Geplante Öl- und Gasprojekte weltweit 195 »Kohlenstoffbomben« bedrohen das Weltklima

Die derzeit geplante Öl- und Gasförderung für die kommenden Jahre könnte das 1,5-Grad-Ziel kippen. Konzerne wie Gazprom, Saudi Aramco oder BP investieren Milliarden Dollar in die klimaschädlichen Rohstoffe – trotz aller Warnungen.
Foto: David McNew / Getty Images

Nach 26 Uno-Klimagipfeln und sechs Weltklimaberichten  ist den Regierungen weltweit eigentlich klar, was getan werden muss: Eine schnelle Abkehr von fossilen Energien wie Öl, Gas und Kohle. Wird die Verbrennung dieser Rohstoffe nicht gestoppt, könnte die Erderwärmung irreversible Folgen für Menschen und Ökosysteme haben.

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Diese Botschaft ist aber anscheinend nicht bei den weltweit führenden Öl- und Gaskonzernen angekommen . Sie planen eine massive Ausweitung ihrer Geschäfte: Allein in den nächsten sieben Jahren sollen Förderprojekte starten, die rund 192 Milliarden Barrel der klimaschädlichen Rohstoffe aus dem Boden holen sollen. Das entspräche umgerechnet rund 97 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente und damit so viel wie China nach heutigem Stand innerhalb eines Jahrzehnts ausstößt, heißt es in einer Recherche des britischen »Guardian« .

Ölspeicher in Kalifornien

Ölspeicher in Kalifornien

Foto: David McNew / Getty Images

Längerfristig könnten diese Projekte sogar bis zu 646 Milliarden Tonnen CO₂ produzieren. Das ist mehr als das noch verfügbare weltweite CO₂-Budget , was noch bleibt, um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten. Zum Vergleich: Derzeit geben alle Staaten der Welt rund 37 Milliarden CO₂ pro Jahr in die Atmosphäre ab.

Die Journalisten haben mithilfe von Datenbanken, Studien und Geschäftsberichten alle zugänglichen Informationen zu neuen Öl- und Gasprojekten gesammelt. Sie werteten die Vorhaben von 887 Unternehmen aus. Demnach planen diese Firmen rund 195 neue »Kohlenstoffbomben«. So werden Förderprojekte von Öl und Gas genannt, die während ihrer gesamten Lebensdauer mindestens eine Milliarde Tonnen CO₂ verursachen. Rund 60 Prozent der Bohrungen haben bereits begonnen, für eine Mehrheit gebe es auch schon endgültige finanzielle Zusagen. Laut den Recherchen geben die größten Öl- und Gaskonzerne für die Erschließung der Rohstoffe rund 103 Millionen US-Dollar pro Tag bis 2030 aus.

Die Autorinnen betonen, dass es dabei nicht nur um Unternehmen aus dem Nahen Osten oder Russland geht. Auch Konzerne aus den USA, Kanada und Australien gehörten zu den Ländern mit riesigen Expansionsplänen. Zwei Drittel der kurzfristigen Öl- und Gasprojekte befinden sich laut der Recherche im Nahen Osten, in Russland und Nordamerika.

Die Liste der Unternehmen mit den größten Förderplänen führt Quatar Energy an, gefolgt von Gazprom, Saudi Aramco, ExxonMobil und dem brasilianischen Ölgiganten Petrobras. Auf Platz neun und zehn stehen der niederländische Konzern Shell und die britische BP. Sieben dieser Top-Ten-Unternehmen nutzen für ihre Förderung zudem umstrittene Technologien wie Fracking, Bohrungen in der Tiefsee und in der Arktis sowie die Ausbeutung von Ölsanden.

»Die meisten Öl- und Gasunternehmen machen einfach weiter wie bisher«, sagte Nils Bartsch von Urgewald, der die Journalisten bei der »Guardian«-Recherche unterstützte. »Manchen ist es einfach egal. Einige sehen sich nicht in der Verantwortung, weil Regierungen auf der ganzen Welt sie weitermachen lassen. Gleichzeitig sind die Regierungen natürlich auch oft von der Industrie beeinflusst.«

Die Macht der Ölkonzerne zeigt sich auch an der Börse: Am Mittwochabend überholte der saudische Konzern Saudi Aramco den Technologiekonzern Apple als das wertvollste Unternehmen der Welt. Die teilstaatliche saudi-arabische Gesellschaft, die als größtes Öl-produzierendes Unternehmen der Welt gilt, wurde auf der Grundlage des Aktienkurses bei Börsenschluss am Mittwoch mit 2,3 Billionen Euro bewertet.

sug
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