Schutz vor Corona Stiko empfiehlt Auffrischimpfungen bereits nach drei Monaten

Impfzentrum in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart
Foto: Leif Piechowski / Lichtgut / IMAGODie Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Auffrischimpfungen wegen der Omikron-Variante des Coronavirus bereits nach mindestens drei statt nach sechs Monaten. Die Empfehlung zum verkürzten Impfabstand gelte ab sofort für Erwachsene, teilte das Gremium am Dienstag mit. Man wolle damit einen besseren Schutz vor schweren, durch Omikron hervorgerufenen Erkrankungen in der Bevölkerung erreichen. Zudem soll die Übertragung der Variante vermindert werden. Es sei damit zu rechnen, dass Omikron das Infektionsgeschehen hierzulande »innerhalb kürzester Zeit« bestimmen werde.
Bislang sprach sich die Stiko dafür aus, dass Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr in der Regel erst sechs Monate nach der Grundimmunisierung eine Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff bekommen , also entweder mit dem Präparat von Biontech/Pfizer (Comirnaty) oder von Moderna (Spikevax). Für Personen ab 18 und unter 30 Jahren wurde bislang nur Biontech und für Personen ab 30 Jahren Biontech oder Moderna empfohlen. Eine Verkürzung des Impfabstands auf fünf Monate war »im Einzelfall oder wenn genügend Kapazitäten vorhanden sind« möglich. Für Immungeschwächte war ein noch kürzerer Abstand zwischen zweiter und dritter Dosis bereits möglich.
Bei der Änderung von Dienstag handelt es sich im Unterschied zu manchen früheren Aktualisierungen bereits um eine finale Stiko-Empfehlung. Die Dreimonatsfrist wird der neue Standard.
Ältere und vorerkrankte Menschen sollen laut Stiko wegen ihres höheren Covid-19-Risikos die Spritze bevorzugt erhalten. Die beiden mRNA-Impfstoffe, die zum Boostern verwendet werden, seien »hinsichtlich ihrer Wirksamkeit völlig gleichwertig«.
Aktuelle Daten deuteten auf einen verringerten Impfschutz hin
Die Omikron-Variante des Coronavirus hat sich durch Mutationen im Vergleich zur Alpha- oder Delta-Variante stark verändert. Sie gilt als Immunflucht-Variante. Antikörper von Geimpften und Genesenen sprechen darauf schlechter an. Eine Boosterimpfung erhöht den Antikörperspiegel wieder. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schätzte den Schutz vor einer Omikron-Infektion mit Symptomen bei geboosterten Menschen auf 70 bis 80 Prozent. Er hatte früh darauf gedrungen, dass die Frist für die Auffrischungsimpfung rasch verkürzt wird. Die Stiko bewertet das nun auch so.
Neben Lauterbach hatten mehrere Experten bereits gefordert, den Boosterabstand zu verkürzen. »Mit Blick auf Omikron sind zwei Dosen noch keine abgeschlossene Impfung mit ausreichendem Schutz«, hatte etwa der Biontech-Chef Uğur Şahin im Interview mit dem SPIEGEL gesagt . »Wenn sich Omikron, wie es aussieht, weiter ausbreitet, wäre es wissenschaftlich sinnvoll, bereits nach drei Monaten einen Booster anzubieten.« Auch der Leiter der Virologie an der Charité, Christian Drosten, sprach sich für einen kürzeren Abstand zwischen Zweit- und Drittimpfung aus. Die Europäische Arzneimittelbehörde Ema hatte dies kürzlich bereits für möglich erklärt.
Aktuelle Daten deuteten auf einen deutlich verringerten Impfschutz nach der Grundimmunisierung gegen die Omikron-Variante hin, erklärte die Stiko. Dieser nehme nach drei bis vier Monaten signifikant ab. Nach einer Auffrischimpfung steige die Schutzwirkung vor symptomatischer Infektion mit der Omikron-Variante jedoch wieder deutlich an. Es sei derzeit davon auszugehen, dass auch der Schutz vor schweren Verläufen zunehme. Zur Dauer des Schutzes könne man derzeit noch nichts sagen.
Das RKI schätzt das Risiko für zweifach Geimpfte und Genesene seit Montag wegen Omikron als hoch ein. Für Ungeimpfte bleibt es demnach »sehr hoch«. Für Menschen mit Auffrischimpfung sprach das Institut von moderatem Risiko. Wissenschaftler haben Omikron-Ansteckungen auch schon bei Menschen dokumentiert, die bereits eine Auffrischimpfung erhalten hatten.
Berlin ging schon vor der Entscheidung voran
In Berlin konnte man bereits seit Montag seine Coronaimpfung nach drei Monaten auffrischen lassen. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sagte dem »Tagesspiegel«, online und ab Dienstagabend in der Hotline könnten »Termine zum Boostern nach drei Monaten gebucht werden«. »Wir befinden uns in einer sehr kritischen Phase vor einer Omikron-Welle, wo jede Boosterimpfung zählt«, schrieb sie außerdem auf Twitter. Es ergebe keinen Sinn, boosterwillige Menschen zurückzuschicken.
Zudem kommen immer mehr Kliniken wieder an ihre Belastungsgrenze. In Berlin liegt in mehr als jedem fünften Intensivbett ein Covid-19-Patient, Operationen werden verschoben.
Experten befürchten eine Ausbreitung der mutierten Omikron-Variante innerhalb weniger Wochen . Fachleute betonten allerdings, dass Boostern allein gegen die stark mutierte Omikron-Variante nicht ausreichen dürfte. »Eine massive Ausweitung der Boosterkampagne kann die Dynamik verlangsamen und damit das Ausmaß mindern, aber nicht verhindern«, hieß es etwa in einer Stellungnahme des neuen Expertenrats der Bundesregierung, dem auch Stiko-Chef Thomas Mertens angehört. Laut mathematischen Modellen könnten eine Überlastung des Gesundheitssystems und die Einschränkung der kritischen Infrastruktur nur »zusammen mit starken Kontaktreduktionen eingedämmt werden«. Ähnlich äußerte sich am Dienstag auch das Robert Koch-Institut.
Als wenig sinnvoll hatten Immunologen hingegen das Boostern bei immungesunden Menschen nach noch kürzerer Zeit beurteilt, etwa nach vier Wochen. Der Booster wirke dann viel schlechter, weil bestimmte immunologische Prozesse noch nicht abgeschlossen seien.