WOHNUNGSBAU Wird kahlgefressen
Kurt Biedenkopf, einer der Wirtschaftspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, befürwortet den Subventions-Kahlschlag. Lothar Späth, CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, möchte die Steuervergünstigungen für den Wohnungsbau aufstocken. Für Gunter Huonker, den Steuerexperten der SPD-Fraktion, ist klar, »daß man das so nicht weiterlaufen lassen kann«.
In Bonns Parlament wächst die Unzufriedenheit über die bisherige Art staatlicher Wohnungsbauförderung. Milliarden fließen nach Ansicht der Kritiker in die falschen Taschen, und die angestrebten Ziele der bundesdeutschen Wohnungspolitiker werden nicht erreicht.
Abhilfe scheint nun auch den Politikern um so dringlicher, als der Subventionsberg von Jahr zu Jahr wächst. Steuervergünstigungen und Modernisierungsprogramme, sozialer Wohnungsbau und Wohngeld kosten Bund und Länder in diesem Jahr weit über 15 Milliarden Mark -- zahlreiche versteckte Wohltaten, vor allem in den Gemeinden, noch nicht einmal mitgerechnet.
Doch trotz des gewaltigen Aufwandes sind Wohnungen in Ballungsgebieten knapp und teuer, ist Wohneigentum in Großstädten von Normalverdienern kaum noch zu finanzieren, reicht das Angebot für Problemgruppen wie etwa kinderreiche Familien nicht aus. Und trotz des Milliarden-Einsatzes veröden die Städte weiter, funktioniert die Stadtsanierung nur dort, wo attraktive Altbauten stehen und in weitem Umkreis kein Türke wohnt.
Schockiert waren vor allem die Sozialdemokraten von einem Bericht Finanzminister Hans Matthöfers über die Steuervergünstigungen nach Paragraph 7 b des Einkommensteuergesetzes. Danach entgehen dem Fiskus allein durch die beschleunigte Abschreibung von Wohngebäuden in diesem Jahr knapp vier Milliarden Mark. In den nächsten Jahren, so rechnete Matthöfer den Abgeordneten und seinem Kollegen im Wohnungsbauressort, Dieter Haack, weiter vor, werde der Steuerverlust auf weit über fünf Milliarden Mark steigen.
Da Matthöfers Beamte den derzeitigen 7-b-Bestand schlicht hochgerechnet haben und nicht berücksichtigten, daß immer mehr Deutsche den lockenden Paragraphen auch für Zweit-Immobilien in Anspruch nehmen, gelten diese Zahlen als unterste Grenze. Ulrich Pfeiffer, Abteilungsleiter im Wohnungsressort: »Das ist ein Fahrstuhl, von dem keiner weiß, wie schnell er fährt.«
Mit der Steuervergünstigung, die 1949 eingeführt wurde, sollten die Deutschen damals ermutigt werden, in ihren zerbombten Städten neue Wohnungen zu bauen. Ein allgemeiner Wohnungsmangel allerdings existiert seit Jahren nicht mehr. Neuen Zielen der Wohnungspolitiker, etwa Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und in Problemgebieten zu schaffen, wirkt das alte Steuergeschenk aber eher entgegen.
Irritiert stellte Sozialdemokrat Huonker fest, daß der Paragraph 7 b einem Spitzenverdiener runde 33 600 Mark Steuerersparnis bringt, während der durchschnittlich verdienende Facharbeiter im besten Falle nur 13 300 Mark Steuern spart, wenn er sich Wohneigentum anschafft.
Die Experten in Haacks Wohnungsbauministerium wollten es auch genau wissen und rechneten nach: Ein Bauherr, der 100 000 Mark im Jahr verdient und sieh für 400 000 Mark ein Eigenheim zulegt, kann auf Steuervorteile -- Grunderwerbsteuerbefreiung, Grundsteuervergünstigung und 7-b-Effekt -- von insgesamt 32 000 Mark zählen. Wer sich, bei einem Jahreseinkommen von 45 000 Mark, ein bescheideneres Heim für 250 000 Mark baut, kann nur gut die Hälfte verbuchen, rund 17 000 Mark.
So bleiben die gesparten Steuermilliarden vor allem bei denen, die viel verdienen. Das kinderreiche Ehepaar dagegen, das sich ein großes Haus gar nicht leisten kann, es aber am ehesten benötigte, hat vom Häuslebauer-Paragraphen gar nichts.
