Zocker-Paradies Macau Casino total

Der Boom des Glücksspiels im südchinesichen Macau hat bizarre Folgen für den Jobmarkt. Banken und Behörden können offene Stellen nur noch mit Mühe besetzen, weil viele Bürger lieber in den Casinos arbeiten. Jetzt musste sogar die Regierung eingreifen.

Long Peijing muss sich keine Sorgen machen um ihren Arbeitsplatz. Die junge Frau wacht über einen Spieltisch im Casino Grand Lisboa in Macau. Bedächtig schüttelt sie ein Glas mit Würfeln. Sic Bo wird hier gerade gespielt, über 20 Spieler umlagern den Tisch.

Mitarbeiterin im Venetian Macao: "Casino, das Macau aufgefressen hat"

Mitarbeiterin im Venetian Macao: "Casino, das Macau aufgefressen hat"

Foto: AFP

Longs Stelle ist den Einwohnern der Sonderverwaltungszone im Süden Chinas vorbehalten. Dasselbe gilt für alle andere Posten, die direkt mit Karten- und Würfelspielen im Spielerparadies Macau zu tun haben. Diese Regel sollte den 520.000 Macanesen die Sorge nehmen, sie würden nicht ausreichend vom Boom der Spielhallen profitieren. Inzwischen wollen aber so viele Menschen in Macau im Glücksspielgeschäft arbeiten, dass die Regierung gegensteuert.

"Die Regierung muss handeln, das Wachstum ging einfach zu schnell", sagt Davis Fong, Ökonom an der Universität der Stadt - er hat sich auf "Gaming Management" spezialisiert. Die Spielsalons zahlen so gut, dass Behörden, Banken oder Zahnärzte mittlerweile nur schwer Mitarbeiter finden. Eltern sorgen sich, dass ihre Kinder vorzeitig die Uni aufgeben, um lieber eine Karriere als Croupier zu starten. "In der Branche sehen viele nach diesen Wachstumsjahren die Zukunft", sagt Fong.

Als "Casino, das Macau aufgefressen hat" bezeichnete William Weidner, Präsident des US-Anbieters Las Vegas Sands, unlängst das Venetian Macau. Das war als Scherz gemeint. Aber Macaus Regierungsmitgliedern war da längst nicht mehr zum Lachen zumute. Das weltgrößte Casino, das im vergangenen August eröffnete, beschäftigt 15.000 Mitarbeiter, rund fünf Prozent der gesamten Arbeitskraft des Territoriums.

Macau ist längst zum weltgrößten Spielerparadies geworden, die Casinos hier machen mehr Umsätze als jene in Las Vegas und Atlantic City zusammen. Seit 2003 haben sich die jährlichen Umsätze mit Glücksspiel auf 84 Milliarden Patacas (sieben Milliarden Euro) fast verdreifacht. Im ersten Quartal legten die Erlöse erneut um 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, bei 30 Milliarden Patacas.

Jetzt wird die Anzahl der Casino-Lizenzen eingefroren. "Auf absehbare Zeit" werden es nicht mehr als die heutigen sechs, kündigte Edmund Ho vergangene Woche an - er ist offiziell der Chief Executive des Stadtstaates. Neu gewonnenes Land wird nicht länger für die Spielkonzerne zur Verfügung gestellt. Über fünf Quadratkilometer hat die Stadt in den vergangenen Jahren dem Meer abgerungen. Bisher sind dort fast ausschließlich Casinos und Hotels entstanden. Die Anzahl der Spieltische und einarmigen Banditen wird streng begrenzt. Und Casino-Unternehmen ist es künftig untersagt, Dienstleistungen wie Transport anzubieten.

"Wir müssen den positiven Trend unseres Wirtschaftswachstums sichern und die daraus folgenden Probleme lösen, um so langfristig die Stabilität zu sichern", sagte Ho. Er ließ anklingen, dass er nicht alleine in Sorge ist. Druck aus Peking hat die Entscheidung befördert. "Wir haben einige Beurteilungen vorgenommen, einige Diskussionen geführt und folgen mit diesen Maßnahmen den Richtlinien der Zentralregierung."

