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Analyse Macht Einsamkeit alt?

Neue Studien zeigen einen ­Zusammenhang zwischen sozialen Kontakten und dem biologischen Alterungsprozess.
aus DER SPIEGEL 40/2022

Wie wichtig soziale Kontakte für das psychische Wohlbefinden der meisten Menschen sind, wurde vielen durch den Shutdown in der ersten Phase der Pandemie so richtig bewusst. Dass Einsamkeit uns wahrscheinlich sogar schneller altern lässt, dürfte dagegen weniger bekannt sein. Der Einfluss seelischer ­Faktoren auf den Alterungsprozess wurde lange unterschätzt. Doch inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Studien, die ­zeigen: Auch die Psyche hat erheblichen Einfluss auf unser biologisches Alter, da­rauf, wie alt wir wirklich sind. So zeigt eine aktuelle chinesische Studie, in der das biologische Alter unter anderem mithilfe von 16 Biomarkern im Blut sowie 7 biometrischen Parametern bestimmt wurde, dass bei Menschen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung Raucher waren, das biologische Alter im Vergleich um 1,25 Jahre höher lag. Eine schlechte psychische Verfassung – in die unter anderem Einsamkeit, Schlafstörungen, Hoffnungslosigkeit, Ängste und depressive Gefühle einflossen – wirkte sich schlimmer aus, sie machte um 1,65 Jahre älter.

Dass negativer Stress in einigen Fällen vorzeitig altern lässt, weiß man schon länger. 2017 beispielsweise erschien in der ­renommierten Fachzeitschrift »Nature« eine Studie, deren Ergebnisse darauf hindeuten, dass sich bei Soldaten, die im Kampf ein schweres Trauma erlebt haben und nun an einer posttrau­matischen Belastungsstörung leiden, die sogenannten Telomere an den Chromosomenenden schneller als normal verkürzen.

Je kürzer die Telomere sind, desto höher ist das biologische ­Alter. Andererseits lieferte die aktuelle chinesische Studie auch Hinweise darauf, dass soziale Kontakte möglicherweise vor ­vorzeitiger ­Alterung schützen können. Dabei spielt wahrscheinlich auch die Verbindung zwischen Psyche und Immunsystem eine wichtige Rolle. Wenn das Immunsystem altert, ein Prozess der auch ­Immunoseneszenz genannt wird, kommt es häufiger zu ­Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Krebs. Eine ­Anfang August veröffentlichte Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss, ein positives soziales Umfeld stehe »mit einer ange­messenen ­Immunität und einer längeren Lebensspanne in Verbindung«.

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