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HAUSHALT Wird schwierig

Randvolle Steuerkassen machen es Finanzminister Helmut Schmidt schwer, bei der Vorbereitung des Bundesetats 1974 die Geldforderungen seiner Kabinetts-Kollegen zu dämpfen.
aus DER SPIEGEL 34/1973

Für den Disput mit den Kollegen wähnt der Finanzminister sich gut gerüstet.

Jedesmal wenn Helmut Schmidt bei den Gesprächen über den Bundeshaushalt 1974, die in dieser Woche beginnen, mit einem anderen Kabinettsmitglied über Kreuz gerät, kann er ein Schreiben von allerhöchster Hand hervorziehen. Denn Kanzler Brandt versicherte seinem Kassenwart schriftlich, daß er sich beim Verteilungskampf um den nächsten Etat auf die uneingeschränkte Unterstützung des Regierungschefs verlassen könne.

Die Kanzler-Vollmacht, von Schmidt im Palais Schaumburg angefordert, soll dem Nebenkanzler helfen, die Ausgabenwünsche der Ressorts schon bei den Vorbereitungen des nächsten Bundesetats zu stutzen. Denn erstmals seit dem Einzug ins Finanz-Haus an Bonns Rheindorfer Straße muß sich der starke Mann des Brandt-Kabinetts auf harte Haushaltsgefechte gefaßt machen -- will er das angepeilte Ausgabenplus von 10,5 Prozent nicht überschreiten. Schmidt ahnt: »Das wird schwierig.«

Haushaltskonflikte, an denen seine Vorgänger Möller und Schiller gescheitert waren, hat Schmidt bislang immer gemeistert. Düstere Prognosen über den Wahlausgang halfen ihm beim Haushalt 1972, finstere Teuerungs-Voraussagen nutzte er beim diesjährigen Etat, um seine Kollegen zu finanzieller Enthaltsamkeit zu bewegen.

Doch bei den Debatten über den nächsten Haushalt, der Anfang September vors Kabinett soll, ist der Finanzminister um Argumente verlegen. Bonns Kassen sind nach Rekord-Einnahmen der Finanzämter im Boom-Jahr 1973 randvoll, der für 1974 prognostizierte Konjunktur-Abschwung könnte höhere Staatsausgaben auch gesamtwirtschaftlich unbedenklich machen. Ein Schmidt-Staatssekretär erkannte: »Das ganze Geld macht alle sehr begehrlich.« Macht-Kalkül macht zudem Brandts Minister-Runde geldscharf: Wer für 1974 nicht genug Etat-Millionen hat, um seine Reformprojekte einzuleiten, kann sich bis zum Ende dieser Legislaturperiode kaum noch zum erfolgreichen Neuerer stilisieren -- und muß dann um seine Wiederverwendung im Kabinett fürchten.

Zwei Ressort-Herren, die im vergangenen Dezember besonders heftig um ihre Amtswürde bangen mußten, reihten sich unter den Geldbittstellern denn auch ganz vorne ein: Forschungsminister Horst Ehmke und Bildungsminister Klaus von Dohnanyi.

Allzugern möchte sich der flinke Ehmke bei der linken Parteibasis durch progressive Forschungsprojekte profilieren -- etwa durch die Entwicklung neuer Nahverkehrssysteme oder durch die Förderung umweltfreundlicher Industrieverfahren und -produkte.

Als ihm der Finanzminister im Haushalt dieses Jahres für sein ehrgeiziges Programm nicht die erwünschten Mittel zubilligte, drohte Ehmke mit schlimmen Konsequenzen: Wenn er beim nächsten Etat nicht besser zum Zuge käme, verkündete der ehemalige Kanzler-Favorit, dann müsse er zur Finanzierung seines »neuen Förderungsprogramms« 300 Stellen in der Kernforschung einsparen. Verdruß droht der sozialliberalen Koalition auch, wenn sich Klaus von Dohnanyi nicht durchboxt und auf zusätzliche mindestens 400 Millionen Mark für Studenten-Stipendien verzichten muß: Die Hochschulreform, ein Kernstück von Brandts Erneuerungsprogramm, wäre, so Dohnanyi, dann gefährdet: »Man kann keine Hochschulpolitik mit Regelstudienzeiten und Studienjahr einführen, wenn man keine ausreichende Studienförderung hat.« Anlegen will sich Schmidt freilich nicht nur mit den Kabinetts-Leichtgewichten der eigenen Partei, sondern auch mit gestandenen Bonner Polit-Potenzen vom Koalitionspartner.

Innenminister Hans-Dietrich Genscher etwa weiß noch nicht, ob er auch all das bauen kann, was er für 1974 plant: ein Umweltschutz-Bundesamt, ein neues Kriminal-Amt und einen Erweiterungsbau für das Statistische Bundesamt.

Sozialminister Walter Arendt muß um 750 Millionen Mark kämpfen, die den Kriegsopfern zugute kommen sollen. Ihre Renten wurden im vergangenen Jahr nicht aufgebessert und müßten nun gestiegenem Lebensstandard und Preisen angepaßt werden.

Bauernminister Josef Ertl, von der SPD in der ersten sozialliberalen Koalition als Bindemittel der Rechten in der FDP-Fraktion gehätschelt, findet bei Schmidt kein Verständnis mehr für weiter ungehemmte Landwirtschaftssubventionen. »Bruder Josef« (Schmidt) möchte Agrar-Zuschüsse und Steuererleichterungen von 1,7 Milliarden Mark, die den Bauern als Ausgleich für die 1969er Mark-Aufwertung bis Ende 1973 jährlich gewährt werden, dem Landvolk zumindest teilweise auch weiterhin erhalten.

Doch der Finanzminister, ohnedies schon durch Vier-Milliarden-Mark-Überweisungen an den Brüsseler EG-Topf verärgert, lehnt das Ertl-Begehren ab. Großstädter Schmidt hält dem Bauernfreund entgegen: »Die Einkommensteigerung für die Landwirtschaft um 31 Prozent innerhalb eines Jahres bleibt auch dann noch überzogen, wenn man berücksichtigt, daß die Bauern im letzten Jahrzehnt nicht sonderlich gut gefahren sind.«

Kann Schmidt mit den Forderungen von Arendt und Ertl immerhin fest rechnen, so präsentierte ein anderer Kabinetts-Senior jetzt eine in ihrer Höhe noch gar nicht abschätzbare Zahlungsverpflichtung. Über seinen Staatssekretär Karl Wittrock ließ Verkehrsminister Lauritz Lauritzen kundtun, daß Bonn der Lufthansa vollen Schadenersatz für den Bummelstreik der Fluglotsen leisten werde -- angesichts der Eigentumsverhältnisse (der Bund hält 80 Prozent der Lufthansa-Aktien) auch schwer vermeidbar.

Der Tower-Terror aber kostet, so kalkulieren jedenfalls Lufthansa-Rechner, mit jedem weiteren Bummelmonat die Fluggesellschaft 50 Millionen Mark.

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