AUTOMOBILE Lohnt allemal
Mark Zeltser ist gebürtiger Russe, amerikanischer Staatsbürger und offenbar ein begnadeter Pianist - ein »absoluter Meister«, wie die Kritiker meinen.
Doch der Meister beeindruckt nicht nur an den 88 Tasten: Zeltser handelt mit deutschen Autos, und er kommt auch dabei gut zurecht.
In Berlin war er drauf gekommen, wo er zu den Festwochen 1982 mit Beethoven auftrat. Damals hatte er zum erstenmal von den enormen Gewinnen gehört, die deutsche Autofirmen in den USA machten.
Das gab dem Pianisten zu denken. Zurück in New York, setzte er sich mit seinem Bruder Emanuel zusammen und rechnete nach.
Die beiden Brüder studierten Zollbestimmungen, schrieben Briefe an europäische Autofirmen und Händler, verglichen Preise und stellten schließlich einen Katalog zusammen. Der enthielt europäische Autotypen mit 800 Ausstattungsvarianten, die bei den Zeltsers weit billiger als im üblichen Autohandel zu haben sein sollten.
Emanuel und Mark gründeten die Firma EMar, die inzwischen prächtig gedeiht. Monat für Monat versenden 16 Angestellte rund 3000 Kataloge, deren Verkaufspreis von je 34,70 Dollar ausreicht, Miete, Personal-, Druck- und Werbungskosten zu decken.
Gewinn machen die Brüder mit der eigentlichen Ware, den Autos aus Europa. Sie schlagen 2,7 Prozent auf den Endpreis jedes Luxuswagens drauf, den sie in die Vereinigten Staaten bringen, verzollen und nach den US-Bestimmungen umrüsten lassen.
Die Zeltsers, die sich selbst nicht als Autohändler, sondern nur als Vermittler sehen, sind nicht die einzigen, die auf dem grauen Automarkt gut verdienen. Rund 200 US-Firmen, nicht selten Ein-Mann-Betriebe, nutzen die steigende Nachfrage nach europäischen Prestigeautos aus. Am etablierten Händlernetz vorbei gelangen immer mehr Lamborghini und Mercedes, Ferrari, BMW und Rolls-Royce ins Land - im vergangenen Jahr für rund 500 Millionen Dollar.
Noch 1980 wurden etwa 1500 Autos in Europa gekauft und auf dem grauen Markt abgesetzt. Im vergangenen Jahr waren es bereits 36 000 Wagen. Allein im Januar dieses Jahres registrierte der US-Zoll 5000 graue Importe.
Vor allem deutsche Wagen sind bei den Amerikanern beliebt. Allein Mercedes und BMW machen drei Viertel der grauen Importe aus.
Preisunterschiede zwischen Europa und den USA gab es schon immer. Mit dem Kursanstieg des Dollar wurden sie jedoch in den vergangenen Jahren immer größer.
Die Vertretungen europäischer Autofabrikanten in den USA nämlich geben den Währungsvorteil - sie bekommen mehr D-Mark für ihre erlösten Dollar - nicht an die Kunden weiter, die grauen Importe jedoch werden billiger, je stärker der Dollar steigt.
Der Mercedes 190 E, der in der Bundesrepublik für umgerechnet (Dollarkurs 3,30 Mark) 8039 Dollar zu haben ist, wird in den USA für 22 850 Dollar verkauft. Beim 500 SEC ergibt sich eine Differenz von 32 501 Dollar. So kommt ein Amerikaner, der sich beim Europabesuch ein für den europäischen Markt zugelassenes Auto kauft oder es durch einen grauen Importeur beschaffen läßt, trotz Transportkosten, Zollgebühren und Umrüstung derzeit gut zurecht.
Die Fracht kostet knapp 2000 Dollar, die amerikanischen Zöllner berechnen etwa 1500 Dollar für den 500er. Dazu kommen noch einmal gut 5000 Dollar für Umbauten am Motor, für andere Stoßstangen, neue Tachos und Stahlrohre in den Seitentüren sowie Gebühren für die Abgastests. Alles in allem zahlt der Kunde für seinen 500er rund 20 000 Dollar weniger.
Die Vertragshändler der europäischen Hersteller beobachten die Aktivitäten auf dem grauen Markt seit langem mit Argwohn. Die Vereinigung der Mercedes-Händler forderte vor einiger Zeit ihre Mitglieder auf, »Reparatur und Wartung an nicht-autorisierten« Autos zu verweigern.
Wer einen importierten Wagen auf dem grauen Markt kauft, so möchten die autorisierten Händler den Amerikanern klarmachen, gehe ein Risiko ein. »Das sind alles kleine Zeitbomben«, sagt Mercedes-Sprecher Arnold B. Shuman, »mit denen die Besitzer über kurz oder lang Schwierigkeiten haben werden.« Gehe etwas schief, dann könnten sie das kaum dem Importeur anlasten.
Der nämlich ist ja nur mit einem Teil des Geschäfts, dem Import, befaßt. Die Umrüstung auf amerikanische Normen führen dann irgendwelche Werkstätten durch, und da tummelten sich - wie die »Autoweek« herausfand - »eine ganze Menge Leute, die sich nicht an die Regeln halten«.
So würden in manchen Werkstätten viele Teile wieder ausgebaut, sobald das Auto erfolgreich durch das Testlabor geschleust ist. Arbeits- und Prüfdokumente würden gefälscht. Vom US-Zoll wurden vergangenes Jahr insgesamt 500 Autos beschlagnahmt, die nicht den Abgasvorschriften entsprachen oder aber gestohlen waren.
Um ihren Kunden möglichen Ärger wegen der fehlenden Werksgarantie zu ersparen, hatten die grauen Importeure bislang mit der American Warranty Corporation zusammengearbeitet: Sie schlossen für die Käufer eine Art Wartungsversicherung ab, die mechanische Fehler bis zu einem Reparaturwert von 4000 Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren oder 80 000 Kilometern abdeckte.
Doch seit vergangenem Monat ist das Geschäft schwieriger: Die American Warranty spielt nicht mehr mit - sie habe, so die Versicherung, das Vertrauen in die Qualität der Umrüstarbeiten verloren.