GOLDMÜNZEN Wie Milch und Eier
Sein einschlägiger Witz blieb Bonns Finanzminister Hans Apel auch bei der Geburtstagsparty treu. »Wenn ich gewußt hätte, wie klein der ist«, kommentierte er das Geschenk seiner vier Staatssekretäre, »dann hätte ich den gar nicht erst besteuert.«
Die Ministergehilfen hatten dem Chef eine goldene Zehn-Rubel-Münze verehrt: Das unter dem Namen »Tscherwonez« von der Dresdner Bank feilgebotene Russen-Geldstück sollte den Dienstherrn an seinen neuesten Plan erinnern, künftig auch den bislang abgabefreien Handel mit Goldmünzen der Mehrwertsteuerpflicht zu unterwerfen*.
Seitdem nämlich die Großbank ihre Ostimporte anbot, sinnen Apels Beamte darüber nach, wie sie die Staatskasse an dem einträglichen Geschäft mit Goldgeld beteiligen können. Ohne die Folgen allzulange zu bedenken. verkündete Apeis Ministerium, der Staat werde künftig alle Münzen besteuern. »Goldmünzen«, dozierte Apel im parteieigenen Pressedienst, »sind nichts anderes als Brötchen, Milch und Eier.«
Fette Steuereinnahmen freilich werden die Goldstücke kaum liefern. Denn längst tüfteln findige Bankiers an Umwegen, die Apels Steuern vermeiden. Weil die Schweiz den Goldmünzenhandel nicht besteuert, wollen etliche Institute ihren Kunden anbieten, bei Mindestorder von 5000 Mark die gewünschten Stücke in der Schweiz zu kaufen und dort in Sammeldepots befreundeter Banken zu verwahren.
Der bequeme Steuerspartrick könnte, fürchten Steuerexperten und Bankiers, allzu leicht auch landestreue Bundesbürger auf die Steuervorteile der Schweiz hinweisen und sie verlocken, auch andere Geldgeschäfte über die Eidgenossenschaft laufen zu lassen. FDP-Wirtschaftssprecher Otto Graf Lambsdorff: »Die Bankiers in der
*Der Handel bleibt nur steuerfrei, wenn die Münze in ihrem Herkunftsland als Zahlungsmittel akzeptiert wird; alte Münzen hingegen werden schon bislang mit elf Prozent Mehrwertsteuer belastet.
Schweiz und Luxemburg reiben sich bereits die Hände.«
Bislang neben die Deutschen mit. Denn das Geschäft mit den Edelmünzen ist inzwischen auf fünf Milliarden Mark Jahresumsatz angewachsen. Bei dem Handel verdienen die Institute nicht schlecht: Handeisgewinne von sechs bis acht Prozent sind durchaus branchenüblich.
Daß ihre Spannen durchaus reichlich bemessen sind, bewies unlängst die Deutsche Bank. Um die beherrschende Stellung des von ihr gemeinsam mit der Bayerischen Landesbank exklusiv importierten südafrikanischen Goldtalers Krügerrand zu verteidigen, halbierten die Deutschbankiers ihre Händlerspanne sofort beim Auftauchen des Tscherwonez auf 2,6 Prozent.
Erst ein Einspruch der Bonner Finanzbeamten erlaubte ihnen die Rückkehr zu den liebgewonnenen Margen. Entgegen dem Vortrag der Dresdner Bank, der Tscherwonez sei in der Sowjet-Union Zahlungsmittel und deshalb in der Bundesrepublik steuerbegünstigt, strich Apels Ministerium das Steuerprivileg: Findige Experten hatten herausgefunden, daß in Rußland der Besitz von Goldmünzen strafbar ist.
Und als das zuständige Dresdner-Bank-Vorstandsmitglied Hans-Joachim Schreiber daraufhin den Handel mit seinem Russengeld einstellte, erhöhten die Deutschbankiers prompt wieder ihren Aufschlag für den Krügerrand.
Weder die durch seine Pläne angeheizte Hausse noch die Aussicht auf das Abwandern des Handels ins steuerfreie Ausland konnten Minister Apel und seine Helfer bislang irritieren. »Wir wollen nur«, gesteht Apels Steuerreferent Josef Berkenheide, »daß es gerecht zugeht.«
Und damit die Steuergerechtigkeit auch vollkommen sei, visierten die Finanzbeamten gleich noch ein weniger edles Ziel an. In der nächsten Woche will Minister Apel seinen Kollegen aus den Landesregierungen vorschlagen, auch den Silbermünzen-Handel mit Mehrwertsteuer zu belegen.