All jenen Männern, deren Augen keine weibliche Rundung und keine schlanke Fessel entgehen, mag vertraut vorkommen, was ein neurologisches Forschungslabor der State University of New York meldet: Männliche Königskrabben ("Limulus polyphemus") beachten ihre Umgebung kaum, aber noch unter ungünstigsten Sichtbedingungen nehmen sie weibliche Tiere wahr und stellen ihnen nach. Mit einer raffinierten Versuchsanordnung fanden die Neurologen Robert Barlow und seine Kollegen eine Erklärung für die ungewöhnliche Zielsicherheit der Tiere. Sie entwickelten eine virtuelle Netzhaut, die nach der physiologischen Netzhaut der Gliedertiere entwickelt worden war, und montierten sie in einer Videokamera auf den Rücken einer männlichen Königskrabbe, mit dem gleichen Blickfeld, den auch das Tier hatte. Dann zogen die Forscher, wie sie in den »Proceedings of the National Academy of Sciences« berichten, Objekte mit unterschiedlicher Größe und Form bald langsam, bald schnell an der Königskrabbe vorbei. Nur bei Objekten, die in Größe und Form einem Weibchen entsprachen und auch mit deren Fortbewegungsgeschwindigkeit gezogen wurden, krabbelte das männliche Tier los - in Richtung des vermeintlichen Sexualpartners. »Die Netzhaut« so schließt Barlow, »ist ein kleiner Computer«, und der sage dem Gehirn, welche Information besondere Aufmerksamkeit verdiene.
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Artikel 81 / 122
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