Neue RKI-Daten Impfstoffe schützen Deutsche gut vor Tod und schweren Verläufen

Trotz Delta sind die Impfstoffe offenbar hocheffektiv. Laut neuen RKI-Daten ist bislang nur ein unter 60-Jähriger in Deutschland nach einem Impfdurchbruch an oder mit Covid-19 gestorben. Auch auf den Intensivstationen sind Geimpfte rar.
Impfung einer Schülerin in München (Archivbild)

Impfung einer Schülerin in München (Archivbild)

Foto: Sven Hoppe / dpa

Die Coronaimpfungen schützen die Menschen in Deutschland bislang gut vor schweren Erkrankungen. Und sie reduzieren auch das Infektionsrisiko noch immer spürbar.

Dies geht aus neuen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor, die das Institut am Freitag nachträglich seinem wöchentlichen Lagebericht  hinzufügte. Es ist laut RKI das erste Mal, dass das Institut Daten zur Anzahl der auf Intensivstation betreuten und verstorbenen Covid-19-Fälle mit wahrscheinlichem Impfdurchbruch veröffentlicht.

Dieser Statistik zufolge ist seit Anfang Februar erst eine einzige voll immunisierte Person im Alter von unter 60 Jahren nach einem sogenannten wahrscheinlichen Impfdurchbruch an den Folgen einer Corona-Erkrankung gestorben. Laut RKI-Definition liegt ein wahrscheinlicher Impfdurchbruch vor, wenn ein Patient mindestens zwei Wochen nach der abgeschlossenen Impfserie positiv getestet wird und Symptome aufweist.

Insgesamt verzeichnet das RKI 335 Todesfälle nach wahrscheinlichen Impfdurchbrüchen. Dies entspricht 1,5 Prozent aller Menschen in Deutschland, die seit Anfang Februar an und mit dem Coronavirus verstorben sind. Laut RKI-Statistik sind 58,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig geimpft; tatsächlich dürfte die Quote noch deutlich höher sein.

Nur sechs Prozent der Intensivpatienten sind voll geimpft

»Die Zahlen belegen eindeutig, dass die Impfungen gut schützen – gerade vor schweren Verläufen«, sagte Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, dem SPIEGEL. Dies sei auch jetzt noch so, da die hochinfektiöse Delta-Variante in Deutschland kursiert. Allerdings lasse der Schutz für geimpfte Menschen vor Ansteckungen nun spürbar nach.

Angesichts stark steigender Inzidenzen und vermehrter Meldungen über Impfdurchbrüche erwägt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), allen Bürgern eine Corona-Auffrischungsimpfung anzubieten. In den USA hat Präsident Joe Biden dies bereits versprochen. Hierzulande beginnen die Bundesländer laut Spahn erst einmal schrittweise mit den sogenannten Booster-Impfungen in den Pflegeeinrichtungen und für besonders gefährdete Menschen.

Solch gezielte Immunisierungen seien sinnvoll, sagte Watzl, der an der Technischen Universität Dortmund den Forschungsbereich Immunologie leitet. Flächendeckende Drittimpfungen der gesamten Bevölkerung hingegen seien zu diesem Zeitpunkt angesichts der Datenlage noch nicht notwendig.

Bis einschließlich zum vergangenen Dienstag hat das RKI 13.360 wahrscheinliche Impfdurchbrüche registriert. Darunter waren 6927 seit dem 19. Juli. Die Durchbrüche häufen sich also. Insgesamt jedoch hatten voll Geimpfte seit dem 19. Juli nur knapp 15 Prozent Anteil an allen registrierten symptomatischen Coronafällen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist etwa viermal so hoch. Umgekehrt würden demnach 85 Prozent der Fälle auf die rund 40 Prozent der Bevölkerung entfallen, die noch un- oder teilgeimpft sind.

Allerdings fügt das RKI hinzu, es könne nicht ausgeschlossen werden, »dass die aktuelle Dynamik sowohl in den Impfquoten als auch in den Infektionswahrscheinlichkeiten sowie ein möglicherweise unterschiedliches Testverhalten bei Geimpften und Ungeimpften zu Verzerrungen« in der Statistik führen.

»Das Ziel der Impfung ist nicht, ein Kratzen im Hals zu verhindern. Sondern: nicht auf der Intensivstation zu landen.«

Carsten Watzl, Professor für Immunologie, TU Dortmund

Noch größer als bei den Infektionen ist der Unterschied bei den Krankenhauseinweisungen. Von 3235 Menschen, die seit dem 19. Juli wegen Covid-19 hospitalisiert werden mussten, waren 261 voll geimpft. Das entspricht gut acht Prozent.

Der noch geringere Anteil als bei den Ansteckungen deute darauf hin, dass die Impfstoffe ihre wichtigste Funktion erfüllen: Infizierte davor zu bewahren, schwer zu erkranken, sagte Watzl. »Das Ziel der Impfung ist nicht, ein Kratzen im Hals zu verhindern. Sondern: nicht auf der Intensivstation zu landen.«

Auf den deutschen Intensivstationen wurden laut der RKI-Statistik seit Anfang Februar bisher 76 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung nach wahrscheinlichen Impfdurchbrüchen betreut – rund 0,8 Prozent aller Corona-Intensivpatienten.

Seit Mitte Juli gab es 17 solcher Fälle, unter insgesamt 319 vom RKI aufgeführten Corona-Intensivpatienten. Das entspricht knapp sechs Prozent Anteil. Allerdings ist unklar, ob das Institut in seiner Statistik sämtliche neuen Corona-Intensivpatienten erfasst hat. Die RKI-Pressestelle war am Samstag telefonisch nicht erreichbar.

Das Risiko steigt mit dem Alter – auch für Geimpfte

Unter den laut RKI-Daten 139 verstorbenen Covid-19-Fällen seit Mitte Juli waren 19 Menschen mit wahrscheinlichen Impfdurchbrüchen, also rund 14 Prozent. Sie alle waren mindestens 60 Jahre alt.

»Gerade bei älteren Menschen gibt es immer wieder sogenannte Impfversager, also Fälle von Menschen, die trotz der Impfung nicht immun sind«, erklärte Immun Watzl den relativ hohen Anteil der voll Geimpften an den Toten. »Solche Fälle werden zwar als Durchbruchsinfektionen registriert. Tatsächlich jedoch haben diese Menschen nie einen Schutz entwickelt.«

Dennoch hält Watzl Boosterimpfungen in dieser Bevölkerungsgruppe aus zwei Gründen für sinnvoll: zum einen wurden viele ältere Menschen besonders früh geimpft, zum anderen haben sie oft ein schwächeres Immunsystem.

»Im Moment ist es nur notwendig, Risikopatienten noch einmal zu impfen«, sagte der Immunologe dem SPIEGEL. »Die meisten 40- oder 50-Jährigen, die jetzt doppelt geimpft worden sind, kommen damit gut durch den Winter.« Und da die Impfstoffe weltweit noch immer knapp seien, sollten sie »besser in Ländern verabreicht werden, in denen noch nicht einmal die Ärzte geimpft sind.«

Laut dem Statistikportal »Our World in Data« sind in den einkommensschwächsten Staaten der Erde bislang erst 1,3 Prozent der Einwohner wenigstens erstgeimpft.

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