Infizierte Pelztiere Gefährden Mutationen bei Nerzen die Impfstoffsuche?

Mutationen des Coronavirus bei Pelztieren könnten die Entwicklung eines Impfstoffs gefährden, warnt die dänische Regierung. Millionen Zuchtnerze im Land sollen deshalb getötet werden. Wie groß ist die Gefahr?
Dänemark ist weltweit der größte Exporteur von Nerzfellen

Dänemark ist weltweit der größte Exporteur von Nerzfellen

Foto: Reporters / imago images

Die Warnung der dänischen Regierung, Mutationen des Coronavirus bei Nerzen könnten die Suche nach einem Impfstoff gefährden, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Denn sie trifft ausgerechnet in eine Zeit, in der viele Länder erneut Corona-Beschränkungen erlassen müssen  und die Sehnsucht nach einem Impfstoff wächst, der den Weg in einen Nach-Corona-Alltag ebnen könnte. Entsprechend groß ist die Verunsicherung.

Das Problem: Bisher hält sich die dänische Regierung mit weiteren Informationen bedeckt. Um welche Mutation es sich genau handelt und wie sie untersucht wurde, ist völlig unklar. Solange diese Informationen nicht bekannt sind, können Experten nur schwer bewerten, wie groß die potenzielle Gefahr tatsächlich ist.

Was bekannt ist

Das Coronavirus fällt über Eiweiße , sogenannte Spike-Proteine, in menschliche Zellen ein und bringt diese dazu, unzählige Kopien des Virus herzustellen. Dabei passieren zufällige Kopierfehler im Genom des Virus – sogenannte Mutationen. An sich ist das nicht bedrohlich, die meisten dieser Veränderungen haben keinen Effekt und im Vergleich zu anderen Erregern mutiert das Coronavirus nur langsam.

Laut der dänischen Regierung sind bei Nerzen jedoch Mutationen aufgetreten, die das Spike-Protein betreffen. Das kann zum Problem werden, weil ein Teil der körpereigenen Abwehr genau auf diese Eiweiße abzielt. Das Immunsystem produziert Antikörper, die das Spike-Protein blockieren und dadurch unschädlich machen. Wenn sich die Eiweiße des Virus jedoch durch Mutationen verändern, sind die Antikörper nicht mehr passgenau und könnten dadurch weniger effektiv sein.

DER SPIEGEL

Hinzu kommt, dass die Mutationen inzwischen nicht mehr nur bei Nerzen vorkommen. Laut der dänischen Regierung ist die Virusvariante bei zwölf Menschen in Jütland nachgewiesen worden.

Was hat das alles mit dem Impfstoff zu tun?

Ein aktiver Impfstoff gaukelt dem Körper eine Infektion  nur vor und bringt ihn dazu, selbst Abwehrkräfte in Stellung zu bringen, die auch vor einer echten Infektion schützen sollen. Wenn nun aber Mutationen dafür sorgen, dass sich das Virus erheblich verändert, müsste womöglich auch der Impfstoff angepasst werden.

Es sei absolut entscheidend, dass ein Impfstoff optimal funktioniert, begründete Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen in einem Facebook-Post die Entscheidung, alle Zuchtnerze im Land zu töten. "Es müssen daher alle Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass die Möglichkeit eines wirksamen Impfstoffs nicht geschwächt wird."

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Dänemark ist der weltweit größte Produzent von Nerzfellen. Im Land gibt es derzeit 1139 Zuchtfarmen und etwa 15 bis 17 Millionen Nerze. Nach Angaben der dänischen Behörden sind bereits auf mehr als 200 Farmen Corona-Fälle festgestellt worden. Auf 67 Farmen wurde der Pelztierbestand bereits getötet.

Dass das Coronavirus auch Nerze befallen kann, ist seit Längerem bekannt. Auch in den Niederlanden waren die Nerze mehrerer Farmen getötet worden, nachdem es Hinweise gegeben hatte, ein Mensch könnte sich bei einem der Tiere angesteckt haben. Bisher gibt es jedoch nur wenige Verdachtsfälle. Treiber der aktuellen Pandemie sind Tröpfcheninfektionen von Mensch zu Mensch.

Weil Nerze in Pelzfarmen eng zusammenleben, kann sich das Virus jedoch schnell ausbreiten. Dadurch steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Mutationen. Mit der Tötung aller Nerztiere will die dänische Regierung eine weitere Ausbreitung der Virusvariante verhindern.

Wissenschaftler warnen jedoch vor übereilter Panik. Noch ist nicht klar, um welche Mutationen es sich überhaupt handelt und ob diese Auswirkungen auf die Impfstoffsuche haben könnten.

"Wenn Dänemark überzeugt ist, die Sache sei ernst genug, um die ganze Nerzpopulation zu töten, könnte man vielleicht auch schlussfolgern, die Sache sei ernst genug, um mehr Informationen über die Mutationen so schnell wie möglich mit der Wissenschaftswelt zu teilen. Um herauszufinden, ob Varianten noch woanders zirkulieren", schrieb Epidemiologin Emma Hodcroft vom Biozentrum Basel bei Twitter. Sie hat die Plattform Nextstrain  mit aufgebaut, die Mutationen des Coronavirus dokumentiert.

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Bisher ist jedoch nichts über die Mutationen bekannt. Das dänische Statens Serum Institut, vergleichbar mit dem deutschen Robert Koch-Institut, hatte im September von zwei Mutationen berichtet , die bei Nerzen und Menschen nachgewiesen worden waren und das Spike-Protein betreffen.

"Wir brauchen mehr Informationen"

Eine davon steht im Zusammenhang mit einer weiteren bekannten Genveränderung, die das Virus womöglich unempfindlicher gegenüber Antikörpern machen könnte. Ob es sich bei den Mutationen um dieselben handelt, die nun zur Tötung aller Zuchtnerztiere in Dänemark führen, ist jedoch unklar. Möglicherweise sind auch weitere Mutationen aufgetreten.

Selbst wenn Genveränderungen das Virus unempfindlicher gegenüber Antikörpern machen sollte, bedeute dies jedoch nicht, dass ein möglicher Impfstoff unwirksam wäre. Denn die körpereigene Abwehr verlässt sich nicht nur auf Antikörper.

In Deutschland spielt die Züchtung von Pelztieren keine große Rolle. Seit September 2017 gilt in Deutschland das sogenannte Tiererzeugnisse-Handels-Verbotsgesetz, das strengere Auflagen für die gewerbliche Haltung von Pelztieren vorsieht. Dadurch ist die Haltung der Tiere weniger rentabel geworden. Laut der Organisation Tierschutzbüro hat die letzte Pelzfarm in Deutschland vor anderthalb Jahren den Betrieb eingestellt.

koe
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