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Unternehmen Zuviel Familiensinn

Der umstrittene Hauptaktionär geht, der Sproß einer französischen Unternehmerdynastie wird neuer starker Mann bei Adidas.
aus DER SPIEGEL 8/1993

Um Adidas wieder nach vorn zu bringen«, hatte Rene Jäggi, der frühere Chef des Sportartikelkonzerns, vor gut einem Jahr gestöhnt, »braucht es einen Supermann.«

Im Rennen gegen Nike und Reebok, die sehr viel kapitalkräftigeren Konkurrenten aus den USA, war der einstige Weltmarktführer in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgefallen. Darüber hinaus drückten häufige Streitereien mit Bernard Tapie, dem eigenwilligen Hauptaktionär aus Frankreich, die Stimmung im Hause Adidas.

Enttäuscht schied Jäggi im vergangenen Herbst aus dem Vorstand aus. Für eine Übergangszeit übernahm die Tapie-Vertraute Gilberte Beaux, eine gelernte Bankerin, die Führung.

Nun aber scheint es, als sei der Supermann für den Chefposten bei Adidas gefunden. Der Franzose Robert Louis-Dreyfus wird, so beschloß der Aufsichtsrat am vergangenen Montag, im April an die Spitze der Sportartikelfirma rücken; ihm werden wahre Wundertaten als Sanierer nachgesagt.

Louis-Dreyfus, 46, ist derzeit noch Chef des Londoner Werbemultis Saatchi & Saatchi. Als er dort Ende 1989 auf Bitten der Firmengründer Maurice und Charles Saatchi die Führung übernahm, stand die damals größte Reklamefirma der Welt am Rande des Ruins.

Der neue Saatchi-Chef kannte sich in der Werbebranche überhaupt nicht aus. Nach einem Harvard-Studium hatte der Sproß einer schwerreichen Schiffahrts- und Handelsdynastie zunächst in der Familienfirma in Paris gearbeitet.

Doch nach acht Jahren zog es Louis-Dreyfus in die Fremde. Im Jahre 1982 kaufte er sich in die New Yorker Marktforschungsfirma IMS ein.

Unter der Leitung von Louis-Dreyfus stieg der Wert der Firma von 230 Millionen auf 1,7 Milliarden Dollar. 1988 verkaufte der IMS-Chef, der selbst einen Fünf-Prozent-Anteil hielt, mit dickem Gewinn das gesamte Unternehmen.

Bei diesem Geschäft zeigte der Franzose allerdings etwas zuviel Familiensinn. Mit einem Tip ließ er seine Schwester und einige Freunde an dem Handel profitieren. Wegen dieses Verstoßes gegen die Insider-Regeln verhängte die US-Börsenaufsicht 1991 eine Geldbuße von 213 750 Dollar gegen ihn.

Es sollte der bislang einzige dunkle Punkt in der sonst glanzvollen Karriere des Franzosen bleiben. Den Saatchi-Konzern führte er recht rasch auf einen stabilen Kurs zurück. Schon in der ersten Jahreshälfte 1992 erzielte das Unternehmen wieder einen Gewinn.

Mit seinem Wechsel von der Werbein die Sportartikelbranche übernimmt der Franzose erneut eine höchst schwierige Aufgabe. Der schon seit langem kränkelnde Adidas-Konzern machte 1992 einen Verlust von weit über 100 Millionen Mark.

Dem neuen Adidas-Chef wird allerdings zugute kommen, daß sich vergangene Woche auch der Aktionärskreis änderte. Zum Preis von 615 Millionen Mark gab die von Bernard Tapie kontrollierte Firma BTF ihren 78-Prozent-Anteil an der Adidas-Holding ab.

Tapie hatte nie auch nur einen einzigen Franc aus eigener Tasche in die kapitalschwache Firma gesteckt. Statt der versprochenen Finanzspritze bot er nur starke Sprüche und wirre Pläne.

Nach dem Ausstieg Tapies halten nun mehrere Gruppen die Aktien der Adidas-Holding. Mit 15 Prozent stiegen Louis-Dreyfus und einige seiner Freunde ein. Neu im Kreis der Aktionäre sind auch zwei Investmentfirmen mit zusammen 34,9 Prozent.

Die Interimschefin und künftige Aufsichtsratsvorsitzende Gilberte Beaux stockte ihren Anteil von 5 auf 8 Prozent auf. Und schließlich hoben die Staatsbank Credit Lyonnais sowie die staatlichen Versicherungskonzerne UAP und AGF ihre Beteiligungen von insgesamt 17 auf 42,1 Prozent an.

Diese Finanzhäuser hatten Tapie seit eh und je großzügig unterstützt. Jetzt aber konnten sie ihrem verschuldeten Schützling die Adidas-Mehrheit nicht komplett abnehmen. Tapie, seit langem politisch aktiv, war zum Städtebauminister der sozialistischen Regierung aufgestiegen. Als Kabinettsmitglied konnte er seinen Firmenbesitz nicht allein bei staatlichen Instituten abladen.

So waren Tapie und dessen Helfer froh, daß sie weitere Adidas-Käufer fanden. Die Kritik französischer Oppositionspolitiker an dem Geschäft konnten sie damit allerdings nicht völlig unterbinden. Empört wiesen konservative Abgeordnete darauf hin, daß die Staatsinstitute dem Minister immerhin noch einen gewichtigen Teil des Adidas-Pakets abgekauft hatten.

Wie selbstbewußt der künftige Adidas-Chef an seine neue Aufgabe herangeht, zeigt eine Zusatzvereinbarung zwischen ihm und den Staatsgesellschaften: Louis-Dreyfus hat sich eine Option auf sämtliche Adidas-Anteile der staatlichen Finanzhäuser ausbedungen.

Laut Optionsvertrag liegt der Preis, zu dem der neue starke Mann im Hause Adidas die Papiere in den nächsten zwei Jahren übernehmen kann, um 30 Prozent über dem jetzigen Preis. Louis-Dreyfus ist überzeugt, daß er den Firmenwert in dieser Zeit noch um weit mehr als etwa ein Drittel steigern wird.

Auf jeden Fall aber will der in der Schweiz ansässige Franzose die fränkische Firma nicht sehr lange führen. »Nach ein paar Jahren«, sagt er, »verliert man seine Geistesfrische.«

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_110_ Sportartikelhersteller: Vergleich der Konzernumsätze in

Milliarden

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