

Elementarteilchen Keine Angst vor Himbeeren
Liebe Leserin, lieber Leser,
für einen geplanten Artikel führte ich vergangene Woche ein längeres Gespräch mit einem interessanten Mann: dem Toxikologen Carsten Schleh. Was er mir am Telefon berichtete, bestätigte einen lange gehegten Verdacht: Wir machen uns manchmal übertriebene Sorgen.
Schleh ist Autor eines Buches mit den Namen »Vorsicht, da steckt Gift drin!«. Er befasste sich in den vergangenen Jahren intensiv mit Schadstoffen, die uns im Alltag bedrohen. Die Gefahren durch Weichmacher, Schwermetalle oder Flammschutzmittel, mit denen sich unlängst auch das Umweltbundesamt in einem Studienprojekt befasste, will er ganz sicher nicht verharmlosen. Aber der Wissenschaftler warnt auch vor Alarmismus. Viele Medienberichte und Verlautbarungen der Gesundheitslobby würden Gefahren massiv übertreiben – und damit Ängste verbreiten, die oft genug ins Irrationale abdrifteten.
Giftiger Atem nach dem Abendbrot?
Kürzlich meldete sich etwa ein besorgter Bürger bei Schleh und fragte, ob der Atem von Menschen, die kein Biobrot äßen, mit Glyphosat verseucht sei. Das Pflanzenschutzmittel gilt als möglicherweise krebserregend und ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Berichterstattung über einen mutmaßlichen Schadstoff verselbstständigen kann.
Forscher verfügen heute über deutlich feinere Analysemethoden als früher. Deswegen lässt sich Glyphosat in sehr vielen Lebensmitteln aufspüren, bei deren Produktion Getreide nötig war. Doch der bloße Nachweis eines Schadstoffs sagt noch nichts über die Gefahr aus, die von ihm in der ermittelten Menge ausgeht; manchmal handelt sich nur um wenige Milliardstelgramm.
Sorge um den Gerstensaft
»Die Dosis macht das Gift«, sagt Schleh, der sich als Bayer unter anderem über Berichte zum Glyphosatgehalt im Bier ärgert. Das Bundesinstitut für Risikobewertung – immer eine gute Adresse, um sich abzuregen – hält für Liebhaber von Gerstensaft aufschlussreiche Informationen bereit. Schleh will die Gefahren durch Pils, Helles und andere Biere aber nicht kleinreden. Es stecke eine Zutat darin, die einer der gefährlichsten Schadstoffe überhaupt sei: Alkohol.
Gefahren, die von natürlichen Inhaltsstoffen ausgehen, werden tendenziell eher unter- als überschätzt. Eines der schönsten Beispiele ist eine köstliche Frucht, auf die ich mich im Jahreslauf immer besonders freue: die Himbeere. Sie enthält Aldehyde, Ketone und Säuren in einem Ausmaß, das ihr eine Zulassung nach geltendem Lebensmittelrecht vermutlich sehr erschweren würde.
Herzlich
Ihr Guido Kleinhubbert

Himbeeren: Gefährliche Frucht?
Foto: Richard T. Nowitz / Getty ImagesAußerdem empfehle ich Ihnen:
Energiewende: Neue Technologien für die Stromrevolution
Killerpilz bedroht Lurchi: Forscher drängen auf strenge Schutzmaßnahmen für den Feuersalamander
Luftfahrt: Wird Boeings neues Flugzeug nicht zugelassen?
Fleischliebhaber aufgepasst! Mit Fake-Steaks die Welt retten
Klima: So könnte Indien der Hitzehölle entkommen
Sportmedizin: Mehr Leistung dank Echtzeit-Gewebezuckermessung
Ein Hauch von Sex: Wie Erregung die Atemluft verändert
Bild der Woche

Noel Celis / AFP
Der Raum sieht aus wie die Installation eines modernen Künstlers, dient in Wahrheit aber der Kalibrierung autonom fahrender Taxis. Die Fahrzeuge werden mittels der Pixelzeichen auf den Einsatz in Chinas Hauptstadt Peking vorbereitet. Ob das klappt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Zur Sicherheit wird zunächst ein Mitarbeiter des Taxidienstes Apollo Go an Bord bleiben, um im Notfall eingreifen zu können. Bis 2030 möchte der Anbieter seinen Service in 100 chinesischen Städten anbieten.