Hinweis auf mögliche Nebenwirkung Was über Herzmuskelentzündungen nach Biontech-Impfungen bekannt ist

Israel untersucht Dutzende Fälle von Herzmuskelentzündungen, die nach einer Impfung mit der Corona-Vakzine von Biontech aufgetreten waren. Bislang sind vor allem Männer betroffen.
Ampulle des Biontech-Impfstoffs Cominarty

Ampulle des Biontech-Impfstoffs Cominarty

Foto: Teresa Nunes / imago images/ZUMA Wire

Es traf vor allem junge Männer zwischen 18 und 30 Jahren: In Israel gibt es Berichte über Herzmuskelentzündungen, die nach einer Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Biontech aufgetreten waren. Demnach geht es um 62 Fälle, von denen 56 nach der zweiten Dosis mit dem Impfstoff aufgetreten waren, berichtet unter anderem »The Jerusalem Post«  und bezog sich auf einen geleakten Bericht. Laut dem israelischen Gesundheitsministerium ist eine ungewöhnliche Häufung solcher Fälle allerdings nicht erwiesen.

Bei einer sogenannten Myokarditis kommt es zu einer Entzündung des Herzmuskels, meist als Folge einer Virusinfektion. Die Betroffenen fühlen sich meist schlapp und müde. Drei von vier Patienten bekommen zudem Luftnot oder Brustschmerzen. Im schlimmsten Fall kann die Entzündung das Herz langfristig schädigen und zu Herzrhythmusstörungen oder plötzlichem Herztod führen. Auch im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung gab es Berichte über Herzmuskelentzündungen .

Zusammenhang bisher nicht belegbar

»Grundsätzlich ist ein Zusammenhang von Impfungen mit dem Auftreten von Herzmuskelentzündungen bekannt«, sagte Kardiologe Dirk Westermannn. Dies betreffe aber nicht mRNA-Impfstoffe wie den von Biontech/Pfizer, sondern sei vor allem durch die Pockenimpfung bekannt. Diese wird in Deutschland jedoch nicht mehr empfohlen, weil die Krankheit dank Impfungen als ausgerottet gilt.

Bisher ist kein Mechanismus bekannt, warum eine Herzmuskelentzündung nach einer Corona-Impfung auftreten sollte. Weil der Biontech-Impfstoff nicht das komplette Virus enthält, sondern nur den Bauplan für einen typischen Bestandteil des Erregers, kommt es zu keiner Infektion. Laut Westermann gab es jedoch auch in Spanien und den USA sehr wenige Fälle von Herzmuskelentzündungen, die nach mRNA-Impfungen aufgetreten waren. »Auch hier ist eine klare Kausalität bisher nicht belegbar«, so der Kardiologe.

Seit Zulassung der ersten Impfstoffe gegen das Coronavirus suchen Behörden weltweit nach möglichen Nebenwirkungen. Ein entscheidendes Instrument ist die sogenannte Observed-versus-Expected-Analyse, was auf Deutsch in etwa so viel heißt wie Beobachtet-gegen-Erwartet-Analyse.

Dahinter steckt folgende Überlegung: Inzwischen sind allein in Israel fünf Millionen Menschen zweimal gegen das Coronavirus geimpft worden. In dem Land wurde fast ausschließlich der Impfstoff von Biontech eingesetzt. Dass bei einer so großen Zahl von Menschen zufällig Krankheiten auftreten würden, war deshalb zu erwarten. Entscheidend ist jedoch: Häuft sich eine bestimmte Erkrankung bei Geimpften auffällig?

»Aus kardiologischer Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht beunruhigend«

Über die Fälle aus Israel ist bisher nur wenig bekannt. 55 der insgesamt 62 dokumentierten Herzmuskelentzündungen trafen Männer, die meisten erholten sich wieder. Eine 22-jährige Frau und ein 35-jähriger Mann überlebten die Herzmuskelentzündung dagegen nicht.

