Wirtschaftsnobelpreis für Robert Shiller Später Triumph des Krisenpropheten

Preisträger Shiller: Bis heute war er der Philip Roth der Ökonomie
Foto: MICHELLE MCLOUGHLIN/ REUTERSBis zu diesem Montag war Robert Shiller so etwas wie der Philip Roth der Wirtschaftswissenschaften. Wie der große amerikanische Romancier Roth galt auch Shiller in seiner Disziplin seit Jahren als heißester Anwärter auf den Nobelpreis. Bekommen haben ihn allerdings immer andere.
Zumindest für Shiller hat sich das in diesem Jahr geändert. Am Montag kürte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften die Gewinner des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Ökonomie: die US-Amerikaner Eugene Fama und Lars Peter Hansen von der Universität Chicago - sowie eben Robert Shiller von der Elite-Uni Yale. Die drei Wissenschaftler erhalten die Auszeichnung für ihre Forschung zu Aktienkursen und anderen Vermögenspreisen.
Neben Shiller galt auch Fama lange als Kandidat für den Preis - allerdings waren seine Erkenntnisse in den vergangenen Jahren weniger en vogue als die des Medienstars Shiller. Während Fama in den sechziger Jahren die Theorie der effizienten Kapitalmärkte begründete, stellte Shiller sie später in Frage - und wurde damit zu einem Star der Finanzkrisenzeit.
Shiller wurde zum Kronzeugen für die Finanzmarktkritiker
Offiziell wird Shiller für seine Arbeiten zu Beginn der achtziger Jahre ausgezeichnet. "Do Stock Prices Move Too Much to be Justified by Subsequent Changes in Dividends?" fragte er 1981 im "American Economic Review". In dem Aufsatz stellte der junge Ökonom fest, dass Aktienkurse sehr viel stärker schwanken als die zu erwartenden Dividendenausschüttungen von Unternehmen. Und noch mehr: Die Richtung, in die sich das Verhältnis von Aktienkursen zu Dividenden entwickelt, lässt sich vorhersagen. Diese Erkenntnisse rüttelten an der bis dahin geltenden Effizienzhypothese von Fama, derzufolge sich Kursentwicklungen kaum vorhersagen lassen - und die Märkte deshalb effizient seien.

Später bewies Shiller, dass er auch persönlich sehr gut darin ist, Marktentwicklungen vorherzusagen. Im Jahr 2000 veröffentlichte er das Buch "Irrationaler Überschwang", in dem er den Absturz des Aktienmarktes in den folgenden Jahren vorwegnahm. Zum Superstar seiner Branche wurde er aber erst, als klar wurde, dass er auch rechtzeitig vor dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes im Jahr 2007 gewarnt hatte. Seitdem gilt Shiller vielen Kritikern des Finanzkapitalismus als Kronzeuge: Er hat gezeigt, dass sich Anleger manchmal irrational verhalten, sei es aus Selbstüberschätzung oder weil sie einem Herdentrieb folgen.
"Ich bin begeistert von der Entscheidung"
Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich klingen, so unterschiedliche Forscher wie Fama und Shiller auszuzeichnen, doch Experten halten dies durchaus für gerechtfertigt. "Das ist kein Widerspruch", sagte etwa Hanno Beck, Professor an der Hochschule Pforzheim, der sich seit Jahren mit dem Fachgebiet der Verhaltensökonomie beschäftigt. "Man kann nicht pauschal sagen, dass Märkte rational oder irrational sind. Das wäre zu einfach."
Vielmehr habe Fama gezeigt, dass Märkte kurzfristig nicht vorhersehbar seien und gut funktionierten. Shillers Arbeit dagegen belege, dass man auf lange Sicht sehr wohl Marktbewegungen vorhersagen könne. Hansen, der dritte Preisträger, habe das Werkzeug geliefert, um die Theorien anzuwenden. "Insgesamt ist das ein sehr geschickt gewähltes Paket", sagte Beck.
Auch Martin Weber, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Mannheim, zeigte sich von der Wahl angetan. "Ich bin begeistert von der Entscheidung, es werden großartige Wissenschaftler ausgezeichnet", sagte Weber.
Spannend sei vor allem, dass sich Fama und Shiller von unterschiedlichen Seiten demselben Problem näherten: Während Shiller vor allem die dysfunktionale Seite von Märkten mit ihren Übertreibungen und Spekulationsblasen beschreibe, habe Fama die effizienten Märkte in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Weber: "Die Frage ist natürlich jedes Mal aufs Neue: In was für einem Markt befinden wir uns gerade, sind wir in einer Spekulationsblase oder nicht?"
Sinn: "Den Börsenteil am besten gar nicht lesen."
Für Hans-Werner Sinn, Chef des ifo-Instituts, zeigt die Forschung der Preisträger vor allem eines: "Die Kurse von Aktien und ähnlichen Wertpapieren lassen sich langfristig sicherer vorhersagen als kurzfristig." Das Ergebnis impliziere auch, dass Aktien auf die lange Sicht recht sichere Wertpapiere seien. Für den Normalbürger lege es nahe, Wertpapiere sehr lange zu halten, anstatt sich vom täglichen Auf- und Ab der Märkte irritieren zu lassen. Sinn: "Den täglichen Börsenteil der Zeitungen sollte man lieber gar nicht erst lesen."
Die Mitglieder des Preiskomitees betonten am Montag denn auch vor allem den Praxisbezug, den die Wissenschaftler mit ihrer Arbeit geschaffen hätten. "Die Forscher haben untersucht, wie Aktienpreise gestiegen und gefallen sind, und das ist immer von Interesse", sagte Komitee-Mitglied Mats Persson. Es sei für "gewöhnliche Menschen" interessant zu wissen, in welche Anlagen man investieren könne. Ferner "ist es interessant für Politiker zu wissen, wie die Märkte zu regulieren sind". Und nicht zuletzt seien die Ergebnisse von Fama, Hansen und Shiller auch für Spekulanten nützlich: "Ihre Funde haben Bedeutung dafür, wie wir denken, dass die Finanzmärkte funktionieren."