
SPIEGEL


Flugsicherheit Luftüberwachung aus dem All

Liebe Leserin, lieber Leser,
nach zwei Horrorcrashs mit 346 Toten darf das Skandalflugzeug Boeing 737 Max in weiten Teilen der Welt wieder fliegen. Führende Luftfahrtbehörden halten die Maschine mit neuer Software nunmehr für ausreichend sicher. Doch ist sie das wirklich?
Wo auch immer einer dieser Jets unterwegs ist – den Kontrolleuren der FAA entgeht er nicht. Zweimal pro Sekunde schickt jede einzelne 737 Max pralle Datenpakete los. Nahezu in Echtzeit erhält die FAA Informationen zu Geschwindigkeit und Position, aber auch zum Zustand technischer Systeme und zu ungewöhnlichen Vorkommnissen. Jeden Tag bekommen die FAA-Aufseher automatisch Prüfberichte zu Wohl und Wehe jeder Max der Welt.
Möglich ist dies, weil die Maschinen wie alle modernen Flugzeuge mit einem ADS-B-Sender ausgerüstet sind, der üblicherweise eine Reihe von Parametern an Bodenstationen funkt. Einige dieser Daten werden auch angezeigt von Tracking-Apps wie Flightradar24. ADS-B soll die Grundlage sein für die Flugsicherung der Zukunft, die dann nicht mehr auf Radar basieren wird.
Die FAA hat nun einen Vertrag mit der US-Firma Aireon geschlossen, die ein Netzwerk von 66 »Iridium Next«-Satelliten nutzt. Mit ihrer Hilfe kann Aireon überall ADS-B-Daten von Flugzeugen einsammeln; auch dort, wo dies mangels Bodenstationen bisher unmöglich war, über den Ozeanen etwa, den Polen oder den großen Wüsten. Sollte eine 737 Max irgendwo in Not geraten, könnten FAA-Experten in New Jersey mit die Ersten sein, die das erfahren.

Zwischengeparkte Boeing 737 Max auf dem Flughafen Victorville in Kalifornien (im März 2019)
Foto: Mario Tama / AFPWie wichtig dieses System sein kann, zeigte sich bereits im März 2019: Erst die Daten, die Aireon zum Crash der äthiopischen 737 Max vorlegen konnte, haben die zunächst zögerliche FAA überzeugt, die Maschine stillzulegen. Der Service von Aireon kostet Geld – aber vielleicht könnte er die Sicherheit über den Wolken für alle modernen Flugzeuge erhöhen. Eine Frage ist bisher ungelöst: Wer soll dafür zahlen?
Bleiben Sie gesund!
Ihr Marco Evers
Abstract
Meine Leseempfehlungen dieser Woche:
Was taugen die Schnelltests aus dem Supermarkt? In Deutschland sind die ersten drei Corona-Schnelltests für Laien zugelassen. Wie sie geprüft werden – und was Anwender beachten müssen, beschreibt meine Kollegin Julia Köppe.
21,6 Millionen Menschen in Deutschland gehören zur Corona-Hochrisikogruppe: Laut Robert Koch-Institut gehört in Deutschland ein Viertel aller Menschen zur Hochrisikogruppe.
Der deutsche Wald stirbt: Den Wäldern in Deutschland geht es so schlecht wie nie. Ein neuer Zustandsbericht zeigt, dass nur ein Fünftel der Bäume eine intakte Krone hat, beschreibt mein Kollege Philipp Kollenbroich.
»Viele Mediziner verstehen selbst grundlegende Statistiken nicht«: Die Ablehnung des AstraZeneca-Impfstoffs ist groß, auch unter Ärzten – dabei sprechen die Daten für die Vakzine. Bildungsforscher Gigerenzer warnt seit Jahren, dass viele Mediziner zu wenig von Zahlen verstehen.
Quiz*
1. Der Aufschwung der Videokonferenzen während der Coronakrise beschäftigt jetzt auch die Wissenschaft. Psychologen, Mediziner und Pädagogen ergründen dabei beispielsweise das Phänomen der
a) »Zoom Fata Morgana«
b) »Zoom Euphoria«
c) »Zoom Dysmorphia«
2. Der neue Altersrekord bei der Sequenzierung von DNA liegt neuerdings bei über einer Million Jahre, das Erbgut stammt von
a) frühmenschlichen Fossilien aus Afrika
b) Mammuts aus Sibirien
c) einem Schlitzrüssler aus der Eifel
3. Australiens älteste, sicher datierte Felsmalerei ist über 17.000 Jahre alt, sie wurde datiert mithilfe von
a) Wespennestern
b) Kängurukot
c) einer mythischen Landkarte (»Song Line«)
*Die Antworten finden Sie ganz unten im Newsletter.
Bild der Woche

Ätna (am 16. Februar 2021)
Foto: Salvatore Allegra / APWie ein planetares Feuerwerk schossen in den letzten Tagen immer wieder viele Hundert Meter hohe Fontänen glühender Lava und Asche aus einem Krater des Ätna auf Sizilien, einem der aktivsten Vulkane der Welt. Chroniken erwähnten ihn schon vor 2500 Jahren. Immer wieder regnen nussgroße Tuffbröckchen (Lapilli) auf die Provinzhauptstadt Catania. Akute Gefahr besteht derzeit nicht, doch Geologen überwachen mit einem Messnetz die Südostflanke, die seit einer Weile in Richtung Meer abrutscht.
Fußnote
700 Millionen Jahre lang reiste ein Neutrino aus einer anderen Galaxie durchs All, bis es am 1. Oktober 2019 am Südpol vom Neutrinodetektor »Icecube« aufgefangen wurde. Das spukhafte Teilchen kam wahrscheinlich von einem Stern am Nordhimmel, der von einem Schwarzen Loch zerrissen wurde, berichten Himmelsforscher in der Fachzeitschrift »Nature Astronomy«. Der Ursprung des Neutrinos ließ sich so exakt ermitteln, weil zum passenden Zeitpunkt eine ungewöhnliche Helligkeitsveränderung registriert wurde, und zwar von einem zweiten Observatorium in Kalifornien.
Empfehlungen aus der Wissenschaft
Experten: Die falschen Propheten – welchen Virologen können wir trauen und welchen nicht?
Corona: Warum das Robert Koch-Institut auch nach einem Jahr Pandemie mit dem Zahlenchaos kämpft
Tiere: Straßenlärm schadet Vögeln und Insekten mehr als bisher bekannt
Umwelt: Öko-Klimaanlagen sollen helfen, die globale Erwärmung zu lindern
*Quizantworten
1c) »Zoom Dysmorphia« wird die Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen genannt, verstärkt durch die Konfrontation mit dem eigenen Gesicht bei Videokonferenzen. Das »Ärzteblatt« warnt: »Plastische Chirurgen auf der ganzen Welt berichten derzeit über einen Nachfrageboom«, einen sogenannten »Zoom Boom«.
2b) Paläogenetiker um den Schweden Love Dalén haben den Sequenzierrekord gebrochen mit DNA von Mammuts, die über eine Million Jahre alt ist, wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie diese Forschung auch beim Schutz bedrohter Tierarten helfen kann, mehr dazu im aktuellen SPIEGEL.
3a) Die Datierung gelang, weil einige der Schlammwespennester unter, einige über den Malereien lagen. Die Wespennester selbst lassen sich durch die Radiokarbonmethode datieren.