BGH-Beschluss Ärzte dürfen Geschenke von Pharmafirmen annehmen

Mediziner (Symbolbild): Kassenärzte machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar
Foto: CorbisKarlsruhe - Kann der Bestechungsparagraf 299 des Strafgesetzbuchs auf Ärzte angewendet werden? Nein, sagt jetzt der Bundesgerichtshof (BGH): Kassenärzte, die für die Verordnung von Arzneimitteln Geschenke von Pharmaunternehmen entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar. Das hat der Große Senat für Strafsachen des BGH in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden. Der niedergelassene Arzt handele weder als "Amtsträger" noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen, hieß es zur Begründung (Az. GSSt 2/11).
Auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten Vorteile gewähren, seien entsprechend nicht wegen Korruptionsdelikten strafbar, entschied der BGH. Die Grundsatzentscheidung war im Gesundheitswesen seit Monaten mit Spannung erwartet worden.
Seit Jahren ist es rechtlich umstritten, ob der Bestechungsparagraf 299 des Strafgesetzbuchs auf Ärzte anwendbar ist. Bestochen werden kann demnach nur ein "Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes". Und Angestellte sind freiberufliche Vertragsärzte nun mal nicht.
Dennoch kamen Gerichte, allen voran das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig, wiederholt zu dem Schluss, dass Ärzte, zumindest wenn sie Arzneimittel verordnen, als "Beauftragte" der Krankenkassen tätig werden. Diesen Auftrag begründeten der Richter mit dem sogenannten Sachleistungsanspruch der gesetzlich Versicherten gegenüber der Krankenkasse. Um diesen Anspruch durchzusetzen, brauchen die Patienten aber eine ärztliche Verordnung. Mit dem Rezeptblock, so folgert das OLG, löse der Arzt daher einen Kaufvertrag zwischen Kasse und Apotheke aus. Der BGH hat nun klargestellt, dass er das anders sieht.
Pharmavertreter zahlte 18.000 Euro
Im konkreten Fall hatte eine Pharmareferentin Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 Euro übergeben. Sie war zunächst wegen "Bestechung im geschäftlichen Verkehr" zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Grundlage der Zahlungen war ein als "Verordnungsmanagement" bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des Unternehmens fünf Prozent des Abgabepreises erhalten sollten. Laut BGH steht nun offiziell fest: Dieses Vorgehen war keine Korruption.
Gegen das BGH-Urteil wird bereits Kritik laut. Die SPD-Fraktion will nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen, nachdem in punkto Korruption die gleichen Regeln für alle Ärzte gelten sollen, die Kassenpatienten behandeln, egal ob in Praxis oder Krankenhaus.
Die Bundesregierung solle sich bemühen, eine stärkere Sanktionierung von Korruptionshandlungen im Strafgesetzbuch festzuschreiben. Dazu zählen etwa Fangprämien an Ärzte als Gegenleistung für Krankenhauseinweisungen, Falschabrechnungen oder Schmiergeldzahlungen an Ärzte. Außerdem plädieren die Sozialdemokraten dafür, spezielle Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Ermittlungsgruppen bei der Kriminalpolizei einzurichten, die gezielt Fehlverhalten im Gesundheitssystem verfolgen sollen.
Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Patientenrechte bei den Grünen, appelliert an den Gesetzgeber zu überprüfen, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichen, um Bestechlichkeit von Ärzten zu verhindern. "Es darf nicht sein, dass einzelne Ärzte aus Profitinteressen bestimmte Leistungen verordnen, die medizinisch nicht sinnvoll sind."
Bei der Bundesärztekammer hingegen ist man mit der Entscheidung des BGH mehr als zufrieden. "Der Bundesgerichtshof betont in seinem Urteil zu Recht, dass der freiberuflich tätige Kassenarzt weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde ist", sagte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer.
Erst auf dem 115. Deutschen Ärztetag im Mai in Nürnberg hatte sich Montgomery vehement gegen eine weitere Verrechtlichung des Arztberufes ausgesprochen und auf die Gefahren hingewiesen, die mit einer Degradierung von Ärztinnen und Ärzten zu Erfüllungsgehilfen und Beauftragten der Krankenkassen verbunden gewesen wären.
Der Große Senat für Strafsachen weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass ein Gericht nur das geltende Strafrecht auslegen könne. Es sei Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob er Korruption im Gesundheitswesen für strafwürdig hält und deshalb neue Straftatbestände schaffen will.
Im Gesundheitsministerium sieht man hierzu keinen Anlass, wie ein Sprecher gegenüber SPIEGEL ONLINE bestätigt. Für das Handeln eines Arztes gelte schließlich weitaus mehr als das Strafrecht. "Die Annahme von Geschenken und anderen Zuwendungen ist Ärzten bereits per Berufsrecht verboten. Ebenso verbietet das Sozialrecht die unzulässige Zusammenarbeit von Ärzten mit anderen Leistungserbringen."
Die übergroße Mehrheit der Ärzte halte sich außerdem an die berufsrechtlichen Gebote. Allerdings: Das Urteil sei ein Appel an Krankenkassen und Ärzteschaft, berufsrechtliche und sozialrechtliche Verfehlungen aufzudecken und zu ahnden.