Mehrheit gegen Klimalabel für Atomkraft und Gas EU-Vorschlag zur Taxonomie fällt überraschend durch

Atomkraftwerk in den Ardennen
Foto:Hocquart C / Andia.fr / IMAGO
Es war eine kurze aber spektakuläre Sitzung : Am Dienstagmittag um kurz nach 12 Uhr sprachen sich die Mitglieder des Umwelt- und Wirtschaftsausschusses mehrheitlich gegen die Aufnahme von Gas- und Atomkraft in die sogenannte Taxonomie aus. Sie votierten damit gegen den Vorschlag der EU-Kommission, dass Investitionen in Gas und Atomkraft künftig als nachhaltig gelten sollen.

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Die EU-Kommission schlug Anfang des Jahres vor, Gas und Atomkraft in die sogenannte Taxonomie-Verordnung aufzunehmen, mit der Milliardeninvestitionen in »grüne« Energien angekurbelt werden sollen. Mit der Taxonomie sollen Finanzströme gezielt in nachhaltige Technologien fließen. Demnach könnten Gelder von Investoren als »grün« gelabelt werden, wenn sie etwa in den Neubau von Atomkraft- oder neue Gaskraftwerke fließen.
Die zwei Ausschüsse entschieden sich aber mit einer Mehrheit von 76 gegen 62 Stimmen für eine Resolution, die sich gegen das grüne Label für Gas und Atom ausspricht.
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Die Grünen im Europaparlament sprachen von einem »starken Signal für Europas Energiewende«. Sie kämpfen seit Monaten gegen die Verordnung. Aber auch Sozialdemokraten und selbst konservative Abgeordnete hatten sich teils gegen den Vorschlag gestellt.
Überwältigende Mehrheit für die Ablehnung der #Taxonomie und gegen Greenwashing von Gas und Atom! pic.twitter.com/bWYWYrBkf9
— Delara Burkhardt MEP 🇪🇺🌹 (@delarabur) June 14, 2022
Allerdings hat das Votum auch wirklich nur eine Signalwirkung – und hat erst mal keine weiteren Auswirkungen. Das gesamte Parlament soll Anfang Juli über die Entschließung abstimmen. Dort müssen mindestens die Hälfte der mehr als 700 Parlamentarier gegen den Kommissionsvorschlag stimmen. Lehnt das Parlament die Regelung allerdings ab, tritt sie nicht in Kraft.
Frankreich lobbyiert für grüne Atomkraftwerke
Während die Bundesregierung den Vorschlag noch vor einigen Monaten befürwortete, ist sie mittlerweile dagegen. Vor allem die SPD hatte anfangs für die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie geworben.
Den größten Nutzen von der Verordnung dürfte Frankreich haben . Das Land hat einen alternden Atomkraftpark von insgesamt 56 Reaktoren. Deren Modernisierung ist teuer. Das ist einer der Gründe für die Vehemenz, mit der Frankreich für die Einstufung von Atomkraft als »grüne« Technologie kämpft.
Der französische EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatte der Zeitung »Journal du dimanche« im Januar erklärt: »Allein für die bestehenden Kernkraftwerke werden bis 2030 Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro erforderlich sein. Und für die neue Generation werden 500 Milliarden benötigt.« Um an dieses Geld zu kommen, sei es »entscheidend«, sagte Breton weiter, die Atomkraft als nachhaltige Energieform einzustufen.