, Kinderarbeit. Zwar sei Letztere seit mehr als zwei Jahrzehnten "deutlich" zurückgegangen. Die Feldforscher haben aber immer noch Minderjährige in 7 der 22 untersuchten Steinbrüche gefunden. Und nur ein Jahr später sollten diese Missstände verschwunden sein?