»Wir machen nur Premium«
SPIEGEL: Herr Panke, weiß man als BMW-Chef noch, was aktuell ein Liter Super bleifrei kostet?
Panke: Rund 1,20 Euro. Ich selbst habe zwar einen Dienstwagen. Aber auch meine Frau und meine Tochter fahren Auto - BMW und Mini. Ich bin also noch nicht so weit vom wirklichen Leben entfernt. Zur Bewertung der heutigen Preise dürfen Sie nicht vergessen: In den siebziger Jahren war Öl - gemessen an der Kaufkraft - um rund ein Viertel teurer als jetzt. Auch wenn das für die Autofahrer heute kein Trost ist.
SPIEGEL: Sie sehen die Öl- und Spritpreise eher als psychologisches Problem?
Panke: Natürlich sind die Preise in den vergangenen Monaten spürbar gestiegen. Aber sie sind in der Tat auch ein psychologisches Problem. Außer übers Wetter und die Leistung der Fußball-Nationalmannschaft jammern wir Deutschen über nichts so gern wie über hohe Spritpreise. Die Debatte allein verstärkt dann wiederum die ohnehin grassierende Konsumzurückhaltung.
SPIEGEL: Bei einem Gipfeltreffen in Berlin weinte sich Ihre Branche gerade beim Kanzler aus. Während die hiesige Autoindustrie im Mai 18 Prozent weniger Bestellungen verbuchte als im Vorjahresmonat, verkaufte Ihr Konzern 8 Prozent mehr Autos. Interessieren sich BMW-Fahrer nicht für Benzinpreise?
Panke: Unsere Kunden bedauern die hohen Preise wahrscheinlich genauso wie die Kunden anderer Marken. Aber deshalb verschieben sie noch keinen geplanten Kauf.
SPIEGEL: Politiker aller Parteien fordern bereits ein generelles Tempolimit von 130
Stundenkilometern. Der richtige Weg?
Panke: Wir haben keine Krise, sondern nur hohe Preise. Ich halte gar nichts davon, die Menschen erziehen zu wollen. Was käme als Nächstes? Will man uns denn vorschreiben, wie viele Semmeln wir zum Frühstück kaufen dürfen?
SPIEGEL: Brötchen sind ja auch nicht knapp.
Panke: Öl ist es genauso wenig. Es ist nur teurer geworden. Und darauf haben die Autofahrer längst reagiert: Der Spritverbrauch pro Einwohner ging bereits deutlich zurück - der Marktmechanismus funktioniert also. Und was soll ein Tempolimit bringen? In Deutschland gibt es schon heute auf derart vielen Autobahnstrecken eine Geschwindigkeitsbegrenzung.
SPIEGEL: Dann brauchte man auch keine Autos, die 250 oder schneller fahren.
Panke: Falsch. Die deutsche Autoindustrie »erfährt« sich ihre Innovationen und damit ihren technischen Vorsprung quasi auf hiesigen Autobahnen - das gilt vor allem für die Fahrsicherheit. Denn wer Gas gibt, muss auch bremsen können.
SPIEGEL: Als Ölpreistreiber gilt unter anderem China, dessen Energiehunger weiter steigt: Ist es wünschenswert, dass jeder Chinese künftig Auto fährt?
Panke: Langsam, langsam! Im Rest der Welt kommen auf 1000 Menschen 133 Fahrzeuge. In China sind es noch nicht mal 7. Dieses riesige Land wird also noch viele, viele Jahre benötigen, um überhaupt Weltniveau zu erreichen. Dieses Potenzial wollen wir mit ausschöpfen. Übrigens ist China auch weit offener für alternative Energien wie etwa Wasserstoff als Europa oder die USA.
SPIEGEL: Sie setzen auf Wasserstoff?
Panke: Ja, und wir werden noch während der Laufzeit unserer aktuellen Siebener-Reihe ein Modell mit Wasserstoffantrieb anbieten. Die Grenzen des Wachstums sind noch lange nicht erreicht ...
