Zukunftsvision SAP-Wunderkind plant Elektroauto-Revolution
Hamburg - So viel Startkapital bekommt eine junge Firma selten: 200 Millionen US-Dollar Anschubfinanzierung hat der 39-jährige, gebürtige Israeli für sein neues Unternehmen eingesammelt. Unter den Investoren finden sich klangvolle Namen: Der frühere Weltbank-Chef James Wolfensohn gab Geld, ebenso der kanadische Spirituosen-Mogul Edgar Bronfman Senior. Die israelische Holding Israel Corp spendierte gleich 100 Millionen Dollar und tritt damit als wichtigster Einzelfinanzier auf.
Die Erwartungen sind also hoch und Shai Agassi tut alles, um sie noch weiter zu schüren. "Wenn das, was ich glaube, richtig ist, dann wird das die größte Verschiebung in der Geschichte des Kapitalismus sein", wirbt er.
Es geht um die Zukunft des Automobils, genauer: des Elektro-Autos. Agassis neue Unternehmung, mit visionärem Gestus Project Better Place getauft, will batteriebetriebene Pkw reif für den Massenmarkt machen. Dass sich die E-Auto-Technologie bisher nicht durchsetzen konnte, liegt aus Sicht Agassis an gravierenden, aber lösbaren Problemen darunter die geringe Speicherkapazität und die langen Ladezeiten bestehender Batterien. Bisherige E-Pkw müssen schon nach rund 100 Meilen Fahrt langwierig neu aufgeladen werden.
Das Gegenkonzept: der Wechsel-Akku im Abo
Agassis Gegenkonzept: Er will ein Netz von Tankstellen für E-Autos schaffen und zugleich eine Art Abonnement-Lösung für Elektroauto-Batterien einführen. Project-Better-Place-Kunden sollen ihr Automobil bei Agassis Firma kaufen oder leasen. Sie zahlen eine monatliche Dienstleistungsgebühr. Als Gegenleistung dürfen sie die Service-Stationen der Firma ansteuern und eine leere Batterie gegen eine bereits voll aufgeladene eintauschen.
Dieser Batteriewechsel voll automatisch vollzogen - werde etwa genauso lange dauern wie die Betankung eines Benzin- oder Diesel-Pkw, verspricht Project Better Place.
Ebenso wichtig: Das Geschäftsmodell lässt sich laut Agassi schon mit der heutigen Generation von Lithium-Ionen-Batterien realisieren. Es sei also nicht nötig, auf einen Durchbruch bei der Akku-Technik zu warten, der vielleicht nie oder doch erst in vielen Jahren kommt.
Automobil-Experte Stephen Girsky hält nicht für ausgeschlossen, dass Agassis Plan aufgehen kann. "Als ich es zuerst davon gehört habe, dachte ich, das ist eine verrückte Idee", sagte der Geschäftsführer beim Finanzinvestor Centerbridge dem US-Magazin "Business Week". "Es klang so weit hergeholt. Dann habe ich mich hingesetzt, zugehört, und vielleicht ergibt es ja Sinn."
Vor überzogenen Erwartungen indes warnt er: Ein Wandel in den automobilen Gewohnheiten einer Gesellschaft lasse sich nur mit viel Geduld und Zeit erreichen. Autokonzerne wie Toyota setzen in ihren Zukunftsvisionen eher auf eine Vermengung von Elektro- und Benzinantrieb, also auf eine Weiterentwicklung bestehender Hybridlösungen.
"Wir haben eine historische Schwelle überschritten, ab der Elektrizität und Batterien für Konsumenten eine billigere Alternative darstellen", sagte dagegen Agassi anlässlich der Vorstellung seiner Firma am Montag in New York. Es gelte nur, die richtige Infrastruktur und das passende Geschäftsmodell zu finden. Nach seinem System ließen sich Elektroautos schon für sieben US-Cent pro 100 Meilen betanken - ein Bruchteil der Kosten, die bei Benzinern anfällt. Agassi weiter: "Unsere Weltwirtschaft braucht dringend einen umweltverträglichen, nachhaltigen Zugang zu Energie und Verkehr."
Agassi: Vereinbarungen mit Testmärkten schon abgeschlossen
Ob das Konzept aufgeht oder nicht es hängt wohl vor allem davon ab, ob sich ein hinreichend dichtes Netz an E-Tankstellen aufbauen lässt. Agassis Ideen könnten anfangs am besten auf Metropolen wie London oder Stadtstaaten wie Singapur passen. Auch seine dicht besiedelte Heimat Israel könnte sich als Testmarkt anbieten.
Der Unternehmer selbst verspricht erste Erprobungen für das kommende Jahr. Verträge mit Automobilkonzernen und Regierungen seien unterzeichnet die Namen hält Project Better Place noch unter Verschluss. Schon 2010 könnte seine Technologie im größeren Stil umgesetzt werden, verkündet Agassi.
Der Firmengründer machte bisher in der Software-Branche von sich reden: 1992 gründete das Unternehmen Top Tier, das 2001 in SAP aufging. Mehrere Jahre lang galt Agassi als heißer Anwärter auf den Chefposten beim Walldorfer Konzern. Anfang des Jahres gab er seinen Vorstandsposten überraschend ab. Wohl auch, weil er nicht mehr warten wollte, bis der aktuelle SAP-Chef Henning Kagermann in Pension geht.
Ein Ziel hat Agassi mit Project Better Place also schon erreicht: Er ist wieder alleiniger Chef.
itz