5000-Pataca-Schecks für jeden Bürger

Vielerorts wird die Direktive Pekings misstrauisch als Einmischung gesehen. Schließlich gilt in Macau wie auch im benachbarten Hongkong das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme". Der Stadtstaat gehört zwar seit 1999 wieder zu China, hat aber neben einer eigenen Regierung auch eine eigene Währung. In Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit ist das Gebiet deutlich liberaler als das Mutterland.

Innerhalb Chinas ist Macau der einzige Ort, an dem Glücksspiel legal ist. Vor allem Festlandschinesen kommen hierher, um zu zocken. Von den 7,5 Millionen Besuchern im ersten Quartal stammten 58 Prozent aus der Volksrepublik. Gegenüber dem Vorjahr stieg ihre Zahl um fast ein Viertel. Den Kommunisten in Peking ist das Territorium immer suspekt gewesen. Jahrzehntelang gehörte Macau zu Portugal, aber schon nach der "Nelkenrevolution" 1974 hätten die Portugiesen das Territorium auf der anderen Seite des Globus gerne China überlassen. Die Regierung in Peking winkte ab - zu verrufen war die Stadt mit ihren Bandenkriegen, Spielhöllen und schmuddeligen Bordellen.

Das Image hat sich radikal gewandelt. 1999 wurde Macau an China zurück gegeben. Kurz darauf beschloss die Regierung, das jahrzehntealte Glücksspielmonopol aufzuheben. Casino-Mogul und Milliardär Stanley Ho, dessen Sociedade de Turismo e Diversões de Macau daran vier Jahrzehnte lang glänzend verdient hatte, bekam Konkurrenz. Eine Welle von Investments begann - Sheldon Adelsons Las Vegas Sands ist inzwischen genauso vor Ort vertreten wie Steve Wynn aus den USA und James Packer aus Australien. Neben den bald 30 Casinos bauen die Anbieter jede Menge Hotels, Kongress- und Veranstaltungszentren und Shopping Malls.

Den Casino-Anbietern hat die Nachricht gut getan, die Aktienkurse schnellten nach oben. Die Unsicherheit über das künftige Wettbewerbsniveau sei erst einmal weggefallen, schrieben die Analysten der Ratingagentur Standard & Poor's. Auf mittlere Sicht sei mit einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt und bei der Infrastruktur zu rechnen.

Auch die Macanesen hat ihr Regierungschef erfreut. Aus dem Haushaltsüberschuss des vergangenen Jahres winkt jedem Anwohner ein Scheck über 5000 Patacas. Die Sonderzahlung soll auch all jene besänftigen, die bisher nicht vom Boom profitiert haben.

Auch wenn das Pro-Kopf-Einkommen im vergangenen Jahr um 26 Prozent auf mehr als 36.000 Dollar gestiegen ist und Macau damit zu einem der wohlhabendsten Staaten Asiens avanciert ist: Viele ältere Arbeitnehmer, die in der inzwischen fast ausgestorbenen Textilindustrie gearbeitet haben, kommen nur schwer in den Casinos unter. Außerhalb der Unterhaltungsbranche sind die Gehälter in den vergangenen Jahren kaum gestiegen, gleichzeitig ist die Inflationsrate im März auf 9,5 Prozent in die Höhe geschnellt.

Doch wie schnell das Wachstum der Casinos tatsächlich abkühlt, ist höchst ungewiss. "Niemand weiß, wie viele weitere Anbieter mit der Regierung Verhandlungen aufgenommen haben", sagt Fong. Laufende Projekte und bereits beantragte Lizenzen seien von den Regularien nicht betroffen, hatte Ho betont. Gerüchten zufolge soll die Regierung bereits mit 20 zusätzlichen Interessenten im Gespräch sein, heißt es in der Stadt. "Davon hängt der Erfolg natürlich ab", sagt Fong. Croupiers und Sitzplätze auf den Fähren nach Macau bleiben bis auf weiteres knapp.

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