S.P.O.N. - Die Spur des Geldes Ein Grexit wäre noch immer gefährlich
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Der neue griechische Finanzminister Giannis Varoufakis ist eine Art Partyschreck - so wie die Grünen damals Anfang der Achtzigerjahre. Wie er dem verdutzten holländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem eine Abfuhr erteilte, ist schon jetzt ein Video-Klassiker der Eurokrise . Mit einem einzigen Satz schaffte er die Troika ab. Diese lustige Truppe aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission wird sich auflösen. Jetzt sind wieder die Politiker am Ruder. Und dort geht es nur noch um die Kunst des Zurückruderns.
Ich kenne Giannis Varoufakis seit ein paar Jahren. Er war in dieser Zeit hauptsächlich als Blogger unterwegs - mit einem Vorschlag für die Lösung des Griechenland-Problems. Der Titel seines Plans war "Ein Bescheidener Vorschlag". Der hatte es in sich, in dem Sinne, dass er die Europäische Zentralbank (EZB) auf eine Art in die Staatsfinanzierung einbindet, wie man das in Deutschland nur schwer vermitteln kann.
Fehleinschätzung: Die politische Dynamik der Währungsunion
In der Form war und ist Varoufakis unkonventionell und hart. Er nannte einmal Jean-Claude Trichet den schlechtesten Zentralbanker der Welt. Inhaltlich ist Varoufakis aber voll auf der Seite der Mehrheit angelsächsischer Ökonomen. Egal ob die links stehen oder rechts, ich kenne keinen einzigen von Rang und Namen, der die deutsche Politik gegenüber Griechenland und den anderen Peripherieländern unterstützt. Man ist sich in Deutschland einfach nicht klar, wie weit man vom internationalen Konsens entfernt ist.
Die deutschen Ajatollahs der Ordnungspolitik haben die politische Dynamik der Währungsunion falsch eingeschätzt. Wenn Wirtschaftspolitik zu Massenarbeitslosigkeit in anderen Ländern führt, dann gelten keine Regeln oder Verträge. So wie Varoufakis die Troika abgeschafft hat, unterzog der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi zuvor den Fiskalpakt einem Fenstersturz. Deutschland hatte ja selbst die alten Stabilitätspakte ausgehebelt, als man nationale Interessen durchsetzen wollte.
Die Befürchtung: Ein massiver Finanzschock
Wenn die Bundesregierung jetzt nicht nachgibt, muss Griechenland den Euro verlassen. Ich würde für diesen Fall einen massiven Finanzschock erwarten - einen, der um ein Mehrfaches größer ist als der, der durch den Kollaps der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im Jahre 2008 verursacht wurde.
Deutschland würde politisch dafür die Verantwortung tragen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein rationaler Politiker dieses Risiko eingehen wollte, schon gar nicht Angela Merkel - es sei denn, dass sie sich in der Sache verschätzt. Das tun momentan auch die Sozialdemokraten. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat ebenfalls mit seiner Behauptung unrecht, die Konsequenzen eines griechischen Austritts seien überschaubar.
Die direkten Ausfallrisiken sind in der Tat nicht mehr so groß. Das von Gabriel und seinen Beratern unterschätzte Problem sind die durch einen griechischen Austritt erzeugten Dominoeffekte, auch die sicherheitspolitischen.
Ein Austritt der Griechen: Politischer Selbstmord
Russland mag zwar in einer Finanzkrise stecken, hat aber genug Ressourcen, um Griechenland nach einem Austritt zu finanzieren. Dann hätte Wladimir Putin indirekt ein Vetorecht im Europäischen Rat. Ein griechischer Austritt wäre politischer Selbstmord für die Europäische Union.
Es kann durchaus sein, dass Varoufakis und sein Chef Alexis Tsipras den diplomatischen Bogen überspannen und den Austritt Griechenlands unvermeidbar machen. Angesichts der ideologischen Überfrachtung der Debatte wird man den Deutschen die Wahrheit nur scheibchenweise präsentieren können.
Aber die Verhandlungsposition der Griechen ist alles andere als schwach. Sie werden jetzt zunächst, ohne bei Merkel vorher um Erlaubnis zu fragen, ihre politischen Versprechen durchsetzen - ein Ende der Troika, ein Arbeitsmarktprogramm und höhere Löhne. Und dann werden sie ein neues Finanzierungsprogramm einfordern.
Die Kredite: Sie würden ohnehin nie bedient
Die von Varoufakis geforderte Schuldenkonferenz wird im Gegenzug dafür erst einmal nicht stattfinden. Sie ist am Ende auch nicht wichtig. Die griechischen Kredite werden ja eh nicht bedient und auch nie zurückgezahlt. Sie stehen auf dem Papier als eine Art Hommage an hehre und leere Prinzipien. Irgendwann werden diese Kredite abgeschrieben.
Ökonomisch kann man diese Papiertigerschulden schon jetzt aus dem griechischen Schuldenstand herausrechnen. Und dann ergibt sich auch ein deutlicher geringerer Konsolidierungsbedarf, geringer als der von Italien. In diese Richtung wird ein Kompromiss zielen. Die Troika endet. Die Sparpolitik endet. Die Ordnungspolitik endet. Und der Euro, der bleibt.
Zusammengefasst: Deutschland ist mit seinem Beharren auf der Sparpolitik inzwischen international isoliert. Wenn die Bundesregierung jetzt nicht nachgibt, droht ein Euro-Austritt Griechenlands mit dramatischen wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen.
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