Studie aus Harvard Klimakatastrophe vor 252 Millionen Jahren schob die Evolution der Reptilien an

Rekonstruktion früher Reptilien im Trias-Erdzeitalter: Rutiodon (vorn) und Fabrosaurus
Foto: De Agostini / Getty ImagesDie Erderwärmung bedroht das menschliche Leben auf dem Planeten – aber hier ist ein tröstlicher Gedanke: Ein Aussterben der menschlichen Spezies könnte anderen Tierarten eine neue Chance bieten. In einer Welt, die nicht vom Menschen unterjocht wird, könnten andere sich entwickeln und zur dominanten Spezies werden: vielleicht Spinnen, Vögel oder Amöben.
Solch eine Umwälzung der (Macht-)Verhältnisse auf der Erde hat wohl auch vor 252 Millionen Jahren ihren Anfang genommen. Damals spuckten Vulkane immer mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre – mit verheerenden Folgen für das Weltklima. Die Ozeane versauerten, und im Zeitraum von einigen Zehntausend Jahren brachen fast alle Ökosysteme zusammen: Es kam zu einem Massenaussterben, etwa 86 Prozent der Tierarten der Welt wurden ausgelöscht (75 Prozent an Land, 96 Prozent im Meer).
Die Klimaapokalypse markiert das Ende des Erdzeitalters Perm, danach, in der Trias, dauerte es Millionen von Jahren, bis sich die Welt einigermaßen erholt und abgekühlt hatte. Bis dahin war die Erde heiß und trocken, Staubstürme verdüsterten tagelang die Sonne. Eine öde Welt. Davon profitierten unter anderem Reptilien, Vorfahren der Dinosaurier der späteren Kreidezeit.
Bisher war man davon ausgegangen, dass ihre daraufhin explodierende Diversität eine Reaktion auf das Sterben anderer Arten war – mehr Lebensräume, also mehr Ausbreitung, mehr Vielfalt. Doch eine Studie der Universität Harvard deutet darauf hin, dass es auch die klimatischen Bedingungen waren, die Entwicklung der Reptilien begünstigten: Was die einen Arten ausrottete, gab den anderen womöglich einen Evolutionsschub.
Tiago Simões, Evolutionsbiologe von der Harvard University, vermaß und scannte für die in der Zeitschrift »Science Advances« veröffentlichte Studie 1000 Reptilienfossilien in 50 Forschungseinrichtungen in 20 Ländern, alle zwischen 294 Millionen und 237 Millionen Jahren alt. Die Studie beobachtete also die Evolution von Reptilien über einen Zeitraum von 57 Millionen Jahren vor, während und nach dem Massensterben am Ende des Perm.
Je schneller der Klimawandel, desto schneller die Diversifizierung
Die Veränderungen der Form und Größe von Körper und Köpfen der Reptilien verglichen die Forscher mit bereits existierenden Daten über die Temperatur der Meeresoberflächen, untersucht in einer Studie von 2021 . Und siehe da: Je schneller der Klimawandel voranschritt, desto schneller entwickelten sich die Reptilien.
Nach der ursprünglichen These, dass die Reptilien einfach die Nischen der anderen Tierarten füllten, hätte die schnellste Diversifizierung der Reptilien am Übergang vom Perm zur Trias stattfinden müssen, direkt nach dem Massensterben. Doch nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler war das erst mehrere Millionen Jahre später der Fall, in der Trias, als der Klimawandel am schnellsten war und die globalen Temperaturen vernichtend heiß waren. Während dieser Zeit stiegen die Oberflächentemperaturen der Ozeane auf 40 Grad Celsius an, ungefähr die Temperatur eines Whirlpools.
Vorteil für kleine Arten: der Liliput-Effekt
Kleinere Tierarten waren dabei besser dran als große. Aufgrund ihres größeren Verhältnisses von Oberfläche zu Körper können Reptilien mit kleinem Körper Wärme besser mit ihrer Umgebung austauschen, bleiben also relativ kühler als größere Tiere. »Die kleineren Reptilien wurden im Grunde gezwungen, gleich zu bleiben, während den großen Reptilien in der gleichen Zeit über die natürliche Selektion gesagt wurde: Du musst dich sofort ändern, oder du wirst aussterben«, sagte Simões gegenüber der Website »Sciencenews« .
Dieses als Liliput-Effekt bezeichnete Phänomen wurde bereits bei Meeresorganismen nachgewiesen. »Aber es ist das erste Mal, dass es in dieser kritischen Phase der Erdgeschichte bei Wirbeltieren mit Gliedmaßen quantifiziert wurde«, sagt Simões. So hat die Studie außerdem dazu beigetragen, den Evolutionsstammbaum von Reptilien und ihren Vorfahren zu verfeinern.
Die Studie sieht der Wissenschaftler übrigens vor allem als Ergänzung zu bisherigen Erkenntnissen. Dass die Existenz ökologischer Nischen nach dem Massensterben am Ende des Perm gar keine Rolle in der Evolution der Reptilienarten gespielt habe, würde er nicht behaupten wollen. Simões vermutet, dass beides zusammenwirkte, Nischen und Klimaschwankungen: »Ohne beides wäre der Verlauf der Evolution in der Trias und der Aufstieg der Reptilien zur globalen Dominanz in terrestrischen Ökosystemen ganz anders verlaufen.«