
Coronavirus – die Woche Willkommen in der Salami-Republik


Timo Lenzen/ DER SPIEGEL
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
nach dem Corona-Sommermärchen mit gefühlter Freiheit dräute im Oktober Ungemach: Die Fallzahlen stiegen rasant, die Politik diskutierte und beschloss angesichts der steilen Infektionskurve wieder Einschränkungen. Damit es nicht ganz so bitter würde, erst mal nur für den November.
Schon damals war eigentlich jedem geradeaus denkenden Menschen klar, was diese Woche Gewissheit wurde: Die November-Deadline war natürlich keine, die Maßnahmen müssen verlängert und sogar noch verschärft werden. Bittere Wahrheiten, so scheint es, mag die Politik uns aber nur scheibchenweise zumuten.
Im Bund-Länder-Beschluss vom Mittwoch zu den weiteren Einschränkungen wurde munter weitergewurstelt. Weil man dem Einzelhandel den Ausfall des Silvestergeschäftes nicht zumuten wollte, wird Böllern zum Jahreswechsel nicht ganz verboten, sondern nur auf belebten Plätzen und Straßen. Wie das wohl interpretiert wird?
Sehr lange soll es bei den Verhandlungen um die Frage gegangen sein, wie viele Personen auf wie vielen Quadratmetern sich in Geschäften mit einer bestimmten Grundfläche aufhalten dürfen. Für die Zahlenfetischisten eine aktuelle Nachricht im Gegenschnitt: Diese Woche durchbrach Deutschland die Eine-Million-Corona-Infizierten-Schallmauer.
Warum sich diese Politik der kleinen Portionen auf Dauer rächen könnte, hat meine Kollegin Julia Merlot diese Wochen in einem Szenarienstück aufgefächert. Darin erklärt sie auch, warum der derzeitige Erfolg, den Anstieg der Infektionskurve zu stoppen, keiner ist: Wenn die Fallzahlen ein Plateau auf einem derart hohen Niveau bilden, das länger so verharrt, bleiben auch andere Werte dauerhaft hoch: die Auslastung der Intensivbetten, die Todeszahlen.
Nachhaltig helfen würde es nur, die Infektionszahlen deutlich zu senken. Im März ist uns das gelungen: Nicht mit der Salami-Taktik, sondern mit harten Maßnahmen – die allerdings immer noch milde waren im Vergleich zu den wirklich harten Lockdowns mancher europäischen Nachbarländer wie Frankreich oder Italien. Die haben sich auch in der zweiten Welle wieder deutlich schärfere Maßnahmen verordnet und können – zumindest im Fall Frankreich – derzeit sinkende Infektionen vermelden.
Vielleicht sollten wir uns da mal eine Scheibe abschneiden.
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Covid-19 in weltweiten Zahlen
Bestätigte Fälle: 61.104.906
Todesfälle: 1.434.509
Von der Krankheit genesen: 39.175.274
Deutschland: 1.006.394 bestätigte Erkrankte, 15.586 Todesfälle
Quellen: CSSE / Johns-Hopkins-Universität , Stand: 27. November 2020, 12.25 Uhr; Robert Koch-Institut, Stand: 27. November 2020, 0:00 Uhr
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