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Zu viele Busenbogen

aus DER SPIEGEL 13/1994

Keinem Lokführer und keinem Schlafwagenschaffner war bislang aufgefallen, daß er mit dem Bahn-Emblem auf der Mütze für eine »hohe feminine Anmutung« sorgte.

Der Stuttgarter Design-Professor Kurt Weidemann, 71, sah's auf einen Blick. Insgesamt 28 Rundungen zählte er in dem 1952 entworfenen Logo - »Busenbogen«, »Hüftbogen« und »Schwangerschaftsbogen«; ganz miserabel schienen ihm die vier »runden Ecken«, die »tiefenpsychologisch Entscheidungsschwäche« symbolisierten.

Seit Jahresanfang, seit es die Deutsche Bahn AG gibt, hat der Staatsbetrieb ein neues Signet. Rund 25 Millionen Mark hat die Einführung des Emblems gekostet; statt der weiblichen Rundungen - laut Weidemann »zu schlaff« - hat der Stuttgarter Designer »Straffung, Aufrichtung, Schlankung« geschaffen.

Diesem »gewissermaßen erigierten Zeichen«, spottete der Berliner Typograph Erik Spiekermann, 46, in der Fachzeitschrift Form, fehle »jede Emotion, wie Männern, die bekanntlich ja auch nicht mit dem Bauch, sondern einem weiter unten gelegenen Körperteil fühlen«.

Selten haben sich zwei Designer so heftig angegiftet wie die beiden Stars unter Deutschlands Typographen. In dieser Woche schlägt nun Weidemann in Form zurück, weil ihn Kollegen aufgefordert hätten, »die Revolverschnauze von dem Spiekermann« nicht zu schonen.

Selten hat auch ein neues Signet derartige Kontroversen ausgelöst wie das Logo der Bahn AG. »Schlicht« sei die Schrift, lobt Weidemann sein Werk, »streng und sachlich«. »Von einem vergangenen Geist« zeuge das Logo, findet Spiekermann, »so bieder und rückständig«.

Wie die Kesselflicker streiten sich die beiden international bekannten Schrift-Gestalter. Spiekermann hat, unter anderem, Schriften für die Deutsche Bundespost und AEG entwickelt, Weidemann hat die Erscheinungsbilder von Firmen wie Daimler-Benz oder Zeiss geprägt. Ein neues Schriftbild für die Bahn zu entwerfen schmeichelt dem Ego jedes Grafikers.

Der Stuttgarter Professor, so vermutet Spiekermann, habe vor allem deshalb den Auftrag erhalten, weil er mit dem Bahn-Chef Heinz Dürr gut bekannt sei. Weidemann ist Berater des Daimler-Benz-Vorstands, dem Dürr früher auch angehörte.

Sein Honorar für die Gestaltung des Bahn-Signets, versichert Weidemann, sei »mit 200 000 oder so« keineswegs unangemessen. Dafür, stichelt Spiekermann, habe der Professor »eine Scheiße« abgeliefert.

Der Kollege, gibt Weidemann zurück, solle lieber seine eigenen Entwürfe betrachten: »Spiekermann hat selbst einen derartigen Scheiß wie die Schrift für die BfG: Bank gemacht.«

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