Dass eine Herzmuskelentzündung vor allem jüngere Menschen trifft, ist an sich jedoch nicht ungewöhnlich. Bisher gibt es auch keinen Hinweis, dass die Krankheit bei Geimpften häufiger vorkommt.

Laut Westermannn wird das Auftreten von Herzmuskelentzündungen auf etwa 10 bis 20 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Jahr geschätzt. Die Häufigkeit von 62 Fällen pro fünf Millionen Geimpften sei prinzipiell mit dem generellen Auftreten der Erkrankung erklärbar. »Insgesamt ist bisher keine Häufung mit klarer Kausalität von Myokarditis nach mRNA-Impfungen belegt«, sagte Westermann. »Die bisher berichteten Daten sind damit aus kardiologischer Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht beunruhigend.«

»Wichtiger Bericht«

Eine Sprecherin des israelischen Gesundheitsministeriums teilte am Dienstag mit, ein Expertenteam überwache alle Nebenwirkungen der Corona-Impfungen und veröffentliche regelmäßig Berichte. »Sie zeigen keinen eindeutigen Anstieg der Sterblichkeit wegen der Impfung, und es ist auch nicht sicher, dass es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Anstieg der Zahl von Herzmuskelentzündungen gibt.« Es handele sich gleichwohl um einen »wichtigen Bericht«, über den das Expertenteam in den kommenden Tagen beraten werde. Die Ergebnisse der Beratung sollen veröffentlicht werden.

Biontech hat angekündigt, die Fälle von Herzmuskelentzündungen zu untersuchen. Das Unternehmen habe Israel um weitere Details dazu gebeten, sagte Biontech-Chef Uğur Şahin am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Vereins der ausländischen Presse in Deutschland. »Wir haben bis jetzt keinen Hinweis auf gehäufte Fälle dieser Herzmuskelentzündungen.«

In Deutschland gibt es laut dem aktuellen Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts  bisher keine Verdachtsfälle von Herzmuskelentzündungen, die nach einer Corona-Impfung aufgetreten waren. Auch in anderen Ländern zeigt sich bisher keine auffällige Häufung.

Keine Bedenken aus USA und Großbritannien

So liegen der US-Seuchenschutzbehörde CDC keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen Corona-Impfungen und einer Herzmuskelentzündung vor, heißt es in einem Bericht vom Mittwoch. Man habe bei den inzwischen mehr als 200 Millionen vorgenommenen Impfungen gezielt nach Anzeichen dafür gesucht, sagte CDC-Chefin Rochelle Walensky. Aber nichts Auffälliges gefunden.

Auch die britische Arzneimittelbehörde MHRA gab zunächst Entwarnung. »Der MHRA sind die Berichte über Myokarditis, die in Israel untersucht werden, bekannt«, hieß es in einer Mitteilung. »Aufgrund unserer Erfahrung und Sicherheitsüberwachung in Großbritannien gibt es aber derzeit keine neuen Sicherheitsbedenken in Bezug auf Myokarditis.«

Hinweise auf gehäuft vorkommende Blutgerinnsel nach einer Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Biontech gibt es bisher nicht. Die Europäische Arzneimittelagentur Ema hatte Verdachtsfälle von Blutgerinnseln im Zusammenhang mit Corona-Impfungen der Hersteller AstraZeneca und Johnson & Johnson untersucht.

Die Ema-Experten können einen Zusammenhang zwar nicht ausschließen, empfehlen die Impfstoffe jedoch weiterhin , weil der Vorteil die Risiken überwiege. In Deutschland wird der Impfstoff von AstraZeneca Menschen ab 60 Jahren empfohlen. Doch auch Jüngere können sich damit nach einer vorherigen ärztlichen Beratung impfen lassen. Mehrere Bundesländer hatten zuletzt die Priorisierung für den AstraZeneca-Impfstoff aufgehoben.

koe/dpa/AFP
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