Bundestagsentscheidung zu PID Sieg der Vernunft
Die Entscheidung des Bundestags ist ein Sieg des gesunden Menschenverstands über das Dogma, das menschliche Leben beginne bereits in der Petrischale. Sie ist ein Sieg der Menschlichkeit über die Angstbilder vom "Designerbaby". Am Ende stimmten 326 von 594 Abgeordneten für die Präimplantationsdiagnostik - und damit gibt es jetzt (endlich!) auch in Deutschland ein Gesetz, das die PID in bestimmten Fällen erlaubt, etwa wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit besteht.
Das Gesetz wird keinen "Dammbruch" bedeuten, wie seine Gegner behaupten. Dafür ist es viel zu eng formuliert. Und Erfahrungen im Ausland zeigen, dass es tatsächlich jedes Jahr nur einige hundert Paare sind, die die PID in Anspruch nehmen - Paare, die in der Regel schon ein schwerbehindertes Kind haben und sich ein zweites nicht zutrauen.
Diese Paare müssen nicht mehr nach Belgien oder Spanien fahren, ihnen kann jetzt endlich auch in Deutschland geholfen werden. Zuvor war ihre Situation geradezu absurd: Sie durften zwar ein Kind auf natürlichem Wege zeugen, mit einer Fruchtwasseruntersuchung auf eine Behinderung testen und gegebenenfalls abtreiben lassen. Doch es war ihnen verboten, einen durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryo in einer Petrischale zu untersuchen, der dann eventuell einfach nicht eingepflanzt würde.
Auf den Widerspruch, dass ein Fötus im Mutterleib weniger geschützt ist als ein Zellklumpen, hatte bereits der Bundesgerichtshof 2010 hingewiesen und entschieden, die PID sei in Deutschland zulässig. Es spricht für den gesunden Menschenverstand der Mehrheit der Abgeordneten, dass sie diese Entscheidung heute nicht wieder rückgängig gemacht haben.
"Eltern nicht zwingen"
In der rund vierstündigen Debatte gab es zwar genügend Redner, die von der Menschenwürde "von Anfang an" sprachen ( Wolfgang Thierse, SPD), vor einer "genetischen Qualitätskontrolle" warnten ( Andrea Nahles, SPD), schlimmste Dammbrüche prophezeiten (Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Grüne) oder gar "brutale Konsequenzen" befürchteten ( Volker Kauder, CDU).
Am Ende jedoch ließ sich der größte Teil der 170 Abgeordneten, die bis kurz vor der Abstimmung unentschlossen waren, von den Stimmen der Vernunft überzeugen: Sie trauen den Eltern zu, sich verantwortlich für oder gegen PID zu entscheiden. "Ich möchte Eltern ermutigen, ein behindertes Kind zu bekommen, aber ich möchte sie nicht dazu zwingen", sagte etwa Karin Evers-Meyer (SPD), die selbst einen behinderten Sohn zur Welt brachte. "Ich möchte den Eltern Vertrauen entgegenbringen, aber nicht ein Gesetz."
Auf den Schultern der Eltern "lastet am Ende die Verantwortung", betonte auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen. Niemand werde sich leichtfertig für die PID entscheiden. CDU-Frau Katherina Reiche argumentierte: "Die PID dient ja gerade der Herbeiführung einer Schwangerschaft." Und SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: "Die Menschlichkeit zeigt sich nicht darin, wie viele behinderte Menschen wir in einer Gesellschaft haben, sondern wie wir mit ihnen umgehen."
Möglicherweise fühlten sich einige Abgeordnete auch abgeschreckt von der teils extremen Rhetorik mancher PID-Gegner. Sie hatten unter anderem vor dem Aussortieren "lebensunwerten Lebens" gesprochen - und werdende Eltern sowie Ärzte damit in die Nähe des berüchtigten Euthanasieprogramms der Nazis gerückt.
Es ist ein gutes Zeichen, dass sich die vernünftigen Stimmen mit einer deutlichen Mehrheit durchgesetzt haben. Denn die PID ist, wie CDU-Politiker Peter Hintze bereits auf dem jüngsten Parteitag sagte, einfach ein "Gebot der humanitären Vernunft".