Virologe Drosten zu Studienvorwürfen "Es gibt auch bei Kindern sehr hohe Viruslasten"

Die "Bild"-Zeitung hatte eine Studie des Virologen Christian Drosten als "grob falsch" bezeichnet. Jetzt verteidigt der Covid-19-Experte die Analysen im NDR-Podcast - das Team habe bereits nachgearbeitet.
Virologe Drosten: "Vorsichtig sein mit eigenen Daten"

Virologe Drosten: "Vorsichtig sein mit eigenen Daten"

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Der Virologe Christian Drosten hat sich im NDR-Podcast  zu den Vorwürfen der "Bild"-Zeitung gegen ihn und seine statistischen Analysen über die Viruslast bei Kindern geäußert. "Die Aussage ist einfach klar", bekräftigte der Leiter der Virologie an der Berliner Charité jetzt, "es gibt auch bei Kindern sehr hohe Viruslasten."

Die "Bild"-Zeitung hatte am Montag massive Vorwürfe  gegen den Covid-19-Forscher erhoben: Es geht um eine Ende April vorab veröffentlichte Studie, derzufolge Kinder genauso ansteckend sein könnten wie Erwachsene. Die Ergebnisse trugen maßgeblich zu der Diskussion über die Wiedereröffnung von Kitas und Grundschulen bei.

"Vorsichtig sein mit eigenen Daten"

Die Untersuchung sei "grob falsch", so die "Bild"-Zeitung. Als Kronzeugen zitierte die Zeitung vier verschiedene Wissenschaftler, sie hatten die Veröffentlichung etwa bei Twitter aufgrund statistischer Methoden kritisiert. Das gehört zum normalen wissenschaftlichen Diskurs - zumal während der Coronakrise viele Untersuchungen nicht von unabhängigen Experten begutachtet, sondern als sogenannte Preprints veröffentlicht werden, damit Wissenschaftler rund um den Globus möglichst schnell an möglichst viele Daten kommen.

Drosten selbst hatte im NDR-Podcast dazu vor einigen Wochen gesagt: "Man muss da einfach mit den eigenen Daten wirklich sehr vorsichtig und sehr kritisch umgehen." Die in der "Bild"-Berichterstattung zitierten Wissenschaftler haben sich bereits öffentlich von der Darstellung distanziert, so auch im SPIEGEL.

In der Studie hatten Drosten und sein Team die Testergebnisse von zahlreichen Erkrankten ausgewertet und überprüft, ob sich die Viruskonzentrationen innerhalb verschiedener Altersgruppen unterscheiden. "Wir haben dafür relativ grobe statistische Methoden verwendet", sagte Drosten jetzt im Podcast. Diese Statistik könne man "vollkommen zu Recht" kritisieren, so der Forscher, denn mit besseren Statistiktools hätte man möglicherweise auch andere Unterschiede gefunden.

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Allerdings hätte das nach Drostens Einschätzung keine Konsequenz für die medizinische Bedeutung und die Interpretation der Daten gehabt. "Die Diskussion spielt sich lediglich auf einem Nebenschauplatz ab", sagte Drosten - und das sei vollkommen irreführend.

Er stellt folgenden Vergleich auf: Wenn man ein Gartenhäuschen aus Stein mauere und dann ein Maurermeister sage, man hätte aber eine bessere Kelle für schönere Fugen verwenden können, dann sei das durchaus berechtigt. Wenn dann aber jemand behaupte, dass da im Garten gar kein Haus stehe, weil der Maurermeister sich ja beschwert habe, dann sei man ungefähr bei dem, was gerade in der Öffentlichkeit passiere. "Aus diesem Grund haben sich auch die zitierten Wissenschaftler distanziert", sagte Drosten.

Statistische Verzerrung

Die Schlussfolgerung, dass Kinder genauso viel Virus im Rachen haben wie Erwachsene, sei aber durchaus gerechtfertigt. Nach der im wissenschaftlichen Diskurs durchaus erwünschten Kritik habe die Forschergruppe die Daten erneut überprüft. Dabei sei den Wissenschaftlern eine statistische Verzerrung aufgefallen: In der Frühphase der Pandemie seien vor allem Proben von Kindern analysiert worden, die zwar infiziert waren, aber kaum Symptome hatten. Bei ihnen ist die Viruslast im Rachen hoch. In der späteren Phase hingegen stammten die Abstriche von Kindern, die schwer erkrankt waren und in der Klinik behandelt wurden. In der letzteren Gruppe sei die Viruslast im Rachen bereits wieder gesunken.

"Wenn wir das separat analysieren", sagte Drosten, "dann ist es überdeutlich, dass die Kinder die gleiche Viruskonzentration haben wie die anderen Altersgruppen auch, da gibt es nichts dran zu kritisieren."

Ziel sei es nun, die Analysen zu überarbeiten und in einer hochwertigen - also auch von unabhängigen Wissenschaftlern überprüften - Studie zu publizieren. "Wir haben die Kritik gesammelt", sagte Drosten. Ein Statistiker etwa habe so fundiert Kritik geübt, dass er nun in das Team mit aufgenommen wurde und mit an dem Update arbeitet.

Drosten ist eines der bekanntesten Gesichter der Coronakrise, er galt von Beginn des Sars-CoV-2-Ausbruches an als einer der führenden Coronavirus-Experten weltweit. Drosten beschäftigt sich vor allem mit neu auftretenden Viren und sequenzierte mit seiner Forschergruppe das Genom des Sars-Virus, das die Pandemie im Jahr 2002 auslöste. Die Bekanntheit hat allerdings auch Nachteile für den Forscher: Aufgrund seiner Äußerungen erhielt Drosten bereits Morddrohungen.

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