Forschungsbetrug Guter Rat
Böse Ahnungen überfielen Tony Barrett schon bei der ersten Lektüre der Forschungsergebnisse. »Das ist viel zu schön, um wahr zu sein«, argwöhnte der Chemiker vom Londoner Imperial College.
Allzu sensationell erschien ihm die Entdeckung eines Bonner Chemiker-Teams. Mit Magnetfeldern, so hatten die Forscher im Fachblatt Angewandte Chemie verkündet, ließe sich der Verlauf bestimmter chemischer Reaktionen steuern. Selbst die Evolution des Lebens, so deuteten flinke Experten die Ergebnisse, werde demnach vom Magnetfeld der Erde dirigiert. Als »wichtigste Erfindung seit der Entdeckung des Kohlenstoffatoms« bejubelten Kollegen die Forschertat.
Barretts Skepsis erwies sich als berechtigt. Kleinlaut mußte der Chef der Bonner Chemikertruppe, Professor Eberhard Breitmaier, jetzt unredliche Manipulationen bei den Experimenten eingestehen. Ein Doktorand hatte ihn hinters Licht geführt. »Furchtbar, ganz schrecklich«, stöhnt der Chef; der Übeltäter wurde gefeuert.
Zuhauf wurden in den letzten Jahren Wissenschaftler auch andernorts des Betrugs überführt. Verbissen müht sich seither die Forscherlobby, die Legende vom selbstlosen, nur der wissenschaftlichen Wahrheit verpflichteten Elfenbeintürmler zu verteidigen.
Genau 99,9999 Prozent aller wissenschaftlichen Veröffentlichungen, beteuerte Daniel Koshland, Herausgeber des renommierten US-Fachblatts Science, seien »akkurat und vertrauenswürdig«.
Manches spricht dagegen. Auf jeden entdeckten Forschungsbetrug, so schätzen die beiden amerikanischen »Fraudbuster« (Betrugsjäger) William Broad und Nicholas Wade, kämen rund hundert unentdeckte Fälle. Alarmierendes förderte auch eine Befragung der American Association for the Advancement of Science zutage: 27 Prozent der befragten Wissenschaftler gaben an, in den vergangenen zehn Jahren Betrug, Fälschung oder Plagiat bei den Kollegen bemerkt zu haben.
Wissenschaft habe sich in diesem Jahrhundert, so resümiert der Wissenschaftshistoriker Federico Di Trocchio, »von einer Berufung in einen Beruf verwandelt«. Die Verflechtung von Wissenschaft und Wirtschaft sichert den Spitzenforschern ehedem ungeahnte Saläre. Früher habe niemand geglaubt, so sinniert der US-Forscher Frank Solomo, daß man als Biologe reich werden könne; »doch heute«, spottet er, »bin ich der einzige Biologie-Professor, der keinen Saab fährt«.
Publish or perish - veröffentliche oder stirb - lautet das Gesetz des Erfolges. Die erbarmungslose Konkurrenz um Posten, Aufstiegschancen und knappe Forschungsetats, so erklärt Di Trocchio, ließ so manchen Wissenschaftler zum Plagiator oder, schlimmer noch, zum Fälscher werden.
Am häufigsten entlarvt werden - kein Zufall - Betrüger, die sich mit sensationellen Forschertaten brüsteten. 1988 verurteilte US-Bundesrichter Frank Kaufman den Psychologen Stephen Breuning zu 60 Tagen Haft auf Bewährung, 11 352 Dollar Schadensersatz, 250 Stunden sozialem Arbeitsdienst und fünf Jahren Berufsverbot.
Breuning hatte mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen eine Änderung der Behandlung geistig behinderter Kinder durchgesetzt. Seine Experimente belegten lückenlos die günstige Wirkung aufputschender Psychopharmaka. Leider waren die Erfolgsberichte fast ausnahmslos frei erfunden.
Als tragisch dagegen gilt unter Wissenschaftlern der Fall des Nobelpreisträgers David Baltimore. Der trat 1991 als Präsident der Rockefeller University zurück, nachdem ihm der amerikanische Geheimdienst Datenfälschungen einer Mitarbeiterin nachgewiesen hatte. Zuvor hatte Baltimore gutgläubig versucht, seine Mitarbeiterin zu decken.
Auch dem Bonner Nachwuchschemiker wurde zum Verhängnis, daß die Resultate seiner Versuche in der Fachwelt großes Aufsehen erregten: Erfolglos versuchten rund 20 Forscherteams, seine Experimente zu wiederholen. Erst da fiel Verdacht auf den Trickser.
Guten Rat hätte der Aufschneider bei älteren Kollegen bekommen können: Betrug lohne, so die listige Anweisung des US-Chemikers Al Meyers, »bei so unwichtigen Experimenten, daß niemand Lust hat, sie zu wiederholen«. Y