Angst vor erneutem Lockdown Ökonomen warnen vor Folgeschäden durch zweite Corona-Welle

Die Zahl der täglichen Corona-Infektionen steigt - und unter Ökonomen wächst die Sorge vor einem zweiten Lockdown. DIW-Chef Fratzscher hofft auf Verantwortung in der Bevölkerung.
Volle Straße im Hamburger Schanzenviertel am Freitag - trotz Alkoholverkaufsverbot zur Eindämmung der Pandemie

Volle Straße im Hamburger Schanzenviertel am Freitag - trotz Alkoholverkaufsverbot zur Eindämmung der Pandemie

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Daniel Bockwoldt/ DPa

Mit dem Anstieg der Zahl der täglichen Coronainfektionen in Deutschland wächst die Sorge unter den führenden Ökonomen im Land. "Eine zweite Welle könnte wirtschaftlich schädlicher sein als die erste Welle. Denn viele Unternehmen sind angeschlagen, haben hohe Schulden und kaum mehr Rücklagen", sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der "Rheinischen Post".

Die Erfahrung der USA zeige, dass klare Regeln und frühzeitige Beschränkungen wichtig seien, um eine Infektionswelle so gering wie möglich zu halten und den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. "Nur wenn sich die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung verantwortlich verhält, kann es gelingen, die Restriktionen zeitlich zu begrenzen und den Schaden zu minimieren", sagte Fratzscher.

Bereits am Freitag hatte auch der Einzelhandel an die Kunden appelliert, die Corona-Regeln wie Abstand und Maskenpflicht disziplinierter einzuhalten. Der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, sagte: "Lassen Sie uns das Erreichte nicht kaputt machen."

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier forderte zudem härtere Strafen bei Verstößen gegen Corona-Regeln: "Wer andere absichtlich gefährdet, muss damit rechnen, dass dies für ihn gravierende Folgen hat", sagte der CDU-Politiker. "Wir dürfen den gerade beginnenden Aufschwung nicht dadurch gefährden, dass wir einen erneuten Anstieg der Infektionen hinnehmen." Achtloses und unverantwortliches Fehlverhalten müsse wirksamer als bisher unterbunden werden.

IW-Chef Hüther: "Es muss um regionale Antworten gehen"

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, rief die Bundesregierung unterdessen dazu auf, einen zweiten bundesweiten Lockdown angesichts des Infektionsgeschehens nicht übereilt zu verhängen. "Ein bundesweiter Lockdown setzt eine epidemische Lage von nationaler Tragweite voraus", sagte Hüther der "Rheinischen Post ".

Eine solche nationale Gefahrenlage sei derzeit nicht gegeben. "Ich halte einen zweiten bundesweiten Lockdown für weder geboten noch mit Blick auf die sozialen und ökonomischen Kollateraleffekte für verantwortlich", sagte Hüther. "Es muss um regionale Antworten gehen".

Auch Mittelstands-Präsident Mario Ohoven appelliert an die Politik, im Falle steigender Infektionszahlen einen zweiten Lockdown zu verhindern. "Es wäre unverantwortlich, die deutsche Wirtschaft durch einen weiteren Lockdown in den Ruin zu treiben", sagte der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Auch wenn lokale Ausbrüche zu partiell erhöhten Infektionszahlen führen, darf daraus kein zweiter Shutdown entstehen", mahnte Ohoven.

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Haseloff: "Zweiten Lockdown können wir uns nicht leisten" 

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff rief ebenfalls zur Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen auf. "Einen zweiten Lockdown können wir uns nicht leisten", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das würde unsere Wirtschaft kaum verkraften und sich letztendlich auch negativ auf den Sozialstaat und seine Stabilität auswirken."

Haseloff warnte: "Hilfsmaßnahmen wie im jetzigen finanziellen Rahmen ließen sich wohl nicht wiederholen. Daher benötigen wir jetzt höchste Aufmerksamkeit und auch Einsicht in dringend gebotene Maßnahmen wie die Maskenpflicht." Beim Aufflammen neuer Infektionsherde müsse "schnell, niederschwellig und differenziert auf lokaler Ebene" reagiert werden.

apr/dpa
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