Corona in Italien "In Neapel ist die Situation außer Kontrolle"

Italien kämpft erneut gegen das Coronavirus, dieses Mal trifft es auch den strukturschwachen Süden. Ein schockierendes Video aus Neapel setzt jetzt die Politik unter Druck.
Patienten warten in Autoschlangen vor einem Krankenhaus in Neapel darauf, getestet oder behandelt zu werden

Patienten warten in Autoschlangen vor einem Krankenhaus in Neapel darauf, getestet oder behandelt zu werden

Foto: Ciro De Luca / REUTERS

Im Frühjahr gingen Bilder aus Italien um die Welt. Sie zeigten, wie Laster des Militärs Leichen abtransportierten und übermittelten eine klare Botschaft: Das Coronavirus kann erhebliches Leid verursachen, wenn es nicht kontrolliert wird.

Jetzt steigen die Fallzahlen in dem Mittelmeerland erneut stark an. Am Donnerstag berichteten die Behörden von knapp 38.000 neuen Infektionen innerhalb von 24 Stunden. Zuvor hatte das Land mit seinen 60 Millionen Einwohnern die Marke von einer Million nachgewiesenen Infektionen seit Beginn der Pandemie überschritten.

Für erhebliche Unruhe sorgt zudem das Video eines Mannes, der tot im Waschraum einer Notaufnahme in einer Klinik in Neapel aufgefunden wurde. Unklar ist, ob der Mann dort bereits behandelt wurde oder auf einen Test gewartet hatte. Auf den Bildern ist zudem ein mit Krankenbetten überfüllter Flur zu sehen. Das Video hatte sich in sozialen Medien rasch verbreitet.

Menschen, die auf Parkplätzen behandelt werden

Die Verantwortlichen des betroffenen Krankenhauses sagten eine Untersuchung der Todesumstände zu. Der italienische Außenminister Luigi Di Maio sieht in dem "schockierenden Video" einen weiteren Beleg dafür, wie prekär die Situation rund um die italienische Hafenstadt inzwischen ist.

"In Neapel und in vielen Teilen Kampaniens ist die Situation außer Kontrolle", schrieb Luigi Di Maio am Mittwochabend auf Facebook. Es gebe Berichte über Menschen, die im Auto auf Parkplätzen behandelt würden. Andere müssten viel zu lange auf ihren Transport ins Krankenhaus warten.

Regionalminister Francesco Boccia bezeichnete die Videoaufnahmen als beschämend für alle Verantwortlichen. Zugleich wies er in einem TV-Interview im Sender La7 darauf hin, dass zu viele Menschen mit leichten Corona-Symptomen ins Krankenhaus kämen, statt sich zu Hause auszukurieren.

Auf Bildern aus Neapel ist zu sehen, wie Menschen in langen Autoschlangen vor einem Krankenhaus darauf warten, getestet oder behandelt zu werden. Manche Erkrankten seien noch in ihrem Auto mit Sauerstoff oder einer Infusion versorgt worden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Kalabrien: 154 Intensivbetten für die gesamte Region

Während im Frühjahr hauptsächlich der Norden des Landes betroffen war, verzeichnet Italien während der aktuellen Welle in deutlich mehr Regionen einen besorgniserregenden Anstieg der Fallzahlen. Dazu zählen auch ärmere Gebiete im Süden des Landes, die über ein schlechteres Krankenhaussystem verfügen.

In ganz Kalabrien etwa standen Anfang des Jahres 146 Intensivbetten zur Verfügung. Trotz der Bedrohung durch das Coronavirus stieg ihre Anzahl bis Ende Oktober nur auf 154. Auf Sizilien warnte der Bürgermeister von Palermo vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen am Montag vor einem "unvermeidlichen Massaker".

Aufgrund der regional unterschiedlichen Gefährdung hatte die italienische Regierung das Land vor Kurzem in drei Risikozonen eingeteilt. Mehr als die Hälfte der 20 Regionen (vergleichbar mit unseren Bundesländern) wurde zu roten oder orangen Zonen erklärt. In den roten Zonen – darunter die Lombardei und das Piemont im Norden sowie Kalabrien im Süden – gelten Teil-Lockdowns mit Ausgangsbeschränkungen.

Die Großstadt Neapel und die umliegende Region Kampanien hingegen bewertete die Regierung auf Basis von 21 Indikatoren bisher nur als Zone mit mäßigem Risiko (gelb). Mehrere Politiker hatten das in den vergangenen Tagen scharf kritisiert und vor einem Kollaps der Krankenhäuser gewarnt. Es wurden Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zahlen aus der Region laut. Nach dem Schock-Video aus Neapel gab es Signale aus Rom, die Lage neu zu prüfen.

irb/dpa/Reuters
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