Öffentlich-rechtliches Duell Wie die ARD das ZDF angreifen will

ARD-Talkerin Maischberger: Konkurrenz zu Markus Lanz?
Foto:Monika Skolimowska / picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
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Christine Strobl ist seit Mai Programmdirektorin der ARD. Zu ihrem Amtsantritt kündigte sie im SPIEGEL an : »Ich habe den Intendantinnen und Intendanten klar gesagt: Wenn sie wollen, dass alles bleibt, wie es ist, bin ich die falsche Person.« In der vergangenen Woche legte sie nun ihren Plan vor.
Er besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: Zum einen will Strobl die Mediathek stärken. Die ARD soll digitaler werden und jüngere Zielgruppen, die ans Streaming gewöhnt sind, ansprechen. Zum anderen soll das Programmschema im Ersten umgebaut werden. So steht es in einem Papier, über das die Intendantinnen und Intendanten der ARD bei einer zweitägigen Sitzung vorige Woche in Mainz berieten. Es liegt dem SPIEGEL vor. Als Nächstes sollen sich die Fernsehdirektoren der Anstalten damit beschäftigen.
Öffentlich-rechtliches Duell

Christine Strobl: Mediathek stärken, Programmschema umbauen
Foto: Christian Charisius / picture alliance / dpaDer Programmumbau zielt in erster Linie auf das ZDF. Seit Jahren liegt das Erste bei den Einschaltquoten auf dem zweiten Platz. 2020 erreichte die ARD durchschnittlich einen Marktanteil von 11,3 Prozent, beim ZDF waren es 13,6 Prozent. Nun gäbe es gute Gründe, warum sich die öffentlich-rechtlichen Sender gegen die Privaten verbünden sollten. ProSieben und RTL versuchen derzeit, mit seriöserem Programm zu punkten, unter anderem, indem sie Personal von ARD und ZDF abwerben. Erstaunlicherweise scheint Strobls Strategie jedoch auch darin zu bestehen, Erfolgsformate des öffentlich-rechtlichen Partners zu kopieren.
Nach den »Tagesthemen« am Dienstag soll etwa ein neuer Talk etabliert werden, der »Markus Lanz« ähneln soll. Mehrere Studiogäste sollen in Einzelgesprächen befragt werden, im Verlauf der Sendung ergebe sich dann eine Diskussion in der Runde. »Die Nachfrage nach einem solchen Format gibt es, wie beim ZDF zu sehen ist«, heißt es in dem Papier. Ein Konzept hierfür soll der WDR unter Einbeziehung der Programmdirektion erarbeiten. Aus ARD-Kreisen heißt es, möglicherweise könnte auch Sandra Maischberger den Sendeplatz übernehmen, zusätzlich zu ihrer Sendung am Mittwoch.
Lacher gegen die »heute-Show«
Die zweite Attacke gilt der »heute-Show«. Künftig soll freitags um 21.45 Uhr auch in der ARD ein Comedyformat laufen, rund 45 Minuten vor Oliver Welkes Show im Zweiten. Die Sendung ist laut dem Papier ebenfalls als Wochenrückblick konzipiert – aber mit »regionalen Köpfen«. Der neue ARD-Unterhaltungskoordinator Frank Beckmann soll sich darum kümmern, geplant sind zunächst 20 Folgen.
Direkt im Anschluss, um 22.15 Uhr, würden dann die »Tagesthemen« laufen. Eine halbe Stunde später als bisher – und damit wieder zur gleichen Zeit wie an den anderen Werktagen. Dies stehe jedoch »ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass die Intendantinnen und Intendanten einen möglichen Konflikt mit dem ZDF zu führen bereit sind.« Freitags läuft dort nämlich das »heute-journal« um 22.00 Uhr, sodass sich die beiden Nachrichtensendungen überlappen würden.
Ein Late-Night-Format für Carolin Kebekus

Carolin Kebekus: Die Komikerin hat bisher eine Show in der Donnerstagnacht moderiert
Foto: - / picture alliance/dpa/WDRFür den Samstagabend ist ein neues Late-Night-Format mit Carolin Kebekus geplant. Die Komikerin hat bisher eine Show in der Donnerstagnacht moderiert. Laut ARD wäre es »das erste weibliche Late-Night-Format in Deutschland«. Was nicht stimmt, denn das moderierte bereits 2004 Anke Engelke auf Sat.1.
Veränderungen stehen auch bei der Sportschau an, die am Sonntag näher an die Tagesschau heranrücken soll, auf den Sendeplatz um 19.15 Uhr. Dort will die ARD unter anderem Ausschnitte aus Fußball-Zweitliga-Spielen zeigen, für die sie die Rechte bereits erworben hat. Umziehen muss dafür der Weltspiegel, der dann montags nach den Tagesthemen laufen soll. Dafür müsste »Die Story im Ersten« weichen.
Für den Donnerstag, nach dem »Tatort«-Sonntag der zweite Krimiabend im Ersten, sollen weniger neue Filme gedreht werden. Das freigewordene Geld will die ARD für die Mediathek ausgeben – und im Fernsehen dafür mehr Wiederholungen zeigen.
Mehr Programm, weniger politische Magazine
Insgesamt sollen die ARD-Anstalten auch mehr Programm für die Mediathek produzieren. Eine Aufforderung, die für alle Redaktionen gilt, insbesondere aber die politischen Magazine wie »Panorama« und »Monitor« trifft. Da die in der Mediathek nicht sonderlich nachgefragt sind, sollen deren Redaktionen in Zukunft weniger davon produzieren und »die frei gewordenen Kapazitäten für investigative filmische Formate nutzen«.
Sollten Frau Strobl, die ARD-Intendant:innen oder andere tatsächlich planen, die Zahl der Politikmagazine um 30% zu kürzen, wäre dies ein Angriff auf regelmäßige regierungskritische investigative Berichterstattung. Sähe so die ARD-Antwort auf die Info-Offensive der Privaten aus? https://t.co/RFCmYrSOIr
— Georg Restle (@georgrestle) June 29, 2021
Zuerst berichtete das Portal »Übermedien« darüber. In den Anstalten wird die Neuausrichtung kritisch gesehen. »Monitor«-Redaktionsleiter Georg Restle kritisierte den Plan auf dem Nachrichtendienst Twitter als »Angriff auf regelmäßige regierungskritische investigative Berichterstattung«.