Kampf gegen das Coronavirus Alles, was Sie über die Impfkampagne wissen müssen

Impfzentrum in Düsseldorf: Eins von 400 regionalen Impfzentren in Deutschland
Foto:Thilo Schmuelgen / dpa
An diesem Sonntag beginnen in Deutschland die Impfungen gegen das Coronavirus. Doch bis jeder, der die Spritze haben will, sie tatsächlich auch bekommt, wird es bis weit ins nächste Jahr dauern. Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um den Start der Impfkampagne.
Wo beginnen die Impfungen?
Die deutsche Impfkampagne beginnt am 27. Dezember in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Dabei sollen mobile Impfteams zum Einsatz kommen, die die Heime aufsuchen und dort Bewohnerinnen, Bewohner und das Personal impfen. In welchen Heimen zuerst geimpft wird, entscheiden laut Bundesgesundheitsministerium die Bundesländer und Behörden vor Ort.
Wo werden die weiteren Impfungen durchgeführt?
Wer nicht in einem Heim geimpft wird, muss sich in eines der 400 regionalen Impfzentren begeben. An vielen Orten sind sie startklar. Die Zentren werden von den Bundesländern betrieben und wohl spätestens Anfang Januar ihren Betrieb aufnehmen.
Wer ist zuerst dran?
Das regelt die Impfverordnung. Eine Priorisierung ist nötig, weil zunächst nicht ausreichend Impfdosen für alle verfügbar sein werden. Höchste Priorität haben Menschen ab 80 sowie all jene, die in stationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer oder pflegebedürftiger Menschen betreut werden oder tätig sind. Zur ersten Gruppe gehört zudem, wer auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, bei Rettungsdiensten oder in den Impfzentren arbeitet.
In der zweiten Gruppe sind Menschen ab 70 Jahren sowie Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Dazu gehören Demenzkranke sowie Menschen mit Trisomie 21 und Transplantationspatienten. Auch enge Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen dürfen sich dann impfen lassen, dasselbe gilt für Menschen in Asyl- oder Obdachlosenunterkünften.
Zur dritten Gruppe gehören alle Menschen ab 60, stark Übergewichtige, Menschen mit chronischer Nieren- oder Lebererkrankung, Patienten mit Immundefizienz und HIV-Infizierte sowie Menschen mit Diabetes, Herzerkrankungen oder Bluthochdruck. Erfasst sind außerdem Krebs- und Asthmakranke sowie Menschen mit Autoimmun- oder rheumatischen Erkrankungen.
Zur dritten Priorität gehören außerdem Mitarbeiter von Verfassungsorganen, Regierungen und Verwaltungen, Streitkräften, Polizei, Zoll, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Justiz sowie dem Lebensmitteleinzelhandel. Hinzu kommen Menschen mit prekären Arbeitsbedingungen wie etwa Saisonarbeiter.
Wann bin ich an der Reihe?
Über das Prozedere, wie Impfberechtigte informiert werden, entscheiden die Bundesländer. Manche Landesregierungen schreiben ihre Bürgerinnen und Bürger direkt an, in anderen ist noch offen, wie sie Menschen potenziell über Möglichkeiten zum Impfen benachrichtigen wollen.
Wer sich impfen lassen möchte, muss einen Termin vereinbaren. Das Terminmanagement soll voraussichtlich vielerorts über die bestehenden Termin-Servicestellen unter der bundesweiten Rufnummer 116 117 erfolgen. Allerdings planen manche Bundesländer eine eigene Hotline.
Wie viele Menschen können in den ersten Tagen geimpft werden?
Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird der Hersteller Biontech 1,3 Millionen Impfdosen noch vor Jahresende liefern. Das würde unmittelbar in etwa für genauso viele Menschen reichen. Die notwendige zweite Impfung muss dann innerhalb von drei Wochen verabreicht werden. Sie soll gewährleisten, dass der Impfstoff auch richtig wirkt.
