Chronisches Erschöpfungssyndrom Erkrankte will Arzneistudie per Crowdfunding finanzieren

Ein Krebsmedikament könnte auch Menschen helfen, die am chronischen Erschöpfungssyndrom leiden, darauf deuten erste kleinere Studien hin. Doch für eine größere Untersuchung mangelt es an Geld. Eine Betroffene will das Problem nun lösen - per Crowdfunding.
Arzt und Patient (Archivbild): Was ist, wenn der Hersteller eine Studie nicht bezahlen will?

Arzt und Patient (Archivbild): Was ist, wenn der Hersteller eine Studie nicht bezahlen will?

Foto: Adam Berry/ Getty Images

Normalerweise haben klinische Studien, in denen einen Medikament getestet wird, kein Finanzierungsproblem. Pharmakonzerne, die es auf den Markt bringen wollen, bezahlen. Aber was passiert, wenn die Arznei längst als Mittel gegen eine andere Krankheit zugelassen ist und sich der Hersteller nicht für die Studie interessiert?

Eine norwegische Medizinerin will genau dieses Problem nun per Crowdfunding lösen. Ein sehr ungewöhnlicher Schritt in der medizinischen Forschung.

Maria Gjerpe leidet selbst an CFS, dem chronischen Erschöpfungssyndrom, das teilweise auch als Myalgische Enzephalomyelitis bezeichnet wird. Die Medizinerin hat bereits als Probandin an einer kleinen Studie teilgenommen, bei der das Krebsmedikament Rituximab getestet wurde. Gjerpe, die das Mittel und kein Placebo bekam, ging es daraufhin deutlich besser.

Sie wünscht sich eine größere Studie, die nötig ist, um den Nutzen des Medikaments klarer zu belegen - oder eventuell zu widerlegen, denn gute Ergebnisse aus kleineren Versuchen bestätigten sich nicht immer in größeren Studien.

Die Untersuchung leiten Ärzte der Haukeland-Universitätsklinik im norwegischen Bergen. Die Onkologen waren vor einigen Jahren durch Zufall darauf gestoßen, dass das Krebsmedikament bei CFS helfen könnte. Bei einer Krebspatientin, die auch an CFS litt, verschwanden viele Symptome des mysteriösen Leidens, das oft mit Schlafstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen und Konzentrationsstörungen einhergeht. Die Beschwerden können so stark sein, dass Betroffene kaum in der Lage sind, das Bett zu verlassen.

Hoffen nach den ersten Studien

In einer Pilotstudie sowie einem weiteren Versuch mit 30 Probanden bestätigte sich, dass Rituximab vielen Betroffenen zumindest für eine gewisse Zeitspanne hilft. Aber die Patientenzahl ist bisher zu klein, um einen breiten Einsatz des Mittels zu rechtfertigen.

An der nächsten Studie an der Universität Bergen sollen immerhin 140 Probanden teilnehmen. Wie Maria Gjerpe auf ihrer Webseite berichtet, kostet die Studie umgerechnet 1,4 Millionen Euro.

Pharmakonzern Roche, der das Krebsmedikament unter dem Namen MabThera vertreibt, teilte SPIEGEL ONLINE zwar nach Veröffentlichung der Studie 2011 mit, dass die Ergebnisse "grundsätzlich interessant" seien. Es hieß aber auch: "Derzeit haben wir keine Pläne, MabThera auf mögliche Anwendungen bei CFS in klinischen Studien zu prüfen."

Die norwegische Regierung finanziert nur einen Teil der geplanten Studie; die restlichen rund 930.000 Euro will Gjerpe bis zum 6. Juni per Crowdfunding beigesteuert haben. Rund 92.000 Euro sind bis Karfreitag bei ME and You  eingegangen. Die Spenden liegen zwischen zwei Kronen (umgerechnet 27 Cent) und 100.000 Kronen (13.350 Euro), berichtet die Medizinerin. Auf die Studie selbst können die Spender keinen Einfluss ausüben, denn deren genauer Ablauf steht bereits.

Im Gegensatz zu Projekten, die etwa auf Kickstarter präsentiert werden, gibt es keine Geld-zurück-Garantie. Nach Gjerpes Angaben fließen die Einnahmen, falls sie nicht für diese Studie reichen, in die Finanzierung kleinerer Studien mit CFS-Patienten am Haukeland-Hospital. Falls auch für diese Projekte nicht genug zusammenkommen sollte, würde das Geld zur Finanzierung einer anderen CFS-Studie beitragen, die man dann auswählen würde.

wbr
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