Corona Ema empfiehlt Booster-Impfungen für Immungeschwächte

Die Packungsbeilagen der Impfstoffe von Biontech und Moderna werden bald einen neuen Punkt erhalten: Die Europäische Arzneimittelbehörde hält eine Booster-Impfung für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem für sinnvoll.
Fläschchen mit der Vakzine von Biontech/Pfizer

Fläschchen mit der Vakzine von Biontech/Pfizer

Foto: Robyn Beck / AFP

Bislang war der Impfstoff von Biontech/Pfizer nur für zwei Spritzen zugelassen, genau genommen: für zwei Spritzen, die im Abstand von mindestens drei Wochen einem Menschen im Alter von mindestens zwölf Jahren verabreicht werden. Jetzt kommt ein neues potenzielles Einsatzgebiet hinzu.

Wie die Europäische Arzneimittelbehörde Ema am Montag mitteilte, empfiehlt sie bei den beiden mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer sowie Moderna eine Auffrischimpfung für Menschen mit einem stark eingeschränkten Immunsystem. Die dritte Spritze sollte demnach mindestens vier Wochen nach der abgeschlossenen Impfung folgen. Studien zufolge erhöhe die Extradosis bei den Betroffenen die Chance, Antikörper gegen das Coronavirus zu bilden. Als Beispiel nannte die Behörde Menschen mit einer Organtransplantation.

Schon vor der offiziellen Zulassung für diesen Zweck hatten mehrere EU-Staaten damit begonnen, entsprechende Booster-Impfungen zu empfehlen, darunter auch Deutschland: Hierzulande rät die am Robert Koch-Institut ansässige Ständige Impfkommission (Stiko) ebenfalls, Menschen mit einer Immunschwäche eine weitere Dosis eines mRNA-Impfstoffs anzubieten.

Menschen mit normalem Immunsystem: Ebenfalls Auffrischung erwägen

Bei den Betroffenen reagiert der Körper in der Regel weniger ausgeprägt auf Impfungen. Aus diesem Grund sind sie nach einem normalen Impfschema mit zwei Spritzen auch weniger gut vor schweren Krankheitsverläufen geschützt als die Allgemeinbevölkerung, erklärt die Stiko die Empfehlung. Über Auffrischungsimpfungen für andere Bevölkerungsgruppen hat das Gremium noch nicht entschieden, hier werde noch die wissenschaftliche Datenlage aufgearbeitet, heißt es in einer Mitteilung von Ende September .

Auch die Ema unterscheidet in ihren Empfehlungen zwischen Menschen mit einem geschwächten und Menschen mit einem »normalen« Immunsystem. Wer über ein normales Immunsystem verfügt und mindestens 18 Jahre alt ist, sollte demnach frühestens sechs Monate nach der abgeschlossenen Impfung eine Auffrischung mit dem Mittel von Biontech/Pfizer erwägen. Basis für diese Entscheidung waren der Ema zufolge Daten, die auf einen Anstieg der Antikörper durch eine Auffrischimpfung hinweisen. Allerdings gebe es bislang nur begrenzte Sicherheitsdaten für die Extraspritze, erklärt die Behörde.

In diesem Fall sprach die Ema keine Empfehlung für konkrete Bevölkerungsgruppen aus. Diese Entscheidung liege bei den nationalen Behörden, heißt es in einer Mitteilung . Für Moderna werden entsprechende Daten für eine generelle Booster-Impfung aktuell noch geprüft.

Unabhängig von einer Stiko-Empfehlung und der Ema-Zulassung hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern bereits im Spätsommer beschlossen, besonders gefährdeten Menschen etwa in Pflegeeinrichtungen ab Anfang September eine Auffrischimpfung zu ermöglichen. Diese sollte frühestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie verabreicht werden.

Auch eine ethische Diskussion

Die Diskussionen über die Notwendigkeit von Booster-Impfungen sind nicht nur medizinisch geprägt. Es gibt auch ethische Bedenken, da der Zugang zu Coronaimpfstoffen noch immer nicht für ärmere Staaten gesichert ist. In Ländern mit einem niedrigen Einkommen haben bislang  weniger als drei Prozent der Bevölkerung mindestens eine Dosis Impfstoff erhalten. Weltweit sind es etwas mehr als 45 Prozent der Bevölkerung.

Dies zählt auch zu den Gründen, aus denen sich eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Mitte September gegen Booster-Impfungen für die Allgemeinbevölkerung ausgesprochen hat, zumindest in der jetzigen Phase der Pandemie. Die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe sei trotz der Verbreitung der Delta-Variante so hoch, dass Auffrischungsimpfungen für den Großteil der Menschheit momentan nicht angebracht seien, erklärten die Fachleute, darunter Expertinnen und Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der US-Arzneimittelbehörde FDA.

Ihrer Einschätzung nach reicht der Nutzen einer Auffrischung für die Allgemeinbevölkerung derzeit nicht aus. »Wenn die Impfstoffe dort eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen bringen, könnten sie das Ende der Pandemie beschleunigen, indem sie die weitere Entwicklung von Varianten verhindern«, erklärte WHO-Expertin Ana-Maria Henao-Restrepo.

Das bedeutet nicht, dass Auffrischungsimpfungen grundsätzlich überflüssig sind. Sie stimulieren das Immunsystem neu und verbessern die Immunantwort, das gilt vermutlich auch für die Coronaimpfstoffe. Unter bestimmten Umständen, etwa für besonders exponierte Gruppen wie medizinisches Personal, seien Auffrischungsimpfungen durchaus sinnvoll, schreiben auch die Forschenden.

Andere Fachleute halten Booster-Impfungen  vor allem für ältere Menschen für sinnvoll, da ihr Immunsystem häufig nicht mehr so stark reagiert und sie daher wahrscheinlich einen schlechteren Schutz vor Covid-19 aufbauen als jüngere Geimpfte. Hinzu kommt, dass das Risiko für schwere Coronaverläufe im hohen Alter besonders groß ist und Hochbetagte aufgrund ihres vergleichsweise erhöhten Risikos die Ersten waren, die in Deutschland immunisiert wurden – ihre Impfung ist oft schon mehr als ein halbes Jahr her.

irb
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