SPIEGEL: ... zeichnen sich aber überall ab, auch bei der Komplexität heutiger Fahrzeuge, ihrer Leistungsfähigkeit und dem ewigen Schneller-Stärker-Größer vergangener Jahre. Geländewagen zum Beispiel sind auch für Ihren Konzern zurzeit das am schnellsten wachsende Segment. Fahren Ihre sprithungrigen Offroader X3 und X5 nun dem Zeitgeist hinterher?
Panke: Beurteilen Sie einen Autokauf nicht ausschließlich rational. Auch Cabrios werden nicht nur von Menschen in sonnenverwöhnten Regionen gekauft. Ein Autokauf ist immer auch eine Sache von Emotionen. Das ist mit den Geländewagen nicht anders, die den Kunden das Gefühl vermitteln, damit auch mal durch ein Flussbett fahren zu können, selbst wenn sie ihn nur für den Trip zum Supermarkt brauchen.
SPIEGEL: Sie verkaufen also eher das Gefühl Ich-könnte-wenn-ich-wollte ...
Panke: ... und dazu die Sicherheit des Ichhab''s-auch-wenn-ich''s-brauche. Damit meine ich: Sicherheit, Stabilität, Bremsverhalten und vieles mehr.
SPIEGEL: Die Zeiten, als für Ihre Branche schiere Größe als Ziel galt, sind vorbei: Die Welt AG Ihres Konkurrenten DaimlerChrysler bröckelt. BMW hat nach Milliardenverlusten sein Rover-Abenteuer beendet. Sucht man wieder Nischen?
Panke: Größe wird von vielen noch immer nach Stückzahlen bemessen. Die Frage ist, worauf es letztlich wirklich ankommt. Für mich gehören zum Erfolg auch andere Faktoren wie Rendite, Image, Innovationen und ein guter Ruf als Arbeitgeber. Bei vielen dieser Faktoren stehen wir bereits auf dem ersten Platz.
SPIEGEL: Bei Ihrem großen Konkurrenten DaimlerChrysler heißt es, selbst Mercedes-Benz sei auf Dauer zu klein, um allein überleben zu können, weil man nur im Verbund günstige Teile bekommt - von der Radmutter bis zum Scheibenwischer. Im Umkehrschluss sähe die BMW-Zukunft düster aus.
Panke: Die Rohkarosserie eines Autos kostet heute weniger als die Elektronik. Es geht nicht mehr darum, möglichst viele Kleinteile in großer Stückzahl und damit billig einzukaufen. Und BMW ist groß genug, um die Entwicklung neuer Technologien - die teuersten sind dabei sicher Motoren - zu finanzieren. Wenn wir dann beispielsweise denselben Sechs-Zylinder-Motor in allen Baureihen einsetzen, sind wir hoch effizient.
SPIEGEL: Mercedes kann seine Motoren zudem noch an Chrysler weiterreichen.
Panke: Sie haben zwei Möglichkeiten. Sie können einen Motor für die Premium-Marke konstruieren, der zum Beispiel besonders
hohe Drehfreude bietet. Das macht den Antrieb teuer. Wenn Sie den dann in die Modelle der Massenmarke einbauen, zahlt Ihnen das kein Kunde. In diesem Segment zählt nur größter Innenraum zum niedrigsten Preis. Wenn Sie stattdessen einen Motor vor allem kostengünstig haben wollen, bekommt die Topmarke Probleme.
SPIEGEL: Also kann die Strategie der Welt AG gar nicht aufgehen?
Panke: Wir sind durch die Erfahrungen mit Rover jedenfalls für uns zu dem Schluss gekommen: Man sollte sich auf eines konzentrieren. Wir machen nur Premium - mit BMW, Mini und Rolls-Royce ...
SPIEGEL: ... Etikettenschwindel inklusive. Unter der Mini-Motorhaube brummen Motoren von Toyota und in Zukunft auch Peugeot. Ihren Kunden macht das nichts aus?
