Neue Studie der EU-Kommission Rückhaltegebiete sind der beste Schutz bei Überschwemmungen

Sogenanntes Abschlussbauwerk eines Hochwasserrückhaltebeckens in Thüringen
Foto: Martin Schutt / dpaDurch die Ahr-Flut wurden ganze Regionen verwüstet, etliche Menschenleben und noch mehr Zuhause vernichtet. Der emotionale Schaden ist kaum zu beziffern, in den Wiederaufbau fließt viel Geld. Eine EU-Studie zeigt nun, dass Rückhaltegebiete die kostengünstigste Methode sind, um mögliche künftige Schäden durch Hochwasser von Flüssen zu reduzieren.
In der Europäischen Union und Großbritannien könnten die Hochwasserschäden bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf geschätzt rund 44 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen, schreiben die Forscherinnen und Forscher mit Blick auf den Klimawandel. Rückhaltegebiete könnten diesen Betrag auf etwa 8,1 Milliarden Euro senken, wie das Team um Francesco Dottori vom Joint Research Center der EU-Kommission am Standort Ispra in Italien berechnete. Die Zahl der von Überschwemmungen betroffenen Menschen sei dann um etwa 80 Prozent geringer als ohne den Hochwasserschutz. Die Untersuchung wurde im Fachmagazin »Nature« veröffentlicht.
Hohe Kosten durch Überflutungen
Unter Rückhaltegebieten verstehen die Forschenden Flächen oder auch Becken im oder am Flusslauf, in die bei stark steigenden Pegelständen Wasser kontrolliert abgeleitet und in denen Wasser zeitweise gelagert werden kann.
Die Expertinnen und Experten gingen bei der Berechnung von einem globalen Temperaturanstieg um drei Grad Celsius bis 2100 aus. Dieser Fall könnte Klimaforschern zufolge eintreten, wenn der Klimaschutz nicht deutlich verstärkt wird. Für Deutschland errechneten sie im Schnitt 383 Millionen Euro an benötigten jährlichen Ausgaben von 2020 bis 2100 für die Rückhaltegebiete. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis betrage dabei rund eins zu vier Euro.
Derzeit verursachen Flussfluten in der EU und Großbritannien laut der Analyse bereits jährlich geschätzt 7,6 Milliarden Euro an Schäden. Ungefähr 166.000 Menschen seien ihnen pro Jahr ausgesetzt.
Die übrigen Schutzmaßnahmen wie Deichbau, flutsichere Gebäude und Umsiedlung wären nach Einschätzung der Forscherinnen und Forscher auf die Gesamtheit der Länder gesehen weniger kosteneffizient. Deiche seien zwar wirtschaftlich, hätten aber Nachteile für Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie, wenn man umfangreich auf diese Methode setze. Flutsichere Gebäude lohnten sich aus Kostensicht eher punktuell, aber nicht großflächig. Umsiedlungen seien zu kostspielig, weil neues Land gekauft, alte Häuser abgerissen und neue gebaut werden müssten.
Die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland verwies auf Flussauen als ökologischen Hochwasserschutz. »Durch die Wiederherstellung von Flussauen verbessert man den Wasserrückhalt in der Fläche, indem dem Fluss mehr Raum gegeben wird«, sagte die WWF-Referentin für Internationale Wasserressourcen, Theresa Schiller. Ein solcher Hochwasserschutz wirke sich vorteilhaft auf den Landschaftswasserhaushalt aus, was wegen zunehmender Dürren an Bedeutung gewinne.
Die Experten um Dottori verwiesen darauf, dass ihre Ergebnisse in der Praxis nur eingeschränkt gültig sein könnten. Vor Ort dürfte eine Kombination aus mehreren Flut-Schutzstrategien angepasst an die lokalen Bedingungen ihnen zufolge die besten Resultate erzielen. Auch hätten sie hauptsächlich den monetären Nutzen der verschiedenen Maßnahmen mit eingerechnet, ohne gesellschaftliche, wirtschaftliche oder kulturelle Aspekte zu berücksichtigen.