Klimaschutz vor Gericht Schweizer Seniorinnen ziehen mit Klimaklage vor Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Kann ein Staat Menschenrechte verletzen, wenn er nicht genügend gegen den Klimawandel tut? Mit dieser Frage befasst sich jetzt erstmals der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Umweltrechtler hoffen auf ein Grundsatzurteil.
Mitglieder der KlimaSeniorinnen vor einer öffentlichen Anhörung vor der Großen Kammer des EGMR

Mitglieder der KlimaSeniorinnen vor einer öffentlichen Anhörung vor der Großen Kammer des EGMR

Foto: Jean-Christophe Bott / dpa

Durch ihr Alter bedrohe der Klimawandel sie besonders, sagt eine Gruppe Schweizer Seniorinnen. Daraus leitet sich eine Grundsatzfrage ab: Kann ein Staat Menschenrechte verletzen, wenn er nicht genügend gegen den Klimawandel tut?

Mit dieser Frage hat sich erstmals der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befasst. Hintergrund sind Klagen aus der Schweiz, aus Frankreich und Portugal. Mit einem Urteil ist indes frühestens im Herbst, wahrscheinlicher wohl aber erst im kommenden Jahr zu rechnen.

In diesem Sommer werden drei Klagen vor dem EGMR verhandelt, die sich mit der Verantwortung für den Klimawandel beschäftigen. Den Anfang machten am Mittwoch die Klimaseniorinnen, ein Zusammenschluss von Schweizer Rentnerinnen, initiiert und unterstützt von Greenpeace. »Das Spezielle an uns ist, dass wir die einzige Gruppe alter Aktivistinnen sind«, sagte die 73-jährige Rosmarie Wydler-Wälti der dpa.

Die Seniorinnen argumentieren, dass sie durch ihr Alter besonders durch den Klimawandel gefährdet sind, beispielsweise wegen extremer Hitzewellen. Ebenfalls am Mittwoch wurde auch der Fall eines französischen Bürgermeisters verhandelt, der für die Einhaltung der Pariser Klimaziele klagt. Später im Sommer gehen außerdem portugiesische Jugendliche gegen 33 Mitgliedstaaten des Europarats vor.

»Der EGMR hat sich zwar zuvor schon mit Umweltemissionen – Lärm oder Luftverschmutzung – auseinandergesetzt, aber noch nie mit den CO₂-Emissionen eines Landes«, sagte die Völkerrechtlerin Birgit Peters von der Universität Trier. Deswegen wird das Verfahren zur Klage der Klimaseniorinnen mit besonderer Spannung erwartet. »Es bestehen Anzeichen dafür, dass das Gericht die Beschwerde der Klimaseniorinnen zum Anlass nehmen wird, um einheitliche Grundsätze für alle drei ähnlich gelagerten Fälle auszuarbeiten«, sagte der Umweltrechtler Johannes Reich von der Universität Zürich.

Ausgang nicht absehbar

Gerade weil umweltrechtliche Fragen bisher keine große Rolle vor dem EGMR gespielt haben, ist eine Vorhersage sehr schwierig. »Das Spektrum der möglichen Entscheidungen, die das Gericht treffen kann, ist daher weitgespannt: Es reicht von der Unzulässigkeit der Klage bis hin zu detaillierten gerichtlichen Vorgaben für die schweizerische Klimapolitik«, sagte Reich.

Sollten die Klimaseniorinnen gewinnen, würde das zunächst nur die Schweiz binden. Aber: Der EGMR mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat gehören die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Spräche sich dieses supranationale Gericht nun etwa für strengere Vorgaben beim Klimaschutz aus, hätte das große Signalwirkung.

ani/dpa
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