Aschaffenburg Sechsjährige kämpft gegen tödliche Masern

Mediziner warnen vor den Folgen der Impfmüdigkeit, insbesondere bei Masern. Eine Infektion kann tödlich enden, wie der Fall einer Sechsjährigen in Aschaffenburg zeigt. Das Mädchen leidet unter einer unheilbaren Gehirnentzündung. Ärzte fürchten, dass die Patientin bald sterben könnte.
Impfung: Unterschätztes Risiko einer Maserninfektion

Impfung: Unterschätztes Risiko einer Maserninfektion

Foto: DPA

Aschaffenburg/München - Es war eine Infektion mit schwerwiegenden Folgen: Im Alter von sieben Monaten steckte sich ein Mädchen bei einem Erwachsenen mit Masern an. Jetzt, fünf Jahre später, hat sich bei ihr eine chronische und unheilbare Gehirnentzündung entwickelt. Wie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte am Montag in München mitteilte, ringt die Patientin in einem Krankenhaus in Aschaffenburg mit dem Tod.

Der Fall ist auch deshalb so tragisch, weil im Alter von sieben Monaten noch keine Impfung möglich ist. Der Verlauf lasse vermuten, dass die Häufigkeit von tödlichen Masern-Spätfolgen deutlich größer sei als bisher vom Berliner Robert Koch-Institut (RKI) angenommen, sagte Verbandssprecher Sean Monks. Statt eines Risikos von 1:5000 bestehe wohl ein Risiko in der Größenordnung 1:100 bis 1:200. Diese Schätzung beziehe sich allerdings allein auf Infektionen aus dem Jahr 2006. 2011 hätten sich bundesweit 159 Säuglinge mit Masern angesteckt.

Neben dem Mädchen in Aschaffenburg gebe es derzeit ein weiteres Kind, das nach einer Ansteckung im Jahr 2006 an der Gehirnentzündung SSPE (Subakute Sklerosierende Panenzephalitis) leide. Ein drittes 2006 an Masern erkranktes Kind sei bereits 2007 daran gestorben. Laut dem Kinderärzteverband wurden dem Berliner Robert Koch-Institut für 2006 bundesweit 313 Kinder gemeldet, die sich im ersten Lebensjahr mit Masern ansteckten.

Erwachsene sollen eigenen Impfschutz prüfen

Da Säuglinge entsprechend der Impfstoff-Zulassungen erst ab elf Monaten gegen Masern geimpft werden dürfen, appelliert der Ärzteverband an Erwachsene, die nach 1970 geboren sind, ihren Impfschutz aufzufrischen. Denn die Zahl der Masern-Erkrankungen bei Erwachsenen habe sich im Vergleich zum Vorjahr drastisch erhöht: Bundesweit sind dem Verband zufolge 2011 bisher 1571 Erwachsene an Masern erkrankt, 623 waren es im Vorjahr. Laut Monks erkrankten bundesweit in diesem Jahr bereits 159 Säuglinge an Masern. Wer sich nicht sicher sei, ob er ausreichend gegen die Krankheit geschützt sei, solle jeden Kontakt zu Säuglingen vermeiden, so Monks.

Die chronische und bisher nicht heilbare SSPE kann den Angaben zufolge fünf bis acht Jahre nach einer Masern-Erkrankung ausbrechen. Das Risiko hierfür sei offenbar besonders hoch, wenn Kinder bereits im ersten Lebensjahr mit Masern-Viren in Kontakt kämen. Erwachsene hätten dagegen ein sehr, sehr geringes Risiko, an SSPE zu erkranken, sagte Monks. Von 2005 bis 2010 starben 27 Menschen daran.

Dass die Masern immer häufiger auftreten, hängt auch mit der zunehmenden Impfmüdigkeit zusammen. Ein Drittel aller Eltern in Deutschland hat Vorbehalte gegen Kinderimpfungen, wie jüngst eine Studie ergeben hatte. Weit verbreitet ist die weitestgehend unbegründete Angst vor Nebenwirkungen.

Ausrottung gescheitert

Um Viruserkrankungen - so wie einst die Pocken - auszurotten, müssten 95 Prozent der Bevölkerung gegen den Erreger immunisiert sein. In Nord- und Südamerika etwa, wo die Impfraten vergleichsweise hoch sind, sind nach WHO-Angaben seit acht Jahren keine Masern mehr aufgetreten.

Nach Angaben des RKI und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden in Deutschland nur etwa 80 Prozent der Kleinkinder geimpft. Dabei war es das ursprüngliche Ziel der WHO, in Europa die Masern bis 2010 ausgerottet zu haben. Doch der Plan ist gescheitert. In vielen der 53 Länder der WHO-Europa-Region ist die Impfrate nicht annähernd hoch genug, um die hochansteckende Krankheit zu eliminieren.

Vor allem drei Gründe macht die WHO dafür aus: Zum einen mangelt es an geschultem Personal, das Impfungen durchführen könne. Zum anderen müssten Impfstoffe gekühlt werden, was in vielen Ländern ein Problem ist. Und schließlich würden viele Menschen die Krankheit verharmlosen - dabei kommt es bei rund einem Viertel der Erkrankten zu Komplikationen. Meistens handelt es sich zwar nur um Durchfall oder behandelbare Entzündungen. Doch auch gefährliche Entzündungen der Hirnhaut oder des Gehirns können auftreten. Nach WHO-Angaben sterben weltweit täglich rund 450 Menschen, meist Kinder unter fünf Jahren, an Masern. In Nordrhein-Westfalen kam es Anfang 2009 zu einer Masern-Epidemie, bei der zwei Kinder starben.

hda/dapd
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