Booster-Impfung »Wir sind verärgert, dass Jens Spahn Erwartungen schürt«

Mohssen Assanimoghaddam / dpa
Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat den Aufruf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Corona-Auffrischimpfungen für alle kritisiert. »Für die Notwendigkeit von Auffrischimpfungen für Menschen jeglichen Alters gibt es bisher keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz«, sagte Reinhardt den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Spahn hatte am Freitag betont, dass eine Booster-Impfung jetzt für alle möglich sei. »Wir haben Impfstoff mehr als genug«, sagte der Minister im rbb-Inforadio.
Der Chef der Bundesärztekammer warb gleichzeitig für die Drittimpfung von älteren und vorerkrankten Menschen: Sie könne ihr Infektionsrisiko erheblich reduzieren. Die Ständige Impfkommission (Stiko) habe deshalb klare Impfempfehlungen für Menschen ab 70 Jahre, Vorerkrankte und Menschen aus bestimmten Berufen ausgesprochen. Die dritte Impfung ist mindestens sechs Monate nach einer vollständigen Impfung möglich. Zusätzlich wird Menschen, die einmalig mit dem Mittel von Johnson & Johnson geimpft wurden, eine Auffrischung mit einem RNA-Impfstoff (Biontech oder Moderna) empfohlen.
Reinhardt warf der Politik eine mangelnde Aufklärungs- und Informationspolitik vor. »Es wäre jetzt eigentlich Aufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über die Booster-Impfung für ältere Menschen zu informieren und auch mit den Falschinformationen in den sozialen Netzwerken aufzuräumen«, sagte er. »Diese Fake News sind doch maßgeblich dafür verantwortlich, dass wir heute eine Pandemie der Ungeimpften haben.«
»Verärgert, dass der Gesundheitsminister Erwartungen schürt«
Auch die Hausärzte äußerten sich kritisch. »Wir sind verärgert, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Erwartungen schürt, Booster-Impfungen seien für alle möglich«, sagte das Bundesvorstandsmitglied des Hausärzteverbands, Armin Beck, dem RND. »Die Hausärzte folgen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission und diese empfiehlt aktuell Drittimpfungen nur für über 70-Jährige und wenige andere Gruppen.«
Derzeit könnten die Praxen diese Auffrischimpfungen stemmen, sagte Beck. Auch durch die Äußerungen von Spahn werde nun aber der Aufklärungs- und Diskussionsbedarf in den Praxen größer. Bei einer Ausweitung der Empfehlung durch die Stiko würden Hausärzte auch diese Personengruppen impfen, kündigte Beck an.