Panke: Einspruch! Als wir anfingen, den Mini zu entwickeln, hofften wir, der Wagen würde sich rund 100 000-mal verkaufen. Der Aufwand, dafür einen eigenen Motor zu entwickeln, wäre zu groß gewesen. Wir konnten nicht ahnen, dass wir allein im vergangenen Jahr rund 180 000 Autos verkaufen würden. Also gingen wir Kooperationen ein. Der Mini-Kunde erwartet übrigens auch keinen BMW-Motor unter der Haube.
SPIEGEL: Bis 2008 wollen Sie den gesamten Absatz um 30 Prozent auf 1,4 Millionen Autos pro Jahr erhöhen. Auch Sie lassen sich also von Stückzahlen treiben.
Panke: Diese Zahl ist kein Zielwert, sondern nur die logische Konsequenz unserer dauernd wachsenden Modell-Palette ...
SPIEGEL: ... die Sie allein dieses Jahr um sechs neue Typen erhöhen: vom Einser bis zum Sechser. Haben Sie keine Angst, sich zu verzetteln?
Panke: Wir müssen darauf reagieren, dass sich auch die Geschmäcker der Leute immer weiter auffächern. Wir bauen nicht mehr einen BMW, sondern Ihren. Früher reichten uns eine Marke und drei Baureihen. Heute haben wir drei Marken und zehn Baureihen ...
SPIEGEL: Wird es aus Ihrem Haus auch einen familientauglichen Van geben?
Panke: Kommt darauf an, wie Sie »Van« definieren.
SPIEGEL: Zurzeit ähneln fast alle Bierkästen auf Rädern.
Panke: Eben. Genau das wollen wir nicht. Aber wir sind am Thema dran - unter dem Arbeitstitel »raumfunktionales Konzept«.
SPIEGEL: Klingt nicht sehr prickelnd.
Panke: Wenn wir ein solches Auto bauen, darf es nicht wie ein Kleinlaster daherkommen, sondern muss als BMW erkennbar sein. Die Nachfrage ist jedenfalls da. Das wissen wir mittlerweile.
SPIEGEL: Masse soll künftig vor allem Ihr Einser bringen, der im Herbst auf den Markt kommt. Der könnte nicht nur Kunden von VW, Ford oder Opel anziehen, sondern auch die eigene Dreier-Kundschaft weglocken, oder?
Panke: Sie sprachen vorhin von Grenzen des Wachstums: Der Dreier ist heute so groß wie die erste Fünfer-Generation. Seit Jahrzehnten wachsen bei allen Herstellern die Modelle, was Größe, Leistung und Ausstattung angeht. So wuchsen wir allmählich aus dem unteren, dem Kompaktsegment, heraus, das wir nun wieder füllen wollen und müssen.
SPIEGEL: Der Einser wird mit rund 20 000 Euro mehr kosten als Golf oder Audi A3. Ist das in Geiz-ist-geil-Zeiten die wahre Kunst? Das Selbstbewusstsein zu sagen: Wir können nicht billig, wir wollen nur teuer?
Panke: Die Emotionen, die wir verkaufen, müssen immer wieder mit Qualität belegt werden. Die Leute haben ja auch im Weihnachtsgeschäft nicht die billigste Unterhaltungselektronik gekauft. Die wollten nur das Gefühl haben, am Ende nicht zu viel ausgegeben zu haben.
SPIEGEL: Gerade die Qualität stößt offenkundig auch an Grenzen: Wenn es um Rückrufaktionen oder Pannenstatistiken geht, schneiden deutsche Autokonzerne meist lausig ab. Sind die Fahrzeuge einfach zu komplex geworden?
Panke: Ich gebe zu: Wir stehen jedenfalls alle nicht dort, wo wir sein sollten. Natürlich haben wir in unseren Autos mehr neue Ideen als andere. Aber auch wir bei BMW
haben bei Software-Komponenten noch nicht die gleiche Stabilität wie bei mechanischen Teilen. Das ist eines unserer Schwerpunktthemen für die nächsten Jahre. Wenn Ihr PC zu Hause ein Problem hat, machen Sie einfach einen Neustart. Bei Ihrem Wagen geht das nicht. Der steht dann eben. Und das darf nicht passieren.
SPIEGEL: Mercedes will die Elektronik angeblich sogar reduzieren.
