Wirtschaft und Konsum Steuerschock schlägt auf die Stimmung

Die große Sause ist vorbei: Die Kauflaune der Deutschen hat sich nach der Mehrwertsteuererhöhung im Januar so rasant verschlechtert wie noch nie. Und auch der ifo-Geschäftsklimaindex, wichtigstes Stimmungsbarometer der Wirtschaft, ist gesunken. Ökonomen warnen aber vor Panik.

Berlin - Die Menschen in Deutschland haben zu Beginn des Jahres ihre Ausgaben stark eingeschränkt. Der Konsum-Indikator der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fiel wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer schlagartig von 8,5 auf 4,8 Punkte. "Offenbar herrscht unter den Konsumenten zurzeit noch erhebliche Verunsicherung darüber, wie sich die höhere Mehrwertsteuer tatsächlich auf die Preise ausgewirkt hat", teilte die GfK mit. Anschaffungen würden deshalb zurückgehalten. Das Forschungsinstitut hatte insgesamt 2000 Verbraucher zu ihrer Kaufneigung befragt.

Gleichzeitig hat sich auch das deutsche Geschäftsklima im Januar überraschend verschlechtert. Der vom Münchener ifo-Institut für Wirtschaftsforschung berechnete Geschäftsklimaindex fiel von 108,7 auf 107,9 Punkte, wie das Institut mitteilte. Bankenvolkswirte hatten dagegen mit einem Anstieg auf 108,8 Punkte gerechnet. Der monatlich unter rund 7000 Unternehmen erhobene ifo-Geschäftsklimaindex gilt als wichtigstes Stimmungsbarometer der deutschen Wirtschaft.

Der Teilindex zur Beurteilung der aktuellen Lage fiel auf 112,8 Punkte, nachdem er im Vormonat noch bei 115,3 Zählern gelegen hatte. Volkswirte hatten einen Stand von 115,1 Punkten und damit nur einen leichten Rückgang prognostiziert. Dagegen legte der Teilindex zu den Erwartungen überraschend auf 103,2 Punkte zu. Im Dezember 2006 stand er bei 102,5 Zählern, die Prognose lag bei 103,0.

Besonders drastisch ist der von der GfK gemessene Rückgang bei der Anschaffungsneigung der Verbraucher. Der entsprechende Index stürzte im Januar von 59,9 auf minus 5,1 Zähler. Das ist der GfK zufolge der stärkste Rückgang binnen Monatsfrist seit Beginn der monatlichen Erhebung 1980. Als langjähriges Mittel gilt ein Wert von Null. Nun zeichne sich die mehrfach angekündigte Schwächephase des privaten Konsums im ersten Quartal deutlich ab. "Die Vermutung liegt nahe, dass es sich bei dieser ausgeprägten Reaktion um eine Momentaufnahme handelt", hieß es bei der GfK.

Die Einkommenserwartung hat sich verbessert

Die Kaufbereitschaft hatte sich im Lauf des vergangenen Jahres mehr und mehr vom Gesamtindikator abgekoppelt und so die Stimmung im Vorfeld der Mehrwertsteueranhebung stark überzeichnet. Deshalb bleiben die GfK-Experten bei ihrer Prognose, dass der private Konsum 2007 um 0,5 Prozent zulegt.

Deutlich stabilisierten sich die Konjunkturerwartungen der Verbraucher. Sie legten im Januar um 1,8 auf 37,5 Punkte zu und erreichten damit den höchsten Stand seit Januar 2001. Damit bekunden die Verbraucher zunehmend Vertrauen in den Aufschwung.

Das zeigt sich auch bei den verbesserten Einkommenserwartungen: Der entsprechende Index kletterte von minus 16,6 auf minus 5,1 Zähler. Die spürbare Erholung begründet die GfK damit, dass die Haushalte die zum Jahresbeginn in Kraft getretenen finanziellen Lasten bereits im alten Jahr berücksichtigt hatten. Doch noch immer liegt der Indikator unter seinem langjährigen Schnitt von 0 Punkten.

Das ifo-Institut erwartet schon in ein bis zu zwei Monaten eine bessere Lage. "Danach müsste die Konjunktur wieder Fahrt aufnehmen", sagte ifo-Experte Klaus Abberger. Größere Störfeuer für die Unternehmen gebe es derzeit weder durch den Ölpreis noch durch den Wechselkurs des Euro oder die konjunkturellen Entwicklungen im Ausland.

Auch andere Volkswirte warnten angesichts des schlechteren ifo-Index' vor Panikmache. "Den Rückgang hatten wir erwartet", sagte Ralph Solveen von der Commerzbank. "Die Stimmung war bislang etwas zu gut." Es zeige sich aber, dass die Konjunktur etwas an Fahrt verloren habe.

Ökonomen rechnen weiter mit guten Aussichten

"Insgesamt bleibt der Optimismus, die Unternehmen merken aber, dass es nicht mehr ganz so toll läuft. In den nächsten Monaten rechnen wir mit einem weiteren Rückgang des Index."

Auch Audrey Childe Freeman von CIBC Markets sieht den Rückgang des Index' vor allem im Kontext der Mehrwertsteuererhöhung. Dies sei aber nur ein vorübergehendes Signal. "Die Aussichten bleiben gut."

Allzu weit nach oben dürfte es allerdings auch nicht mehr gehen. "Beim ifo-Geschäftsklima ist wohl nicht mehr so viel Aufwärtspotenzial drin in den nächsten Monaten", sagte Bernd Weidensteiner von der DZ Bank. "Hier kommt man langsam in die Gipfel-Regionen."

Auch beim Konsumklima der GfK sehen Ökonomen keinen Grund zu größerer Sorge. Dirk Schumacher von Goldman Sachs übt sogar offen Kritik an der Aussagekraft des GfK-Index': "Ich glaube, das ist kein sehr relevantes Signal. Die Einzelhandelsumsätze im dritten und vierten Quartal waren schwach, obwohl die Konsumneigung hoch war. Nun geht die Konsumlaune runter, aber die harten Zahlen könnten etwas besser ausfallen als befürchtet." Damit er dem Indikator wieder voll vertrauen könne, "muss der Zusammenhang erst wieder klar und deutlich sichtbar werden", sagte er.

Andere Fachleute sprechen ohnehin nur von einem einmaligen Ausrutscher in Folge der Mehrwertsteuererhöhung. So geht Matthias Rubisch von der Commerzbank davon aus, dass sich der Konsum zur Mitte des Jahres wieder erholen wird. "Bis dahin wird es eine Durststrecke werden." Danach aber könne man mit einer Erholung rechnen.

wal/Reuters

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten