Überschwemmungen in Kalifornien Angst vor dem ARkStorm

Überschwemmungen in Merced, Kalifornien: Der ausgetrocknete Boden kann die Fluten nicht zurückhalten
Foto: Noah Berger / APMindestens 17 Menschen sind gestorben, ein Fünfjähriger wird noch vermisst, er wurde von den Wassermassen mitgerissen: Heftige Stürme und Regenfälle haben in Kalifornien für Sturzfluten und Erdrutsche gesorgt. Straßen sind überflutet, Bäume umgerissen. Etwa 150.000 Haushalte waren zeitweise ohne Strom.
Behörden ordneten die Evakuierung mehrerer Ortschaften an, darunter die Kleinstadt Montecito. In dem Ort rund 90 Autominuten nördlich von Los Angeles an der Pazifikküste wohnen viele Prominente, darunter Prinz Harry und seine Frau Meghan Markle, die Talkshowlegende Oprah Winfrey und die Schauspielerin Jennifer Aniston. »Brechen Sie jetzt auf!«, forderte die Feuerwehr die Einwohner von Montecito auf. »Dies ist eine sich schnell entwickelnde Situation. Bitte achten Sie genau auf Katastrophenwarnungen.«
Platz für den »Ananas-Express«
An regenreiche Winterwinde sind die Kalifornier gewöhnt. Verantwortlich dafür sind breite Ströme wasserschwerer Luft, die Tausende Meilen weit über den Pazifik ziehen. Weil die Stürme ihre Wasserlast oftmals in der Nähe von Hawaii aufsaugen, werden sie von den Kaliforniern »Ananas-Express« genannt.
Die Einheimischen haben eine Art Hassliebe zu den Unwettern entwickelt. Weihnachten herrscht oftmals Schmuddelwetter im Norden Kaliforniens. Die Regenstürme bringen jedoch auch 30 bis 50 Prozent des ersehnten jährlichen Niederschlags – in nur wenigen Tagen.
Das Problem in diesem Jahr begann indes nicht mit zu viel Wasser, sondern im Gegenteil mit zu wenig.
Kalifornien leidet seit mehr als zwei Jahrzehnten unter einer anhaltenden Dürre, die ausgedehnte Wald- und Buschbrände begünstigt. Wo die Vegetation durch Feuer vernichtet wurde, können heftige Regenfälle kaum im Boden versickern – was wiederum Erdrutsche begünstigt.
Seen in der Wüste
Und in den kommenden Jahren könnten die Regenfälle noch schlimmer werden. Schon lange rechnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einem ARkStorm , die Abkürzung für Atmospheric River kilo Storm.
Laut diesem Szenario geraten Regenstürme derart in Schwung, dass sie wie ein gewaltiger Feuerwehrschlauch fantastisch anmutende Wassermengen von Westen nach Osten über den Pazifik transportieren. Nur etwa anderthalb Kilometer über dem Meer rasen die Wolken heran. Sobald sie mit einer Gebirgskette kollidieren und die warme Luft nach oben gedrückt wird, entlädt sich ein tagelanger Sturzregen.
Sedimentproben belegen, dass in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder gewaltige Winterstürme vom Pazifik heranzogen und die amerikanische Westküste fluteten.
Inzwischen wissen Forscher, dass »atmosphärische Flüsse« ein fester Bestandteil des irdischen Klimasystems sind. Die Strömungsbänder bauen sich nördlich und südlich des Äquators auf und transportieren warme und feuchte Luft aus den Tropen in subtropische und gemäßigte Breiten, wo sie ihre Wasserlast an den Westküsten der Kontinente abladen.
Historische Aufzeichnungen belegen die Macht der »atmosphärischen Flüsse«. Das Jahrhundertunwetter des Winters 1861/1862 schreckt die Wissenschaft besonders. Für 45 Tage zogen schwere Regenwolken über das Land. In der Mojave-Wüste und im Becken von Los Angeles bildeten sich Seen. Fast an der gesamten nordamerikanischen Westküste, von British Columbia bis hinunter nach Mexiko, wüteten die Stürme.
In einer Studie vom August sprechen Forschende vom ARkStorm als einem Überschwemmungsszenario aus der Ära des Klimawandels. »Der Klimawandel erhöht sowohl die Häufigkeit als auch das Ausmaß von extremen Sturmfolgen, die Megaflutereignisse in Kalifornien verursachen können«, heißt es darin. Schon jetzt habe die Wahrscheinlichkeit für über wochenlang anhaltende schwere Niederschläge zugenommen. Selbst ein kleiner Anstieg der globalen Temperaturen könnte den Prozess weiter beschleunigen.
Ex-Moderatorin Ellen DeGeneres veröffentlichte im Onlinedienst Twitter ein Video von den aktuellen Überschwemmungen, zu sehen ist ein reißender Strom. »Das ist verrückt«, sagte sie. Der Bach neben ihrem Haus fließe sonst nie. »Wir müssen netter zur Natur sein«, mahnt DeGeneres.
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Textes hieß es, Montecito liege südlich von Los Angeles, tatsächlich liegt es nördlich. Wir haben den Fehler korrigiert.