Die Milliarden fließen, so bemängelt inzwischen auch Wohnungsbauminister Haack, nicht nur in falsche Taschen, sondern auch an die falschen Orte. Wohnungsmangel herrscht in Ballungsgebieten. Doch während in Großstädten (über 100 000 Einwohner) nur jeder tausendste ein Ein- und Zweifamilienhaus baut, sind in Gemeinden unter 2000 Einwohnern etwa viermal soviel dabei. Vorsichtig schätzen Haacks Experten, daß die 7-b-Subvention in Kleinstädten mindestens doppelt so viele Mittel beansprucht wie in Großstädten.
Wird der 7 b nicht geändert, so befürchten Wohnungspolitiker, dann müssen die dadurch entstehenden Ungerechtigkeiten mit um so größerem Einsatz bei anderen Förderarten ausgeglichen werden.
Nur wäre das kaum zu bezahlen. Denn schon heute verbraucht die Haus-Subvention fast soviel wie die gesamte Förderung des sozialen Wohnungsbaus -- mit steigender Tendenz. Für die Modernisierungsprogramme des Bundes und der Länder gar wird nur ein Drittel dessen aufgewendet, was der Steuervorteil für Bauherren kostet. Spätestens seit Matthöfers Bericht ahnen auch staatliche Wohnungspolitiker, daß hier »ein Subventionsfeld von jemandem kahlgefressen wird, den wir gar nicht fördern wollen« (Pfeiffer).
Von den Zahlen aus dem Finanzressort aufgeschreckt, listeten Haacks Beamte in diesen Tagen die Mängel des derzeitigen Fördersystems auf. Sie fanden die Befürchtungen der Förderungskritiker bestätigt.
So zeigt sich, daß
* der 7 b vornehmlich jenen hilft, die schon Wohneigentum besitzen oder die sich ein eigenes Haus auch ohne Staatshilfe leisten könnten. Der eigentliche Zweck, Mietern den Übergang zu Wohneigentum zu erleichtern, wird nur selten erfüllt;
* für die Stadterneuerung nur vergleichsweise kleine Beträge bleiben -- in diesem Jahr rund 1,5 Milliarden Mark, und die fließen auch noch in Häuser, die ohnehin saniert würden;
* Problemgruppen, vor allem kinderreiche Familien in Stadtgebieten, von den öffentlichen Milliarden so gut wie nichts haben.
Fazit eines Haack-Mitarbeiters: »Das Subventionssystem entspricht nicht mehr dem, was sich alle Parteien als Ziel vorgegeben haben.«
Die Sozialdemokraten im Bundestag sind fest entschlossen, zumindest den Milliarden-Segen des 7 b gerechter zu verteilen. Gunter Huonker, Vorsitzender einer neugegründeten Fraktions-Arbeitsgruppe »Staatliche Förderung von Wohneigentum«, weiß auch schon wie: Er will beim, 7 b »die Dynamik kappen«.
Das hieße: Der Bauherr soll, über mehrere Jahre verteilt, einen festen Betrag von seiner Steuerschuld abziehen dürfen. Ein Teil dessen, was so eingespart würde, möchte Huonker als Familienprämien -- zum Beispiel als Kinderzuschläge -- wieder verteilen.
Darüber jedoch werden Huonker und Genossen nicht allein entscheiden können. Die Freidemokraten teilen zwar die Kritik an der 7-b-Förderung. schrecken aber noch vor Eingriffen zurück.
Aus gutem Grund: Jede Einschränkung würde vornehmlich besser situierte Bauherren und Familien mit Zweitwohnungen treffen -- eine Gruppe. von der die Freidemokraten immer' noch meinen, daß sie am ehesten FDP wählt. Da entstünde dann, fürchtei FDP-Wohnungsbauexperte Hans Gattermann »das typische Mittelstandsloch«. Gattermann bestimmt: »Wir sind uns einig, daß in dieser Legislaturperiode nichts mehr passiert.«
Der große Koalitionspartner jedoch rechnet damit, daß die Freidemokraten ihre Meinung noch einmal überdenken. Denn schon liegt ein Gesetzentwurf des CDU-Ministerpräsidenten Späth im Bundestag vor, der die Förderung nach 7 h noch erweitern soll -- ein Plan, den auch die FDP-Fraktion entschieden ablehnt.
Kommt dieser CDU-Vorstoß in den Bundestag, so Huonkers Kalkül, dann könnte sich die Koalition gar nicht mehr vor einer eigenen Entscheidung drücken. Huonker: »Dann müssen wir selbst ein neues Gesetz machen. Noch in dieser Legislaturperiode.«