Der Freitag war der sogenannte »Jugendtag« in Glasgow. Knapp 20.000 Menschen gehen an diesem Tag auf die Straße für den Klimaschutz. Organisiert von der Bewegung »Fridays for Future«.
Leonie Bremer ist seit zwei Jahren eines der Gesichter der deutschen Delegation von Fridays for Future. Die 24-jährige Klimaschutzaktivistin bereitet am Morgen Plakate für die Demo vor.
Bremer betreut Aktivistinnen vornehmlich aus Lateinamerika, zu siebt machen sich die jungen Frauen auf den Weg; sie hat einen großen Tag vor sich.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland
»Aber ich bin eher gestresst, weil wir zu spät sind wie immer…«
Wie viel Organisation und Vorbereitung ein Mega-Streik zur Halbzeit einer Weltklimakonferenz im Hintergrund braucht, bleibt oftmals unbeachtet. Wie Leonie Bremer, sind Aktivistinnen aus aller Welt heute in Glasgow im Einsatz.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland
»Und für uns bedeutet das aber, dass wir Sicherheitskonzepte haben, eine gute Orga haben, dass wir die ganzen Leute finden, die Reden halten zum Beispiel, weil der Streik halt groß wird und es schwierig ist, dann einfach mal eben durchzusagen: Hey, jetzt ist die und die Person dran. Das heißt, es muss alles gut koordiniert sein, wo die Leute sind, dass die Leute wissen, wann sie dran sind.«
Gute Orga lässt gerade zu wünschen übrig.
Der Bus kommt und kommt nicht – zahlreiche Fahrten fallen einfach aus. Die Zeit wird knapp. Eine Lösung muss her.
Für die gute Sache wird ein Auge zugedrückt, in Ermangelung von E-Taxis darf es diesmal ein Verbrenner sein. Schließlich geht es den Aktivistinnen um das große Ganze.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland
»Wir streiken, weil keine Nation einen Plan hat. Wir streiken, weil wir das 26. Mal zu einer COP müssen, zu einer Weltklimakonferenz müssen, weil Leute in Machtpositionen halt es nicht auf die Reihe kriegen, ihren Job zu erledigen.«
Beim Stichwort Klimagerechtigkeit liegt der Fokus auf dieser Demo vor allem auf den sogenannten MAPA, den Most Affected People and Areas. Bremer ist in der Koordination für einige aus dieser Gruppe zuständig.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland:
»Mein Ziel ist es, dass ich alle Presseanfragen, so gut es geht, an betroffene Leute von der Klimakrise weitergebe.«
Die Stimme der MAPA wurde bislang kaum beachtet, das ist in diesem Jahr immerhin anders. Ein Fortschritt auf einer Uno-Weltklimakonferenz, deren sonstige Fortschritte bislang eher mau waren.
Endlich startet der Demozug, mit Verspätung. Während Tausende Menschen um sie herum ihre Forderungen und Parolen skandieren, tippt Bremer einmal mehr in ihrem Handy – die Arbeit ruft, ständig.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland
»Ich bin ja hier, um mit den Leuten zu protestieren. Ich habe mein Schild dabei und genauso werde ich natürlich auch gleich Parolen rufen. Also das mache ich genauso, nur halt im Hintergrund muss ich halt vieles mit koordinieren. Aber sonst gäbe es ja auch gar nicht den Streik, dass die Leute wirklich auf die Straße gehen können.«
Abseits des Organisierens gibt es dann doch eine Möglichkeit, mal das Plakat in die Luft zu recken, aber der Einsatz als Demonstrantin bleibt kurz, denn es läuft noch immer nicht alles rund, zum Beispiel:
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland:
»Dass nicht alle Leute da sind, wo sie sein müssen. Dass nicht alle Leute wissen, zu wem sie sprechen müssen zu welchen Situationen. Aber an sich ist auf jeden Fall alles gut. Und die Hauptsache ist, dass hier alle Leute sind und wir protestieren und streiken.«
So geht es auch unterwegs immer am Handy weiter. Dabei hilft, dass Bremer sich nicht im lautesten Abschnitt des Protestmarsches bewegt.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland:
»Ich bin froh, dass ich hier bin, wo es ein bisschen entspannter ist. Vorne sieht es anders aus.«
Erstmals sind auf einem europäischen Klimagipfel die Menschen in vorderster Reihe, die wirklich unmittelbar von dem Klimawandel betroffen sind, so wie Bremers Mitbewohnerinnen in Glasgow.
Adriana Calderon Hernandez, Klimaaktivistin aus Mexiko
»Es ist toll. Ich habe so viele Leute aus Lateinamerika kennengelernt. Es ist das erste Mal, dass wir alle zusammen sind. Es ist also wirklich schön. In Europa gibt es eine so solide Umweltbewegung wie Fridays for Future, aber in Lateinamerika gibt es so etwas nicht. Wir versuchen so etwas jetzt auch zu erreichen.«
Adriani da Silva Maffioletti, Klimaaktivistin aus Brasilien
»Es fühlt sich an, als wären wir die wahren Weltführer. Wir sind die wahre Führung, weil die globalen Führungskräfte nicht wissen, wovon sie sprechen. Sie wissen, dass sie glauben, über Klimakrise zu sprechen, aber sie wissen nicht einmal, was das bedeutet.«
Sofia Gutiérrez, Klimaaktivistin aus Kolumbien
»Wir haben keine Jahreszeiten, wir haben drei Monate Dürre und dann regnet es drei Monate. Häuser wie meins sind ständig überflutet. Wenn man in einer prekären Nachbarschaft von Bogotá wohnt, verliert man sein Zuhause.«
Für Bremer wird es wieder hektisch. Denn die Zeit pressiert, und schon bald werden die Sprecherinnen aus den betroffenen Gebieten auf der Bühne erwartet.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland:
»Wir brauchen Precious, Laura und… Gabriella. Kannst du gehen und sie holen?«
Die Mit-Aktivistinnen werden dort sprechen, wo auch die Gründerin der Bewegung auftritt: Greta Thunberg. Die Mission für mehr Sichtbarkeit ist erfolgreich erfüllt.
Leonie Bremer, Fridays for Future Deutschland:
»Für mich war es auf jeden Fall sehr anstrengend, aber auch weil die Tage davor oder die Wochen davor – also wirklich seit drei Monaten – einfach sehr anstrengend war. Und es ist überwältigend, allein dieser Sound hier, das zu hören. Aber für mich persönlich freue ich mich auch auf etwas Pause.«
Doch die Pause lässt dann noch etwas auf sich warten. Das nächste Filmteam steht bereit: Ein prominenter Fernsehmoderator, Arzt und Klimaerklärer diskutiert kurz mit Leonie Bremer vor den Kameras. Das mediale Tempo wird bis zum Schluss der Weltklimakonferenz kaum nachlassen.