Bis Ende März kündigte Spahn elf bis zwölf Millionen Impfdosen an. Die Menge würde also für bis zu sechs Millionen Menschen reichen.
Wie sieht es im kommenden Jahr aus?
Spahn geht davon aus, bis zum Sommer allen Bürgern in Deutschland ein »Impfangebot« machen zu können – sofern weitere Präparate eine Zulassung erhalten. Neben dem Biontech-Impfstoff spielt auch das Mittel von Moderna eine Rolle, über dessen Zulassung die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) bis zum 6. Januar entscheiden will. Für beide Impfstoffe sind dem Gesundheitsministerium zufolge insgesamt 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen – bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland.
Wollen sich überhaupt so viele impfen lassen?
Wohl nicht. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa haben derzeit etwa zwei Drittel der Deutschen das vor. Konkret gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich impfen lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber erst mal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.
Wie läuft die Impfung ab?
Wer in einem Impfzentrum geimpft wird, muss sich zunächst ausweisen. Dann erhält man Informationen zur Impfung, zu Risiken und Nebenwirkungen sowie einen Fragebogen zum eigenen Gesundheitszustand. Die Impfung wird in Einzelkabinen von Fachpersonal verabreicht. Für Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die vor Ort geimpft werden, legen die Einrichtungen eine Anspruchsberechtigung für die Impflinge vor.
Kann ich mich auch beim Hausarzt impfen lassen?
Zunächst ist das nicht möglich, womöglich ändert sich das aber in einigen Monaten. Nach dem geplanten Start in den regionalen Impfzentren geht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) davon aus, »dass die Praxen vermutlich im Sommer impfen werden«, sagte KBV-Chef Andreas Gassen. Die Hausärzte seien darauf eingestellt, »schnell eine große Gruppe an Patienten zu impfen«.
Was steckt eigentlich in den Biontech-Impfdosen?
Das ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff. Diese Art wurde nun erstmals für den Menschen zugelassen. Das Mittel enthält im Gegensatz zu herkömmlichen Impfstoffen keine abgeschwächten oder abgetöteten Viren, sondern lediglich eine Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers.
Diese Anleitung wird in Form eines sogenannten mRNA-Moleküls in den Körper geimpft, wo dann die menschlichen Zellen selbst ein Protein (Eiweiß) des Virus herstellen. Das menschliche Immunsystem wird damit zur Bildung von Abwehrstoffen angeregt. Bei späterem Kontakt mit dem Coronavirus erkennt das Immunsystem das Protein wieder und kann den Erreger schnell gezielt bekämpfen.
Manche behaupten, der mRNA-Impfstoff verändere die Gene – stimmt das?
Nein, das ist falsch. Das mRNA-Molekül wird von den Körperzellen komplett zerlegt. Die Impfung ist nicht in der Lage, in das menschliche Erbgut einzugreifen. »Eine Integration von RNA in DNA ist unter anderem aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur nicht möglich«, heißt es vom Paul-Ehrlich-Institut. Das Bundesgesundheitsministerium hat auch keinen Hinweis darauf, dass mRNA in DNA umgeschrieben wird.
Wie gut ist der Impfschutz?
In den bisherigen Tests schützte das Biontech-Präparat zu 95 Prozent vor einer Covid-19-Erkrankung. Ob diese Wirksamkeit auch bei einem massenhaften Einsatz bei einer höheren Zahl an älteren Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen zu erreichen ist, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.
Kann ich nach einer Impfung andere noch anstecken?
Das ist bisher noch unklar. Bis spätestens Februar erwartet Biontech dazu genauere Erkenntnisse.
Wie lange wirkt die Impfung?
Auch das lässt sich jetzt noch nicht beantworten. Derzeit laufen Studien dazu. Erste Hinweise gibt eine noch nicht abschließend begutachtete US-Untersuchung von Menschen, die sich auf natürlichem Weg mit Sars-CoV-2 infiziert haben: Demnach waren bei ihnen die Abwehrmechanismen des Immunsystems Monate später noch nachweisbar. Bei einer Impfung falle die Immunantwort gemeinhin effizienter aus, sagt etwa Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund.
Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle – das sind bei Impfungen übliche Nebenwirkungen, auf die man sich einstellen muss. Nach Erkenntnissen einer im »New England Journal of Medicine« veröffentlichten Studie zum Biontech-Präparat kann es außerdem zu Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen kommen, teilweise auch zu Fieber. Diese waren im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab. Experten halten sie für nicht angenehm, aber sehen auch keinen Anlass für größere Bedenken.
Wie werden etwaige Nebenwirkungen überwacht?
Die Verträglichkeit des Impfstoffs wird auch nach der Zulassung weiter überprüft. Dafür setzt das zuständige Paul-Ehrlich-Institut auf Meldungen von Herstellern, Ärzten, aber auch von Patienten. Das geht etwa über die Plattform Nebenwirkungen.bund.de oder eine App. Über die App werden Geimpfte etwa in bestimmten Zeitabständen nach jeder Impfung nach gesundheitlichen Beschwerden befragt oder auch dazu, ob nach der Injektion noch eine Corona-Infektion auftrat.
Muss ich mir als Allergiker Sorgen machen?
Nicht allzu sehr, sagt der Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen, Ludger Klimek. Allergische Reaktionen auf Impfstoffe seien nicht ungewöhnlich und kämen sehr selten vor. »Nur sehr wenige Personen werden wohl aufgrund des Allergierisikos von einer Impfung ausgeschlossen werden müssen«, sagt der Medizinprofessor. In der Biontech-Zulassungsstudie waren keine Patienten mit schweren Allergien dabei.
Wer haftet, sollte es doch zu Schäden kommen?
Dafür kommen dem Bundesgesundheitsministerium zufolge je nach Fall verschiedene gesetzliche Grundlagen in Betracht. Eine Haftung des Pharmaunternehmens könne sich aus dem Arzneimittelrecht oder Produkthaftungsgesetz ergeben. »Außerdem gelten die allgemeinen Haftungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch«, sagte ein Ministeriumssprecher kurz vor Weihnachten.
Wirkt die Impfung auch bei neuen Virusvarianten?
Vermutlich ja. Experten zufolge richtet sich die Immunreaktion des Körpers gegen mehrere Merkmale des Virus, einzelne Mutationen dürften sich daher nicht dramatisch auswirken. Biontech-Chef Uğur Şahin ist zuversichtlich: »Wir haben den Impfstoff bereits gegen circa 20 andere Virusvarianten mit anderen Mutationen getestet. Die Immunantwort, die durch unseren Impfstoff hervorgerufen wurde, hat stets alle Virusformen inaktiviert.« Mit weiteren Informationen etwa über die Mutation, die zuerst in Großbritannien entdeckt worden war, wird es mehr Erkenntnisse geben.
Muss ich meine Impfung selbst zahlen?
Nein. Sie soll für alle Menschen gratis sein. Die Kosten für die Impfstoffe übernimmt der Bund. Insgesamt rechnet Gesundheitsminister Jens Spahn mit Kosten von bis zu sechs Milliarden Euro für die gesamte Impfaktion. Den Aufbau und die Organisation der Impfzentren finanzieren die Länder sowie die Krankenkassen. Die Länder und Kommunen müssen sicherstellen, dass es ausreichend Personal gibt, um die Impfzentren zu betreiben.
Wird es eine Impfpflicht geben?
Eine allgemeine Impfpflicht hat die Bundesregierung immer wieder klar ausgeschlossen. Ob etwa Geschäfte und Restaurants den Zutritt ohne Nachweis einer Immunität verwehren oder wie sie dies kontrollieren könnten, wird wohl erst die Zukunft zeigen. Rechtsexperten sahen jüngst über das Hausrecht privater Besitzer durchaus die Möglichkeit, Ungeimpften den Zutritt zu verwehren.