»Wir sind nicht Tante Emmas Totengräber«
SPIEGEL: Herr Klöser, Kaufhäuser und Selbstbedienungsläden, Versandhäuser und Verbrauchermärkte kämpfen derzeit erbittert um die Gunst der Kunden. In diesem Verdrängungswettbewerb müssen Jahr für Jahr rund 10 000 kleine Einzelhändler aufgeben. Haben Sie und Ihre Kollegen ein schlechtes Gewissen?
KLÖSER: Im Handel wird wie in keiner andern Branche Marktwirtschaft praktiziert. Nur die Besten, die niedrige Preise und hohe Qualität bieten können, werden diesen Kampf bestehen. Wenn die Nachfrage stagniert sei es wegen der Dauerflaute oder aus strukturellen Gründen wie dem Rückgang der Bevölkerungszahl -, dann können Marktanteile nur auf Kosten der Konkurrenz gewonnen werden. Das hat mit schlechtem Gewissen nichts zu tun.
SPIEGEL: Seit Jahren schon wächst die Kundschaft längst nicht so schnell wie die Ladenfläche. Dennoch ziehen Massa, Allkauf, Wertkauf. Plaza und jetzt auch Ihre Firma immer neue Verbrauchermärkte hoch. Handelsforscher ermittelten reichliche Überkapazitäten im Handel. Wann werden Sie auf der Strecke bleiben?
KLÖSER: Aus jeder der von Ihnen genannten Gruppen werden Händler auf der Strecke bleiben, mit Ausnahme der Warenhäuser, die genauso wie die Verbrauchermärkte expandieren. Wir sind nicht die Totengräber von »Tante Emma«. Die angeblichen Tante-Emma-Lobbyisten wollen doch selbst keine verkrusteten und überholten Strukturen erhalten, ihnen geht es um die Verhinderung von verbraucherfreundlichen, weil preiswerten Verbrauchermärkten. Dort kauft man für eine Mark eben mehr -- mehr als bei etlichen etablierten Warenhäusern der Innenstädte. Unsere Freunde sind die Verbraucher.
SPIEGEL: Die Methoden, mit denen Sie und Ihre Kollegen Ihre Lieferanten schröpfen, sind häufig nicht nach feiner Kaufmannsart. Rabatte, Skonti, Verlängerung der Zahlungsziele, Regalmieten oder Eintrittsgelder von Lieferanten bei Neueröffnungen sind nur einige Beispiele, wie Sie Ihre Nachfragemacht nutzen ...
KLÖSER: ... mir kommen die Tränen. Als ob ausgerechnet wir die Industrie in den Ruin trieben. Die Einkäufer der großen Warenhaus-Konzerne verfügen über weit größere Volumina. Lieferanten. die unsere Konditionen erfüllen, verdienen immer noch genug zum Leben --
SPIEGEL: ... zuwenig zum Leben, aber zuviel zum Sterben?
KLÖSER: Wenn Sie die veröffentlichten Bilanzen der letzten Jahre genau lesen, dann sehen Sie, daß Umsatzrenditen der Konsumgüter-Industrie im Schnitt weit über denen des Handels von knapp einem Prozent liegen. Wir wollen die Industrie doch nicht wie eine Zitrone auspressen, irgendwo müssen doch auch wir unsere Ware einkaufen. Wir züchten uns keine Monopolisten heran, davon gibt es ohnehin genug.
SPIEGEL: Welcher Massenanbieter beispielsweise drückt Ihnen brutal seine Bedingungen auf?
KLÖSER: Ich werde mich hüten, Namen zu nennen. Das könnte Konsequenzen wie die Nichtbelieferung bei Neueröffnung auslösen. Wann immer eine Firma eine Monopolstellung besitzt, versucht sie, uns die Preise zu diktieren. Nur bei neuen Produkten, die in den Markt geschleust werden sollen, sind auch Monopolisten zu erheblichen Konzessionen bereit.
SPIEGEL: Das Berliner Kartellamt nimmt das von Ihnen gering geschätzte Problem der Nachfragemacht im Handel sehr viel ernster.
KLÖSER: Wir treiben keine Unzucht mit Abhängigen. Wer mit uns kein Geschäft machen will, der weiß auch warum. Sehen Sie doch auch einmal die andere Seite der Medaille. Einige Markenartikelfirmen nutzen ihre Macht weidlich aus und versperren uns den Zugang zu vielen ihrer Artikel -- zum Wohle des Facheinzelhandels und der Warenhäuser. die das hohe Preisgefüge garantieren.
SPIEGEL: Haben Sie als Chef des neueröffneten Stüssgen-Carrefour-Marktes in Mainz von Lieferanten wettbewerbswidrige Eintrittsgelder kassiert?
KLÖSER: Nein. Unsere Lieferanten werden Ihnen bestätigen, daß wir nur die üblichen Konditionen des Marktes ausgeschöpft haben. Zu einem Vertrag gehören nämlich immer zwei.
SPIEGEL: Also kassierten Sie doch?
KLÖSER: Für jeden Hersteller ist die Aufnahme in das Sortiment eines SB-Warenhauses wertvoll. Deshalb möchte jeder Hersteller bei uns mit seiner Produktion vertreten sein. Entsprechend sind die Vereinbarungen. entsprechend kann sich der Verbraucher freuen.