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TRANSPLANTATIONEN »Das ist ein Experiment«

Der Plastische Chirurg Christoph Höhnke, 50, über die von ihm mitgeleitete 15-stündige Operation, bei der Ärzte am Münchner Klinikum rechts der Isar weltweit erstmals einem Patienten beide Arme verpflanzten
aus DER SPIEGEL 32/2008

SPIEGEL: Was spürt der Patient bisher?

Höhnke: In seinen Armen gar nichts.

SPIEGEL: Sie sind für ihn im Moment noch leblose Fleischklumpen am Körper?

Höhnke: Er kann sie nicht aktiv bewegen, und er fühlt sie nicht, nicht einmal ihr Gewicht. Denn wir haben sie an einem Seilzug aufgehängt, damit nicht zu viel Belastung auf die Knochenverbindung und auf das Schultergelenk kommt.

SPIEGEL: Trotzdem geht es dem Patienten gut?

Höhnke: Er fühlt sich wieder vollständiger. Schön war der Moment, als seine Frau sofort ihre Hände auf die seinen legte.

SPIEGEL: Wann wird er erste Botschaften aus den neuen Armen bekommen?

Höhnke: Das ist noch ein langer Weg. Die Nerven regenerieren sich mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Millimeter pro Tag. In einem Monat können wir durch Beklopfen der Nerven eventuell erste Zeichen sehen. Für den Patienten wird das aber eher so sein, wie wenn man sich am Musikantenknochen stößt. Wahrscheinlich wird er dann irgendwann zuerst den Bizeps anspannen und den Arm beugen können.

SPIEGEL: Lassen sich die Nerven im Transplantat wieder beleben?

Höhnke: Nein. Sie weisen nur den aus dem Stumpf einwachsenden Nerven den Weg. Die von oben kommenden Nerven wachsen langsam in die angenähten Nerven im Transplantat ein.

SPIEGEL: Wann werden die neuen Nerven in den Fingern ankommen?

Höhnke: Die Spenderarme sind relativ lang. Bei einem Millimeter pro Tag werden bestimmt anderthalb Jahre vergehen.

SPIEGEL: Wird der Patient mehr können als mit einer guten Prothese?

Höhnke: Wir haben die Operation nur gemacht, weil der Patient mit zwei Prothesen nicht zurechtkam. Aber im Idealfall wird selbst Feinmotorik möglich sein.

SPIEGEL: Ist er stabil genug, um die lange Zeit zu überstehen, in der das Gefühl langsam in Arme und Finger kriecht?

Höhnke: Wir hätten ihn sonst nicht transplantiert. Wir haben ihn vorher psychologisch getestet. So wie ich seine Persönlichkeit einschätze, wird sich seine Hilfsbedürftigkeit in Grenzen halten.

SPIEGEL: Die Operation erforderte ein 40-köpfiges Team, die Vorbereitungen dauerten Jahre. Viel Aufwand ...

Höhnke: ... der auch nötig ist. Bisher wurden Hände transplantiert, dann Unterarme. Nun haben wir gleich zwei Arme gewagt. Das ist ein chirurgisches Experiment.

SPIEGEL: Was ist, wenn das Ganze den Patienten doch überfordert?

Höhnke: Wir würden die Arme wieder abnehmen. Dazu könnte es im Übrigen auch kommen, wenn es eine schwere Abstoßungsreaktion oder eine Infektion gibt. Das Leben geht vor.

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