Panke: Dazu kann ich nichts sagen. Unser Ziel kann es jedenfalls nicht sein, auf Neues zu verzichten. Das verträgt sich nicht mit unserem Anspruch als Innovationsführer. Nicht weniger, sondern besser - das ist meine Devise.
SPIEGEL: Ist nicht auch bei der Motorleistung ein Limit erreicht? Bei 250 Stundenkilometern wird heute meist zu Recht ab-
geregelt. Und wo kann man selbst solche Geschwindigkeiten noch ausfahren?
Panke: Uns allen hier würde auch eine Armbanduhr für 25 Euro reichen, um zu wissen, wie spät es ist. Dennoch wird es immer Leute geben, die für eine gute Uhr gern ein paar tausend Euro ausgeben. Andere werden sich eben immer ein paar PS mehr wünschen - und die auch gern bezahlen.
SPIEGEL: VW entwickelt einen Bugatti mit mehr als 1000 PS. Ist das noch Innovation oder schon Wahnsinn?
Panke: Das müssen Sie VW fragen. Wir würden so einen Supersportwagen nicht bauen.
SPIEGEL: Sie fahren dafür in der Formel 1 hinterher.
Panke: Natürlich sind wir dort mit größeren Erwartungen gestartet. Natürlich wollen wir vorn stehen. Auf Dauer ist es nicht akzeptabel, einfach so mitzufahren. Aber wenn man das Formel-1-Geschäft planen könnte, wäre es langweilig. Motorsport wird jedenfalls immer zu uns gehören ...
SPIEGEL: ... wie Rolls-Royce? Gerade trennten Sie sich von dem dortigen Top-Manager Tony Gott. Wegen Erfolglosigkeit?
Panke: Er hatte andere Pläne. Im vergangenen Jahr verkauften wir vom Rolls-Royce Phantom immerhin rund 300 Stück. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind es bereits 270.
SPIEGEL: Sie wollen aber 1000 pro Jahr absetzen ...
Panke: ... und dazu stehe ich weiterhin. Wir haben ja gerade erst angefangen.
SPIEGEL: Ihr Unternehmen wird von Analysten und Anlegern geliebt. »Business Week« kürte Sie gerade zum besten Industrie-Manager Europas. An der Börse ist BMW doppelt so viel wert wie VW. Kann es einem Konzern auch zu gut gehen?
Panke: Wir waren immer hungrig und bewegten uns deshalb schneller als andere. Bei uns sind sehr viele bereit, 120 Prozent zu leisten. Das ist Teil unserer Kultur. Das merken Sie dann auch an unseren Mitarbeitern: Die einen akzeptieren das Tempo und bleiben dem Unternehmen lange treu. Die anderen gehen nach wenigen Jahren.
SPIEGEL: Sie selbst sind jetzt 57. Ihre eigene Grenze als Vorstandschef wäre der 60. Geburtstag. Dann müssen BMW-Vorstände ausscheiden. Würden Sie weitermachen?
Panke: Unsere internen Regeln sind klar: Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter der obersten Management-Ebene scheiden in dem Jahr nach dem 60. Geburtstag aus. Und es kann ja auch außerhalb des beruflichen Lebens noch weitere interessante Abschnitte geben.
SPIEGEL: Herr Panke, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Helmut Panke
studierte Physik und war am Schweizerischen Institut für Nuklearforschung tätig, bevor er 1978 in die Wirtschaft wechselte - zunächst zur Unternehmensberatung McKinsey. Vier Jahre später stieg er bei BMW ein, deren Konzernplanung er 1990 übernahm. Danach ging er als Chef der US-Tochtergesellschaft nach Spartanburg in South Carolina, wo er ein neues Werk aufbaute, in dem seither Cabrios und Geländewagen gebaut werden. 1996 wechselte Panke in den BMW-Vorstand - erst für Personal zuständig, dann als Finanzchef und rechte Hand von Vorstandsboss Joachim Milberg. Seit Dezember 2001 steht Panke, 57, selbst an der Spitze.
* Mit Thomas Tuma, Stefan Aust und Dietmar Hawranek in PankesMünchner Büro.