Fund in Datenbank Coronavirus und Marderhund in einer Probe

Die Daten blieben unter Verschluss, bis eine Wissenschaftlerin sie zufällig entdeckte: Nun haben Forscher einen Bericht zu den Genproben vom Markt in Wuhan vorgelegt. Was verraten sie über den Ursprung der Pandemie?
Marderhund: Die Tiere gelten seit Langem als möglicher Zwischenwirt des Coronavirus

Marderhund: Die Tiere gelten seit Langem als möglicher Zwischenwirt des Coronavirus

Foto: David & Micha Sheldon / imagebroker / IMAGO

Ihre Entdeckung sorgte weltweit für Schlagzeilen, nun hat die französische Evolutionsbiologin Florence Débarre mit einem Forschungsteam einen ersten Bericht über die jüngst in einer Datenbank gefundenen Genproben aus Wuhan vorgelegt. Auf 22 Seiten beschreiben  die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, auf was sie gestoßen sind: Spuren des Coronavirus und von Wildtieren wie dem Marderhund.

Der Fund ist deshalb bedeutsam, weil die Proben kurz nach Bekanntwerden des Coronavirus Sars-CoV-2 genommen wurden, zwischen Januar und März 2020. Und zwar genau auf dem Markt in Wuhan, von dem sich das Virus offenbar erstmals ausgebreitet hat. Allerdings wurde der Bericht bisher nicht von Fachkollegen geprüft.

»Das Beste, was wir im Moment bekommen können«

Seit Ausbruch des Coronavirus suchen Forschungsteams weltweit nach dem Ursprung der Pandemie. Zwei Theorien konkurrieren: Sars-CoV-2 wurde von einem Tier auf Menschen übertragen oder das Virus stammt aus einem Labor und konnte möglicherweise versehentlich entweichen.

Die jetzt diskutierten Proben sprechen für die erste Theorie. Solche Zoonosen sind nicht ungewöhnlich, mehr als drei Viertel der Infektionskrankheiten bei Menschen stammen aus dem Tierreich.

Als die Proben genommen wurden, hatten chinesische Behörden den Markt bereits geschlossen. Auch die Tiere, mit denen dort gehandelt wurde, waren weg. Allerdings sammelten Forschende Spuren von Wänden, dem Boden, Metallkäfigen und Karren. In Proben, die positiv auf das Coronavirus getestet worden waren, fanden sich laut dem Bericht des Forschungsteams zudem Gensequenzen, die typisch für Marderhunde sind. Ein Indiz dafür, dass sich ein Marderhund auf dem Markt mit dem Virus infiziert haben könnte.

»Natürlich ist das kein direkter Beweis«, sagte Leo Poon, Virologe an der Universität von Hongkong gegenüber dem Fachblatt »Nature« , der nicht an der Untersuchung beteiligt war, über die neuen Daten. »Aber das ist das Beste, was wir im Moment bekommen können, weil alle Tiere von dem Markt eliminiert wurden und wir keine Proben von ihnen haben.«

Biden will Geheimdienstinformationen offenlegen

Die Proben sind auch deshalb so wichtig, weil sie die Labortheorie entkräften könnten. In den vergangenen Wochen wurde wieder verstärkt debattiert, ob das Virus versehentlich aus einem Labor entwichen sein könnte. Mit seiner Aussage eine Laborpanne sei »höchstwahrscheinlich«, hat unter anderem der Chef der US-Bundespolizei FBI dazu beigetragen. Belege lieferte er jedoch nicht. (Mehr zu der Diskussion und was dran ist, lesen Sie hier).

Derlei Behauptungen könnten dazu dienen, Druck auf China auszuüben, sich für die Aufklärung des Virusursprungs einzusetzen. Das Land steht seit Langem in der Kritik, die Suche zu behindern. (Mehr dazu lesen Sie hier). US-Präsident Joe Biden hat inzwischen ein Gesetz unterschrieben, das die Herausgabe von Geheimdienstinformationen zum Ursprung des Virus ermöglicht.

Schon im Jahr 2022 gab es einen ersten Report aus China , der sich mit denselben Proben aus Wuhan befasst hat, die nun für Aufsehen sorgen. Vorgelegt hatte ihn ein Forschungsteam um George Gao, der ehemalige Leiter der chinesischen Seuchenschutzbehörde CDC. Allerdings hieß es damals, es gebe keine Hinweise auf infizierte Tiere in den Proben – was einige Forschende sofort bezweifelten. Man bat das chinesische Team um die Rohdaten, diese aber blieben sie schuldig.

Hochgeladen und wieder gelöscht

Diesen März hat Débarre die Informationen dann jedoch zufällig in der internationalen Datenbank Gisaid  entdeckt. Sie kontaktierte weitere Expertinnen und Experten zu dem Fund. Gemeinsam nahmen sie Kontakt zu dem chinesischen Forschungsteam auf, von dem die Daten stammten. Die Informationen wurden daraufhin wieder aus der Datenbank gelöscht.

Nicht nur das: Zwischenzeitlich wurden die Konten des Forschungsteams um Débarre auf der Gisaid-Plattform gesperrt, weil sie mit der Veröffentlichung des Berichts gegen die Regeln verstoßen haben sollen. Ein Vorwurf, den die Forschenden energisch zurückwiesen. Inzwischen sind ihre Konten wieder zugänglich.

Schon vor der Veröffentlichung ihres Berichts hatten Débarre und ihre Kollegen die Entdeckung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitgeteilt. Die WHO lud daraufhin am 14. März zu einem gemeinsamen Onlinetreffen, an dem die chinesischen Forschenden teilnahmen. Als Ergebnis teilte die WHO mit, die Marderhund-DNA deute darauf hin, dass die Tiere auf dem Markt gewesen sind und als mögliche Zwischenwirte infrage kommen.

Wie die Pandemie begann, sei mit den neuen Daten zwar nicht geklärt, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus während einer Pressekonferenz. »Aber jedes Datenstück ist wichtig, um dieser Antwort näherzukommen.«

koe
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